Ich bin wieder an Bord.
Ich danke Euch.
Die vergangenen Wochen hatte ich mich völlig von allem zurückgezogen; es ist richtig, die Alarmzeichen waren da und daher "dachte ich weg".
Also nicht hindenken.
Doch der Reihe nach:
Das mit der Abmahnung hatte ich schon beschrieben.
Dann kam die Sache mit dem Telefon.
Und: Mir ist bewußt, niemand wollte m i c h mobben.
Also, das Telefon.
Die Kollegin war krankgeworden, der Abmahnung wegen und hatte nund hat auch mein vollstes Verständnis. Mir war bewußt, daß die verbleibende Kollegin und ich die verbleibende Arbeit im Nachtdienst unter uns aufteilen müssten, daher begab ich mich verfrüht auf meine Arbeitsstelle und traf auch meine Kollegin im Eingang, die ebenfalls auf das Öffnen der Haustür wartete.
Wir teilten also kurz das Haus unter uns auf und begaben uns beide ca. 45 Minuten vor unserem offiziellen Arbeitsbeginn an die Arbeit, um einem Arbeitsstau aus dem Tagdienst vorgreifen zu können, ich nenne dieses Phänomen gerne die "Bugwelle" zu Dienstbeginn, wenn man die verständlicherweise nörgeligen Seniorinnen und Senioren beruhigen, zu Bett bringen, ihnen zuhören muß, weil wieder einmal sie sich nicht verstanden fühlten, weil sie das Gefühl hatten, daß man keine Zeit für sie hatte, daß man ihnen nicht zuhörte.
Das beansprucht manschmal viel Zeit, lohnt sich aber, der Menschen wegen und, ich gestehe es gern, auch für mich, denn dann, und nur dann, habe auch ich eine gute Nacht mit den Menschen, die dann nicht "wegen jedem Pups" schellen.
Doch wieder der Reihe nach:
Die Kollegin aus dem Tagdienst öffnete das Haus und gab meiner Kollegin ein Telefon. Ich streckte meine Hand aus und erbat auch ein Telefon, das mir die Kollegin mit den Worten reichte:
"Aber dann habe ich ja keines mehr."
Ich sagte daraufhin zu, daß ich dann der Auszubildenden, die als Verstärkung für die Nacht kommen werde, die Tür öffnen würde.
Ging an die Arbeit, bediente Schellen, die durch die überforderte Kollegin aus dem Tagdienst nicht bedient wurden.
"Ich schaffe gerade noch die Spritzen, die erste Etage ist schon seit 20,30 Uhr ohne Besetzung und alles schellt." -waren ihre Worte.
Ich also an die Schellen, brachte Leute zu Bett, bediente die, die sonst um 21,30 Uhr nach der Übergabe höchst berechtigt ungehalten wären, zur beiderseitigen Zufriedenheit.
Um 21,45 Uhr erschien dann bereits die Auszubildende und verlangte "ihr" Telefon.
Ich schaute auf die Nummer, richtig, es war "ihres", gab es ihr, aber wo war dann "mein" Telefon?
Die Tagdienstkollegin war noch da und ich fragte sie. wo denn "mein" Telefon sei.
"Das habe ich dir doch schon gegeben."
Ich sagte, sie habe mir die "42" gegeben und suchte jetzt die "41".
"Aber ich habe dir zwei Telefone geben.
"Nein, du gabst mir ein Telefon."
"Nein, Wilfried, ich gab dir zwei Telefone, als du kamst."
Es ging noch ein Weilchen, ein zweites Telefon war mir absolut nicht erinnerlich und ich rief die Kollegin aus dem Nachtdienst an, erzählte ihr kurz, ich hätte zwei Telefone bekommen.
Sie: "Hast du ja auch."
Ich konnte es mir absolut nicht vorstellen, zweifelte aber an mir selber und begab mich auf die Suche, erst in den Stationszimmern, dann im Büro der Einrichtung und dann suchte ich in allen Zimmern, wo ich bedient hatte, - und es waren nicht wenige. Störte also die Bewohnerinnen und beunruhigte sie durch meine Suche nach dem Telefon.
Man muß dazu erklären, daß man mittlerweile nach Abbau der alten Klingelanlage kaum noch zeitnah ohne Piepertelefon auf die Klingeln reagieren kann und als einmal erst zwei und dann auch noch das letzte Telefon den Geist aufgaben, hatten wir höllische Nächte. Ich hatte damals mehrfach auf die Anschaffung eines vierterten Telefons, zur Reserve, gedrungen, denn solche Nächte braucht kein Mensch.
Ich fand das Telefon nicht, mittlerweile war die Tagdienstkollegin gegangen und irgendwann rief ich entnervt wieder die Nachtdienstkollegin an, mit der ich ein gutes Verhältnis habe.
"Wenn das ein Scherz gewesen sein sollte, mit dem Telefon, wäre es jetzt der richtige Moment, ihn aufzulösen, denn ich drehe hier gerade beinahe ab."
"Ich komme mal runter und helfe dir suchen."
Wir suchten gemeinsam, erneut im Stationszimmer.
Wir gingen noch in ein weiteres Zimmer, in dem ich gearbeitet hatte, kamen heraus und ich streifte mit dem Fuß einen auf dem Gang stehenden Lifter, der nicht zusammengeklappt war, heftig mit dem Fuß, es schmerzte sehr.
Ich griff nach der Bedienung, wollte ihn zusammenfahren. Nichts regte sich.
Ich drückte "rot" zum Ausschalten, "grün" zum Einschalten. Nichts regte sich.
Das Ding war entladen und stand in diesem Zustand als Stolperfalle auf dem Gang. 140 cm breit.
Scheißverein.
Da passierte es:
Es ging mit mir durch.
Ich versuchte, das Teil durch Fußtritte zum Nachgeben zu bringen, früher waren die Dinger ja auch so aufgebaut, daß man sie manuell, also mit dem Fuß zusammenfaltete.
Das Ding, elektrisch, rührte sich nicht.
Ich trat energischer, wenn auch vergeblich, dann brachte ich das Ding im Laufschritt schiebend in ein Bad und flüchtete in einen Tagesraum, wo ich einen Weinkrampf bekam.
Meine Kollegin hatte das alles natürlich mitbekommen und machte sich Sorgen, bot mir an, einen Notarzt zu rufen, ich lehnte ab, aber sie insistierte und ich gab nach, mir war es egal.
Es dauerte natürlich nach dem Telefonat der Kollegin, bis der notärztliche Dienst den diensthabenden Arzt mit dem Taxi vorbeibrachte, es war ein mir ganz gut bekannter Arzt.
Mich wunderte zwar, daß er nicht gleich zu mir kam, man sprach in der Eingangshalle und nach längerer Zeit kam man zu mir.
Ich bekam noch Gelegenheit, die Situation aus meiner Sicht zu berichten, dann sprach der Arzt seine Diagnose "Psychose".
"Herr Doktor, entschuldigen sie bitte, aber eine Psychose habe ich nun sicher nicht."
Mein Einwand führte zu der freundlichen Belehrung, daß, wenn ich nicht "freiwillig" in die geschlossene Psychiatrie ginge, es eben mit einem Psych-KG vonstatten ginge.
Meine Gedanken rasten, vor allem: Übermorgen hätte mein Patensohn seine Geburtstagsfeier und dann könnte ich mir einen "geschlossenen" Aufenthalt gar nicht erlauben. Psychiatrie war ja in Ordnung für mich, aber bis so ein Richter erst einmal da ist, vergeht seine Zeit und bis dahin ...
also, ich entschloß mich, Diagnose Diagnose sein zu lassen und "freiwillig" zu gehen.
Aber nichts da. Nicht selber hinfahren, wie beim letzten Mal vor anderthalb Jahren aus dem Tagdienst, als nichts zu Essen da war.
Ein Krankenwagen wurde gerufen und ich unter sorgfältiger Bewachung zum Krankenhaus gefahren.
Besonders fluchtgefährdet schien ich wohl, weil auf dem Weg ohne die Möglichkeit, nach draußen zu blicken, mir schlecht wurde und ich am Krankenhaus bat, eiligst die feste Erde aufzusuchen.
Glücklicherweise wurde ich schnell im Krankenhaus aufgenommen und ein Arzt unterhielt sich ausgiebig mit mir, mit dem Ergebnis, daß ich nach 30 Minuten wieder entlassen wurde mit der Empfehlung, mich für das restliche Wochenende arbeitsunfähig zu schreiben.
Also marschierte ich die vier Kilometer zurück zu meiner Arbeitsstelle und holte mein Auto ab, fuhr nach Hause.