Liebe Freunde,
wir halten uns für verpflichtet, die kirchengerichtliche Rechtsprechung zu verfolgen und zu analysieren, ebenso wie die staatliche, soweit sie sich mit unserer Kirche befasst. Daneben versuchen wir, Prozessbeobachter zu den öffentlichen, jedermann zugänglichen, Verhandlungen unserer Kirchengerichte zu entsenden. In diesem Rahmen berichte ich über die heutige Verhandlung des Rechtshofs der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen:
Das Gericht:
Vorsitzende war Frau Meyer, ihres Zeichens hauptberuflich Präsidentin eines Oberverwaltungsgerichts, also mit bester juristischer Reputation versehen,
ihre juristischen Kollegen waren Herr Goos und Frau Karger, beide hauptberuflich als Verwaltungsrichter an staatlichen Verwaltungsgerichten tätig. Die theologischen Mitglieder des Gerichts waren Frau Pastorin Siemens und der Probst, Herr Ohainski.
Den klagenden Pfarrer nenne ich hier "X", seinen Anwalt "B".
Als Verfahrensbevollmächtigter der Kirche trat Herr Oberkirchenrat Brosch auf.
Das Publikum, die Öffentlichkeit:
Die Zuschauerplätze des Gerichtssaals 130, der sonst als Konferenzraum dient, waren voll besetzt, zum geringen Teil durch Mitglieder des Gemeindevorstands, deren Wirken erst diesen Prozess erforderlich machte, zum größeren Teil duch Pfarrer, die in ähnlicher Lage wie Pfarrer X stecken und durch uns, - Prozessbeobachter von DAVID.
Der Fall:
08/15 - Konflikt zwischen Pastor und Vorstand der Gemeinde. Angeblicher Vertrauensschwund. Demzufolge "Ungedeihlichkeit", wie man es unter dem alten Pfarrdienstgesetz nannte, demzufolge Versetzung in den Wartestand (mit Kürzung der Bezüge verbunden).
Kennen wir schon alles.
Die Verhandlung:
Sie begann mit der Berichterstattung des Herrn Goos, der den Akteninhalt referierte. Sodann übernahm die Vorsitzende, Frau Meyer, die Verhandlungsführung und von da an wurde es richtig spannend:
Zunächst machte sie richtigerweise darauf aufmerksam, dass dieser Fall nach neuem Recht zu beurteilen sei, es also nicht um die uns uns sattsam bekannte "Ungedeihlichkeit" gehe, sondern um die "nachhaltige Störung" im Sinn des neuen § 80 Pfarrdienstgesetz.. Die Vorsitzende problematisierte insbesondere, dass die Kirche den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt habe, weil kein ernsthafter Versuch der Kirche ersichtlich geworden sei, den bestehenden Konflikt durch geeignete Maßnahmen, bspw. Mediation, zu entschärfen, zu beenden.
Als die Richterin den Vertreter der Landeskirche Herrn Oberkirchenrat Brosch fragte, wie es zu erklären sei, dass im gesamten Verlaufe des Konfliktes und des Verfahrens kein Versuch unternommen worden sei, den Konflikt durch eine Mediation zu bearbeiten und möglicherweise zu bewältigen, nahm sich der Vertreter der Landeskirche viel Zeit, um sich zu erklären. Im Mittelpunkt seiner Rede stand die Aussage, dass der Kirchenvorstand seine Ablehnung einer weiteren Zusamenarbeit mit dem betroffenen Pastor so eineutig zum Ausdruck gebracht habe, dass es für eine Mediation keine Aussicht auf Erfolg mehr gebe.
Als die Richterin durchblicken ließ, dass das Gericht möglicherweise zugungsten des Pastoren entscheiden würde, stellte Herr Brosch in Aussicht, dass die Kirche dann sogleich in Revision gehen würde, oder dass sie zunächst die vorgetragenen Defizite in der Verhandlungsführung abarbeiten und dann - bei erwartetem negativen Ergebnis - einen neuen Abberufungsantrag stellen würde. Er machte damit deutlich, dass es für den Kirchenvorstand und für das Landeskirchenamt kein zurück mehr gebe, aus der einmal getroffenen Entscheidung der Versetzung.
Daraufhin machte die Richterin den Vorschlag, einen Vergleich auszuhandeln, bei dem erreicht werden solle, dass der betroffene Pastor möglichst unbeschädigt und ohne Gehaltseinbussen in einer anderen Aufgabe in der Kirche weiterarbeiten könne.
Nach einer kurzen Verhandlungspause zur Besprechung mit seinem Anwalt stimmte der betroffene Pastor diesem Vorschlag zu und zeigte sich in diesem Sinne bereit zu Gesprächen mit der Landeskirche.
Einige Schwierigkeiten gab es noch bei der Formulierung des Protokolls.
Abschließend stellte die Richterin in Aussicht, dass das Gericht in etwa 3 Monaten auch ohne neue mündliche Verhandlung nach Aktenlage ein Urteil sprechen würde, wenn die Gespräche zwischen Pastor und Kirche nicht zu einem Ergebnis führen würden."
Die Vorsitzende des Kirchengerichtshofs ließ diplomatisch verschlüsselt, - aber für den sachkundigen Beobachter eindeutig -, erkennen, dass unser Pfarrer X den Prozess gewinnen würde.
Der Anwalt B des Klägers X lehnte sich entspannt zurück, während Herr Oberkirchenrat Brosch in´s Schwitzen geriet. Sehenden Auges, dass dieser Prozess vor diesem Gericht für die Kirche nicht gewonnen werden kann, liess sich Herr Oberkirchenrat Brosch nolens volens auf Vergleichsverhandlungen ein.
Das Ergebnis dieser vom Gericht angeregten Vergleichsgespräche bleibt abzuwarten. Das Gericht und die Streitparteien wollten sich drei Monate Zeit nehmen, um einen ausgewogenen Vergleich zu erarbeiten.
Angedacht wurde dieser auf der Basis, dass die Versetzung des Pfarrers X in den Wartestand rückgängig gemacht wird, er auf die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit in der alten Gemeinde verzichtet, wenn ihm eine andere adäquate Stelle zugewiesen wird.
Bleibt abzuwarten, ob ein solcher Vergleich, der die Interessen des Pfarrers X ausreichend berücksichtigt, zustande kommt. Wenn nicht, geht der Prozess in drei Monaten weiter.
Nach meinem heutigen Eindruck würde der Prozess für ihn gewonnen werden.
Ich berichte zu gegebener Zeit weiter.
Achim