RE: Dämpfer

#46 von Achim , 09.02.2016 17:23

Lieber Wilfried,

als persönlich "Ungemobbter" muss ich mich darauf beschränken, die Erfahrungen und Empfindungen der tatsächlich gemobbten Mitglieder unseres Vereins zur Kenntnis zu nehmen, zu bewerten, ernst zu nehmen und zu helfen, soweit es geht. Ich denke, dass das für alle unsere Vorstandsmitglieder gilt. Wir sind der Auffassung, dass der nach allen Regeln der Kunst Gemobbte häufig auch gleichzeitig traumatisiert ist, weshalb er regelmäßig der Unterstützung eines Traumatologen bedarf. Aus diesem Grund bemühen wir uns vom DAVID-Vorstand schon seit einiger Zeit und auch jetzt wieder aktuell, einen geeigneten Referenten zu diesem Thema für unsere Jahrestagungen zu gewinnen. Das war die Vorrede.

Seit vier Jahren habe ich die Gemobbten anläßlich unserer Jahrestreffen persönlich kennengelernt.

Wir haben dort u.a. jeweils Kleingruppenarbeit der Gemobbten angeboten, wobei Sprecher der Kleingruppen anschließend dem Plenum berichteten. Und das wollen wir auch 2016 wieder so halten.

Weshalb ich das schreibe?

Alle Teilnehmer der mobbingbetroffenen Kleingruppen ließen über ihre Sprecher mitteilen, dass ihnen der Austausch mit anderen Mobbingopfern gut getan habe, allein schon deshalb, weil sie Leidensgenossen kennengelernt hatten und sich schon allein deshalb nicht mehr als Außenseiter fühlten. Es tat ihnen gut, von Leidensgenossen zu wissen.

Wir haben dort allerdings auch gehört, dass es für die Betroffenen bisweilen schmerzhaft war, die alten Erinnerungen zu aktivieren. Als Resümee haben wir jedoch wahrgenommen, dass es die Betroffenen als außerordentlich hilfreich empfunden haben, sich mit Leidensgenossen austauschen zu können.

Nun gut, Du und Dein Arzt für Gesprächsmedizin seid anderer Auffassung. Da bleibt mir als Jurist nur die Empfehlung, dem ärztlichen Rat zu folgen.

Schade, wir hatten uns schon auf Deine sachkundige und pointierte Teilnahme gefreut. Wir alle wünschen Dir, dass Du bis zum November 2016 Deine Stabilität wieder gewinnst. Wir halten Dir einen Platz frei und bitten Dich, uns auf dem Laufenden zu halten. Besten Dank!

LG

Achim


Gemeinsam sind wir stark!

 
Achim
Beiträge: 801
Punkte: 2.704
Registriert am: 23.07.2013


RE: Dämpfer

#47 von wilfried , 10.02.2016 01:53

Lieber Achim,


herzlichen Dank für das Verständnis.

Bis November ist es ja auch noch ein bisschen hin und ich hoffe sehr, bis dahin etwas "Höhe" gewonnen zu haben.
Dann kann ich vielleicht etwas davon "abturnen", ohne gleich eine "Bruchlandung" zu machen.

Für das Einkalkulieren meines Kommens bin ich sehr dankbar.


Herzliche Grüße
Wilfried

 
wilfried
Beiträge: 76
Punkte: 230
Registriert am: 12.02.2015


RE: Dämpfer

#48 von dr.arndt , 13.02.2016 16:43

Lieber Wilfried,

mittlerweile habe ich Dein Schicksal, soweit Du es uns hier und anderenorts vermittelt hast, vollständig zur Kenntnis genommen und verstehe nun einiges besser.

Nachdem ich nun alles gelesen habe, was im Internet von Dir und über Dich geschrieben wurde, komme ich eigentlich zu dem Ergebnis, dass Du für unsere traumatisierten Mitglieder der ideale Gesprächspartner wärst. Ich habe allerdings auch verstanden, dass Du zur Zeit als traumatisiertes Mobbingopfer der evangelischen Kirche/Diakonie Deinen ebenfalls traumatisierten Leidensgenossen als Gesprächspartner nicht zur Verfügung stehen magst, um Deine eigene Gesundung/Verarbeitung des von Dir erlittenen Mobbingtraumas nicht zu gefährden.

Das verstehen wir.

Wir warten demzufolge geduldig ab, ob und wann wir Dich anlässlich unserer Jahrestreffen persönlich kennenlernen dürfen können.

Herzlichst

Dein

Achim


Gemeinsam sind wir stark!

dr.arndt  
dr.arndt
Beiträge: 423
Punkte: 1.307
Registriert am: 19.07.2013


Oh

#49 von wilfried , 08.03.2016 23:46

Lieber Achim,


gerade werde ich ganz verlegen;
ich danke Dir sehr.

Du machst Dir viel Mühe.

Ich hoffe, wie ich schon schrieb, daß ich vielleicht doch kommen kann.
Derzeit sieht es zwar nicht so gut aus, aber über den Sommer kann sich viel tun.

Vielleicht zeichnet sich sogar eine neue Erwerbsmöglichkeit ab.
Man hofft. Dann könnte ich meine Stelle befristet soweit reduzieren, daß ich aber noch ein sozaiversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe.


Herzliche Grüße
Wilfried

 
wilfried
Beiträge: 76
Punkte: 230
Registriert am: 12.02.2015


RE: Oh

#50 von Achim , 09.03.2016 14:56

Lieber Wilfried,

weder gibt es Anlass zur Verlegenheit noch Anlass, sich über meine "Mühe" Gedanken zu machen.

Wir und ich haben Dich als kluges Mitglied unseres Forums kennen- und schätzen gelernt. Wir hätten Dich deshalb auch gern persönlich in Sondershausen begrüsst.

Wenn es nicht klappt, werden wir damit umgehen können.

Bleib´uns bitte gewogen.

LG

Achim


Gemeinsam sind wir stark!

 
Achim
Beiträge: 801
Punkte: 2.704
Registriert am: 23.07.2013


"Fördergespräch"

#51 von wilfried , 06.04.2016 03:06

Mal wieder ein Zwischenbericht.
Es solle ein "Fördergespräch" geben, so meine direkte Vorgesetzte.

Das letzte gab es vor ca. 7 Jahren, danach wurde diese Praxis von der Vorgängerin eingestellt, denn die Frage, wie es mir gehe, beantwortete ich damals genauestens und ließ mich auch nicht abbringen, unter dem Hinweis, man habe mich doch gefragt, wieso ich denn jetzt schwegen solle.

Jetzt also ein neuerliches "Fördergespräch".

Diese derzeitige Vorgesetzte kenne ich, seit sie im Betrieb vor 10 Jahren als Auszubildende anfing.
Ich schätzte sie damals sehr.


Als sie mich mit dem Fördergespräch konfrontierte, ratterte es in meinem Gehirn und etwas in mir sagte: "Sei positiv."
Also lächelte ich sie lieb an und sagte, sie möge sich doch bitte statt der angedachten 30 Minuten lieber etwas mehr Zeit nehmen, man wisse ja nie.

Sie äußerte Befürchtungen. Die alten Geschichten wolle sie nicht hören.
Dennoch, beharrte ich, dennoch solle sie lieber ein bisschen mehr Zeit einplanen.

Am Folgetag, dem Tag des Gespräches, besorgte ich mir eine kleine LED-Kerze, einen Piccolo und zwei Packungen "Ferrero Rocher".

Dann ging ich zum Gespräch.

Wir gingen nach nebenan und setzten uns.
Ich eröffnete das Gespräch mit den Worten, daß ich sie gleich damals als Auszubildende im Betrieb sehr geschätzt hatte und stellte das kleine LED-Licht auf den Tisch.
"10 Jahre ist das jetzt schon her und eigentlich müsste man das feiern." sagte ich und weidete mich an ihrem verblüfften Blick, als ich den Piccolo dazustellte.
"Aber leider - wir dürfen ja keinen Alkohol im Dienst - da wirst Du leider mit Deinem Mann auf unser Wohl trinken müssen."
Dann kamen die Ferrero-Rocher auf den Tisch und ich aß das erste.

Mit vollem Mund begehrte ich, wir müssten anfangen, die Zeit sei so knapp.

Wir hatten dann ein gutes, ein wirklich gutes Gespräch über die derzeitige Lage im Betrieb, die allgemeinen Hygienebedingungen, die an sich vorbildliche Ausstattung mit Hygieneartikeln und den Verbesserungsbedarf in der Umsetzung des an sich guten Hygienekonzeptes.
Wir waren uns in den angesprochenen Dingen einig und als mich meine Vorgesetzte fragte, was der Betrieb für mich tun könne, fortbildungstechnisch, erwiderte ich, daß ich da leider auf ein Protokoll zu sprechen kommen müsse, das mir in Kopie vorliege, in dem klipp und klar stehe, daß angewiesen sei, mich von jeglicher Fortbildung auszuschließen.
Ob dieses Protokoll jetzt null und nichtig sei? Dann berichtete ich von meinem Gespräch mit meinem Geschäftsführer und daß wir ein gutes Ergebnis erzielt hätten.

Ich fragte, ob meine Vorgesetzte sich im Betrieb eine andere Stelle für mich vorstellen könne, wo ich entsprechend meiner Fähigkeiten besser für den Betrieb arbeiten könne und sie erwiderte, sie könne sich mich auch sehr gut als Betreuungsassistenten vorstellen.
Ich fragte nach der Vergütung, erfuhr, daß ich dann mit beträchtlichen Einkommenseinbußen rechnen müsste und bekräftigte, daß ich keine Stellung annehmen werde, die schlechter dotiert sei als die derzeitige. Meine Vorgesetzte konnte das vollständig nachvollziehen. Andere Stellen gebe es aber wohl leider nicht im Betrieb für mich.

Ich berichtete, ich denke darüber nach, mich bei anderen evangelischen Trägern zu bewerben, um meine Zusatzversorgung zu erhalten, aber ich würde keinesfalls kündigen, ohne zuvor die Probezeit überstanden zu haben, also je zwei halbe Stellen in der Zeit innegehabt zu haben.

Dann sprachen wir noch über die Leitungspersonen im Betrieb und waren uns in der Einschätzung sehr erstaunlich einig.
Das ist allerdings kein gutes Zeichen, wenn viele Mitarbeitende das Gleiche denken und die Leitungen nicht soooo gut dabei wegkommen.
Ich will nicht weiter darauf eingehen, obwohl ich denke, daß "die Leitungen" ihre Defizite auch ganz gut selber kennen.


Die Ferrero-Rocher-Dose leerte sich zusehends, aber ich war der Einzige, der daraus nahm.
Das Gespräch war sehr lecker.

Das Gespräch ging konfliktlos und ohne wirkliches Reizthema angenehm zu Ende und ich grabschte mir die fast leere Packung Ferrero.
Sagte:

"Leider lohnt sich der Rest nicht mitzunehmen für Dich. Nimm lieber diese."

und gab ihr die zweite, noch volle Packung.
Wieder Erstaunen, aber auch Annehmen.
Ich - fühlte mich auch angenommen.


Es war ein wirklich angenehmes Gespräch und sicherlich werden sich Verbesserungen in der Haushygiene daraus ergeben.


 
wilfried
Beiträge: 76
Punkte: 230
Registriert am: 12.02.2015

zuletzt bearbeitet 06.04.2016 | Top

RE: "Fördergespräch"

#52 von Joringel , 06.04.2016 09:54

Hallo, Wilfried,

vielleicht solltest Du eine zweite Stelle als Kabarettist anstreben. Gute Ideen hast Du ja.
Nachdem wir Dich mal auf dem Foto gesehen haben, wissen wir, dass Du noch viele Ferrero Küsschen vertragen kannst.
Schmunzel, schmunzel
Joringel


Joringel  
Joringel
Beiträge: 1.150
Punkte: 3.895
Registriert am: 28.10.2013


RE: "Fördergespräch"

#53 von Achim , 06.04.2016 11:23

Lieber Wilfried,
Meister des Worts und der Ironie,

war köstlich zu lesen. Genial die Gesprächsvorbereitung mit Deiner Vorgesetzten. Genial deshalb, weil Du subtil, implizit und freundlich ihr die alten "Machtverhältnisse" in Erinnerung gerufen hast, bzw. die Zeiten, als sie noch Azubi war und Du schon "alter Hase" warst. Damit hast Du sie sicher geschickt in die Defensive gedrängt und vielleicht sogar beschämt.

Die grobe Alternative hätte darin bestehen können, dass Du sie nur darauf aufmerksam machst, dass sie erst Azubi war, als Du schon berufserfahren warst, nach dem Motto: von Ihnen - ehemaligem Azubi - lasse ich mir doch nichts sagen.

Das hast Du ihr zwar jüngst im Ergebnis wohl auch vermittelt, allerdings gut hinter Deinem klug inszenierten Jubiläumsritual verborgen. Respekt.

Du hast das Gespräch als gelungen erlebt, was uns wirklich freut!

Bleibt nur zu hoffen, dass Deine Vorgesetzte es ebenso sieht und Dich in Zukunft verschont.

LG

Achim


Gemeinsam sind wir stark!

 
Achim
Beiträge: 801
Punkte: 2.704
Registriert am: 23.07.2013


Leitungskräfte

#54 von wilfried , 30.04.2016 22:45

Lieber Achim,


die Vorgesetzte, die das Fördergespräch durchführte, ist eine sogenannte "Gruppenleitung" und ist nicht in den alten Mobbingmachenschaften involviert.
Allerdings ist sie die Nachfolgerin ihrer Vorgängerin.
Und die Untergebene der Pflegedienstleitung.

Als mich der Geschäftsführer in unserem Gespräch fragte, was ich von unserem Heimleiter hielte, antwortete ich ihm:
"Der Heimleiter ist so gut wie seine Pflegedienstleitung; und da hat er in den letzten Jahren wenig Fortune."
Als mich der Geschäftsführer dann fragte, was ich von unseerer Pflegedienstleitung hielte, antwortete ich:
"Bis auf das Zitat von Hölderlin möchte ich mich nicht äußern. Das Zitat von Hölderlin, was mir einfällt. lautet: "Was die Liebe gibt und der Geist, das läßt sich nicht erzwingen."

Der Geschäftsführer lächelte, er schien verstanden zu haben.


Das ist das Problem:
Alle wissen es, niemand unternimmt etwas.
Die Pflegedienstleitung könnte man versuchen, zu verlocken, mit einer besseren Bezahlung besser zu leiten.
Man könnte sie bedrohen, damit sie besser leitete.
Umsonst; vergeblich. Sie kann es nicht - und wird es wohl nie können.

Als sie eingestellt werden sollte, warnte man mich, sie sei falsch und katholisch.
Ersteres konnte ich noch nicht nachvollziehen und zweiteres damit zu verbinden, widerstrebte mir.
Ich gab mich - als Mitarbeitervertreter - nicht dafür her, mit solchen Argumenten gegen eine Einstellung vorzugehen; es wäre wohl möglich gewesen.

Ich gestehe, ich habe es oft und bitter bereut.
Und doch würde ich wieder nicht, selbst, wenn ich noch einmal könnte, auf die Konfession abheben, auch, wenn mir viele Denkarten fremd waren und noch fremder geworden sind.
Ein einzelnes schwaches Mitglied einer Glaubensgemeinschaft kann ja nicht stellvertretend für die gesamte Glaubensgemeinschaft sein.
Und doch hat diese Pflegedienstleitung meinen Blick auf eine gesamte Konfession getrübt.
Ich will mich deshalb in einem Kloster, wo ich über die Jahre bekannt geworden bin, mit den Geistlichen unterhalten und nehme an, ein positiveres Bild mit mir weiterzutragen.

Gerade vor vier Tagen habe ich genau über dieses Thema mit einer langjährigen, katholischen Freundin gesprochen, die ihre Überzeugungen ganz unaufgeregt, natürlich und selbstverständlich lebt.

Ich frage mich, ob es möglich ist und überhaupt Sinn macht, auch das Gespräch mit der Pflegedienstleitung zu führen, weil ich überzeugt bin, daß sie gar nicht in der Lage ist, ihr Verhalten mir gegenüber zu ändern; und wenn, habe ich das Gefühl, nur, wenn sie Angst vor mir hätte.
Aber Angst als Leitlinie für ein mitmenschliches Zusammenarbeiten ist keine gute Basis. Ich will das nicht.

Ich schrieb es ja früh in meiner Vorstellung hier, was diese Pflegedienstleitung erwiderte, als ich sie beschimpfte, weil sie mich im Auftrag der Geschäftsleitung mobbe:
"Herr X, sie müssen das verstehen, ich war doch noch so neu und zu Anfang glaubt und tut man doch, was einem die Geschäftsführung sagt."

Soviel Schwachheit.
Die Geschäftsführung weiß darum - und doch wird nichts getan.

Mittlerweile ist im Betrieb ein Klima der Einschüchterung und Angst eingezogen.
Die Gruppen werden nach Belieben zerhackt, frei nach dem Motto: "Teile und herrsche."

Eigentlich kann ich nur noch weggehen.

Andererseits: In fünf Jahren geht die Pflegedienstleitung, wenn sie auch einen Scherbenhaufen hinterlässt.

Sollte ich versuchen, durchzuhalten, oder doch das Gespräch suchen, selbst, wenn es auf eine Einschüchterung hinauslaufen sollte?

 
wilfried
Beiträge: 76
Punkte: 230
Registriert am: 12.02.2015


BEM-Gespräch

#55 von wilfried , 30.04.2016 23:17

Am kommenden Montag ist ein sogenanntes BEM-Gespräch angesetzt.
(Betriebliches Eingliederungs-Management)

In diesen soll der Betrieb versuchen, die Ursachen für gesundheitliche Einschränkungen der Mitarbeitenden zu finden und daraus resultierend Belastungen zu reduzieren.

Man weiß, daß ich im Tagdienst mehr als unzufrieden bin; zu oft bin ich im Tagdienst oder kurz darauf erkrankt, weil ich es wieder nicht verkraftete, nicht genug zu essen für "meine" Leute bereitstellen zu können.
Ich brachte sogar schon Lebensmittel zur Arbeit mit, aber auch das ist natürlich keine und vor allem keine dauerhafte Lösung.

Einmal fuhr ich direkt von der Arbeit in die Psychiatrie, auf Rat einer Kollegin, und blieb dort eine Woche.
Geblieben ist mir der äußerst positive Kontakt zu einem Mitarbeiter des Integrationsfachdienstes (früher wäre das das Sozialamt gewesen), der seitdem Gespräche mit meiner Person im Betrieb als unabhängiger Beobachter für alle Seiten, also auch für mich begleitet.

Leider kann er wohl am kommenden Montag nicht, denn seit meiner eingeschriebenen Benachrichtigung habe ich ihn nicht erreichen können, er wird erst am 10.5. wieder dienstlich erreichbar sein.

Nun denke ich, doch zu dem Gespräch zu gehen, denn die Mitarbeitervertretung wird ja auch bei dem Gespräch anwesend sein.

Auch vorgestern und gestern, ich hatte Tagdienst, fehlte wieder Nahrung, aber ich habe ja jetzt die Berechtigung zurückerhalten, mich an die Küche zu wenden, um Mängeln abzuhelfen. Ich brauche zwar durchschnittlich je Tagdienst 20 Minuten, um die nötigen Nahrungsmittel zu beschaffen, aber immerhin ist damit der schlimmste Druck für mich gemildert.

Gestern war der Heimleiter, dem ich zwei Teller hinhielt, einen mit zwei und einen mit drei Löffelbisquits, ganz auf meiner Seite, denn ich bat ihn, mir zu sagen, welche Portion wohl angemessen wäre zum Kaffee; und er wies auf den Teller mit den drei Stücken. Er wurde wütend, als ich ihm sagte, daß ich das auch so empfunden hätte und mangels Vorgabe demnach allen, die wollten, drei Stück gegeben hätte - und jetzt wäre nichts mehr da und noch 10 Leute zu versorgen.
Er kümmerte sich persönlich, die Küche rief daraufhin an und man fragte, wieso ich denn nicht zwei ausgeteilt hätte, wie vorgesehen.
Mein Hinweis, es habe keine derartige Vorgabe gegeben, genügte aber und nach 15 Minuten konnte ich Nachschub holen gehen.


Freunde haben mir geraten, mich einfach nicht mehr zu kümmern, wegzusehen wie so viele, aber das kann ich einfach nicht.

Wohl kann ich es im Nachtdienst aushalten, denn da findet sich in irgendeinem der 12 Kühlschränke noch etwas, was ich den Leuten mit Bedarf bei Nacht reichen kann.

Ich werde es noch einmal ansprechen im BEM-Gespräch, daß die Bedingungen bei Tage mir ein gesundes Arbeiten nicht ermöglichen und ich immer wieder mit meinem Gewissen derart in Konflikt gerate, daß ich leider immer wieder - für mich - die Existenzfrage stelle.

Eine andere Möglichkeit wäre, bei der Heimaufsicht eine Anzeige zu machen. Aber sollte ich das wirklich tun?
Meine Erfahrungen mit Vertraulichkeit sind keine guten.



Ich habe den orangen Gefängnisanzug wieder aus dem Schrank geholt und werde im Tagdienst von Angehörigen und Ärzten für einen Handwerker gehalten.
Mit einem Knastanzug ist es für mich leichter, sinnfrei Gehorsam zu üben. Leichter, aber absolut nicht leicht.


 
wilfried
Beiträge: 76
Punkte: 230
Registriert am: 12.02.2015

zuletzt bearbeitet 30.04.2016 | Top

RE: BEM-Gespräch

#56 von turmfalke , 02.05.2016 17:09

Lieber Wilfried!

Zu wenig zu Essen in einer Einrichtung mit betreuten Menschen: Das geht gar nicht! Wo sind wir denn? In Deutschland? Es ist auch nicht sinnvoll daran zu sparen, weil der größte Kostenfaktor doch die Gehälter der Leute sind, die das Essen austeilen, und nicht das Essen selber.

Dass hier am falschen Ende gespart wird, scheint mir aber ein Anzeichen dafür zu sein, dass mit der Leitung der Einrichtung etwas nicht in Ordnung ist.

Trotz deiner ausführlichen Beschreibung kann man aber von außen nicht leicht erkennen, was man Dir empfehlen sollte.

Das du im Sträflingsanzug rumläufst ist kurios. Sie lassen dich. Sie verzichten also darauf, dir diese Provokation zu verbieten, weil sie keine Handhabe dagegen haben. Vermutlich wissen sie genau, dass Du Recht hast mit deiner Kritik! Aber es fehlt der Wille oder die Fähigkeit etwas zu ändern bei euch. Also sitzen sie es aus und halten ihre latenten Mobbingstukturen so aufrecht wie bisher

Also bleib stark! Vielleicht gelingt es Dir doch, auch einfach so weiter zu machen wie bisher!

Viele Grüße vom Turmfalken


turmfalke  
turmfalke
Beiträge: 610
Punkte: 1.980
Registriert am: 28.12.2013


Wechselbad

#57 von wilfried , 02.05.2016 21:49

Lieber Turmfalke,


mein Wechselbad dauert an.
Der Einlassung meines Geschäftsführers, es wurde in der Vergangenheit zuviel vernichtet, kann ich voll und ganz nachvollziehen.
Er habe nach dem letzten größeren Vorfall mit mit angewiesen, daß das Personal aus der Küche Nachschub bekomme.

Dem ist auch so. Wenn es auch Mühe macht.

Denmach sind meine Nöte nicht ungehört verhallt.

Mindestens offiziell ist es so, daß genau der Mangel, der nicht sein darf, auch nicht sein soll.
Es liegt natürlich an dem Personal, Mangel zu beheben, Nachschub zu holen, wenn es fehlt. Es liegt an uns.

In meinem heutigen BEM Gespräch habe ich deutlich gemacht, daß ich leider immer wieder durch solche Erlebnisse im Tagdienst an mir selber verzweifele und "es" sich dann leider gegen mich selber richtet.

Vor sieben Jahren hat man mir meine Nachtdienststelle wegzunehmen versucht, als Vergleich habe ich wenigstens 80% Tagdienst ausgehandelt und endlich sieht man ein, daß ich für die aktuellen Strukturen besser im Nachtdienst, bei eigenständigem Arbeiten, aufgehoben bin.

Man wird die Empfehlung, resultierend aus dem BEM-Gespräch, geben, mich möglichst nur noch im Nachtdienst einzusetzen.

Ich hatte schon Sorge, der guantanamoorange Anzug könne mich Sympathien gekostet haben und man werde mir dafür einen reinwürgen.
Es war nicht so. Das Kleidungsstück kam nicht zur Sprache.

Ich werde es in der nächsten Zeit im Schrank lassen, um das kostbare Pflänzchen Nachtdienst nicht leichtfertig zu gefährden.
Diesen Rat erhielt ich auch von dem Mitarbeiter des Integrationsfachdienstes, der zwar leider nicht zu dem Gespräch kommen konnte, der mich aber dankenswerterweise vorher am Vormittag über eine halbe Stunde tgelefonisch kontaktierte.
Ich schrieb es schon vorher einmal: Eigentlich bin ich ganz gut "gepampert". Ich bin dankbar, so gute Unterstützung zu haben.
Auch durch die Mitarbeitervertretung, die heute in Gestalt ihrer Vorsitzenden anwesend war, fühlte ich mich heute wirklich unterstützt.

Ich habe mich entschlossen, ein Gespräch mit der Pflegedienstleitung, wenn, niedrigschwellig zu führen und es eher ähnlich dem "Fördergespräch" zu gestalten.
Freundlich, reizarm, konfliktvermeidend.

Dem stehen meine derzeitigen Bemühungen, ein verläßliches Informationsweitergabesystem bezüglich resistenter Infektionskeime etwas entgegen.
Aber da geht es um die Gesundheit aller und ich habe mich an die zuständigen Mitarbeiter gewandt, hoffend, man werde es mir nicht zu übel nehmen.

Jedenfalls offiziell ist man geschäftsleitungsseitig da ganz bei mir.


Ich danke allen, die heute an mich und mein BEM-Gespräch gedacht haben und mich teilweise sogar in ihr Abendgebet mit eingeschlossen haben.

Herzliche Grüße
Wilfried

 
wilfried
Beiträge: 76
Punkte: 230
Registriert am: 12.02.2015


RE: Wechselbad

#58 von turmfalke , 02.05.2016 23:24

Lieber Wilfried!

Schön, dass Du deine Situation so klar und offen beschreibst.
Du bist offensichtlich ein verantwortungsbewußter, an den Dir anvertrauten Menschen interessierter, hochmotivierter Mitarbeiter mit Fachkenntnissen.

Was Du im Dienst machst, erscheint plausibel.

Kann es aber sein, dass die Pflegedienstleitung deine große Kompetenz spürt und sich deshalb in eine Abwehrhaltung begibt. Du zeigst Ihr vielleicht durch Dein verantwortliches Handeln indirekt, dass sie selber ein Defizit hat. Das ist die Nebenbotschaft, die mitschwingt, wenn du sachlich begründet wichtige fachliche Fragen ansprichst. Kommunikation ist so schwierig, weil wir schwierige Leute sind.

Willst Du es Dir wirklich antun, hauptsächlich Nachtdienst zu machen? Das ist auf Dauer gegen den normalen Lebensrytmus und gegen den Rytmus der anderen Menschen auf der Welt. Du isolierst Dich damit. Ist das tatsächlich die besser Option?

Sei Dir sicher! Du bist für Dein Haus ein wertvoller Mitarbeiter!

Machs Gut!
Turmfalke


turmfalke  
turmfalke
Beiträge: 610
Punkte: 1.980
Registriert am: 28.12.2013


Nachtdienst

#59 von wilfried , 03.05.2016 03:07

Lieber Turmfalke,

Dein Argument mit dem Nachtdienst höre ich gelegentlich; und sicher stimmt es für viele Menschen so auch.
Tatsächlich habe ich enorme Probleme, wenn ich zuvor Tagdienst hatte, dann Nachtdienst zu machen.
Anders ist es, wenn ich nur Nachtdienst habe, dann schlafe ich an dem betreffenden Tag bis mittags, wenn möglich noch länger.
Allerdings habe ich dann durch die völlige Umstellung nach meinen Nächten einen veritabelen Jetlag; und das ganz ohne kostenträchtige Reise an das andere Ende der Welt.

Meine spezielle Lebenssituation ist mit dem Nachtdienst noch am ehesten kompatibel.
Das hat einerseits mit meiner Vorbildung (nicht aber abgeschlossener Ausbildung) zu tun, andererseits mit den hierarchischen Strukturen in der Altenpflege und vor allem in diesem Seniorenheim.
Im Nachtdienst wünscht man sich selbständige Mitarbeiter, im Tagdienst sieht das für mich teilweise anders aus.

Nachts kann und darf ich die Leute, die klingeln, gleich bedienen; in den Wartezeiten auf irgendetwas mache ich dann in den Nebenzimmern meinen Kontrollgang und nach etlicher Zeit und mehreren Klingeln ist ein weiter Teil meines Bereiches dann schon kontrolliert. Später fülle ich dann nur noch die Lücken und habe so fast genau so effizient gearbeitet wie Kolleginnen, die von vorne nach hinten durch "fließbandarbeiten".

Fließbandarbeit, wenn sich das Personal überfordert, gehetzt fühlt, steht einer guten Arbeitsqualität sehr im Wege.
Ich kann, ich will so nicht arbeiten, hätte ich es gewollt, ich wäre nicht in die Pflege gegangen.

Ich weiß, daß derzeit sich die Bedingungen in "der Pflege" nicht gerade verbessern.

Die von mir beschriebenen Mängel in der Versorgung bei Tage werden sicherlich auch nicht behoben, wenn ich den Tagdienst verlasse, aber wenigstens könnte ich dann meinen Arbeitsbereich wieder zufriedener bedienen; ich müsste nicht immer wieder gegen Windmühlenflügel anrennen.

Ich weiß, daß ich die Welt nicht retten kann.

Und noch eines ist für mich von Vorteil:
Nachts ist noch immer eine relativ gute Besetzung, wir sind nur, aber immerhin drei Nachtwachen im Hause und das wird bisher auch durchgehalten.

Für mich ist der Nachtdienst eine Möglichkeit, nicht immer in das Schußfeld zu geraten.

Ich mache ihn schon über 25 Jahre; mit Ausnahme der unseligen Zeiten, die man mich in den Tagdienst gepresst hat; obwohl er mir auch durchaus Freude macht; aber zu oft verzweifelte ich im Tagdienst an meinem Anspruch.

Ich strecke mittlerweile die Fühler aus, um vielleicht sogar in Sachsen-Anhalt ein Arbeitsverhältnis mit kirchlicher Zusatzversorgung zu finden, denn dort habe ich ein Haus.
Du hast Recht, so sehr gesund ist Nachtdienst nicht; und doch ist er für mich im Moment der Elfenbeinturm.


Herzliche Grüße
Wilfried

 
wilfried
Beiträge: 76
Punkte: 230
Registriert am: 12.02.2015


RE: Nachtdienst

#60 von turmfalke , 03.05.2016 11:04

Lieber Wilfried!

Was Du schreibst klingt, sehr reflektiert. Man kann das gut nachvollziehen. Du kennst Dich und du weißt, was du nicht willst. Da ist der Nachtdienst für dich ein Ausweg. Elfenbeinturm klingt gut, er ist aber noch nicht das Paradies.

Es ist auch richtig: Du kannst nicht die Welt retten, nur ein Arbeitsfeld suchen, in dem du täglich das Gefühl hast, in deiner Verantwortung sinnvoll und zufriedenstellend gearbeitet zu haben.

Was du allgemein über die Altenpflege schreibst, stimmt nachdenklich.

Ich selber leiste einen Teil meiner beruflichen Arbeit als Pastor in der Altenheimseelsorge. Dabei habe ich mitlerweile den Überblick gewonnen über inzwischen 10 verschiedene private und kirchliche Heime. Es gibt große Unterschiede bei der Unternehmensphilosophie der einzelnen Betriebe. Ich habe aber fast überall hochmotivierte Mitarbeitende getroffen, die eine sehr gute Arbeit an den ihnen anvertrauten Menschen leisten. Hut ab!

Den Gedanken, dass Du Dir an anderer Stelle einen anderen Arbeitsplatz suchen könntest, hatte ich auch gehabt. Vielleicht ist das das Beste - wenn Du es selber willst und dazu auch frei bist. Aber lass Dir Zeit, eine passende Stelle zu suchen, bei der es keine neuen Mobbingstrukturen gibt. Manchmal ist ein Wechsel und Neuanfang in aller Freiheit der richtige Weg.

Ich möchte Dich nochmal einladen, im Herbst zu unserer Jahrestagung zu kommen. Du lernst dabei andere Menschen kennen, die Ähnliches erlebt haben wie du. Und das Thema zur Stärkung der inneren Widerstandskräfte ist für uns alle genau passend.

Viele Grüße!

Turmfalke


turmfalke  
turmfalke
Beiträge: 610
Punkte: 1.980
Registriert am: 28.12.2013


   

Hallo,
Auch ich möchte mich nochmal vorstellen

  • Ähnliche Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag
Xobor Forum Software ©Xobor.de | Forum erstellen
Datenschutz