Tintoretta schrieb:
Mich würde mal interessieren, was ihr für Erfahrungen mit MAVs gemacht habt. Ich habe
meine ja schon mehrfach angeschrieben, ich bekomme noch nicht mal eine Antwort.
Und noch eine Frage: wen kann ich zum BEM Gespräch mitnehmen, wenn die MAV mich nicht
unterstützt? Einen Anwalt?
Danke im voraus.
Hallo in die Runde und natürlich: Hallo Tintoretta,
nach einem langen Telefonat (ich hoffe, ich durfte das schreiben, Tintoretta?)
riet ich angesichts der Lage (mehrere Rehas, aktuell Arbeitsunfähigkeit, möglicherweise droht Schwerbehinderung ...) sich an den Integrationsfachdienst (früher sagte man Sozialamt) der betreffenden Kommune zu wenden.
Der Integrationsfachdienst ist dazu da, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beraten und zu begleiten, um wo möglich die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmerin zu erhalten. (Teilhabe vor Rente)
Ich selber habe die besten Erfahrungen damit gemacht, einen Vertreter von dort mitzubekommen, die gesamte Qualität der Gespräche war von jetzt auf nun sachlicher und in meinem Sinne wirklich hilfreich; der Arbeitgeber mochte sich nicht öffentlich blamieren. Natürlich bekommt man im Falle von Irrtümern auch vom Vertreter des Fachdienstes ganz lieb gesagt, daß man sich besser so oder so verhalten sollte. Die Beratung ist neutral und nicht parteilich, aber auch nicht parteilich für den Arbeitnehmer.
Der damit verbundene Realismus ist in meinen Augen sehr von Vorteil.
Auch auf die MAV möchte ich noch einmal zu sprechen kommen:
Ich hoffe nicht, daß die MAV, die einen Beitritt zur Kirchengewerkschaft forderte, Deine ist, Tintoretta. Sowas geht natürlich gar nicht.
Sicherlich ist die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder das Vorhandensein einer abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung sinnvoll, ob ich aber gerade in den VKM gehen würde, wage ich zu bezweifeln; obwohl - auch der VKM (Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen)
wäre sicherlich ein guter Begleiter bei Gesprächen, wie es auch öfters mein Gewerkschaftsvertreter (Ver.di) für mich war.
Die MAV solltest Du, Tintoretta, immer mal wieder kontaktieren und auf dem Laufenden halten.
Richtig fand ich es, nicht hinter einer alten und erledigten Angelegenheit hinterherzufassen, die in Deinem Interesse anscheinend beigelegt war, denn auf Deine Entgegnung hatte der Arbeitgeber nicht mehr erwidert. Da keine Abmahnung ausgesprochen wurde, ist arbeitsrechtlich von dem betreffenden Gespräch nichts mehr zu erwarten und eine realistische MAV wird sich erstens die Arbeit sparen und zweitens auch den Bodenschlamm nicht wieder aufwirbeln wollen.
Mein Rat war, mal in die Personalakte (mit Begleitung der MAV) zu schauen und zu sehen, was denn dort so alles abgelegt ist. Wenn alles gut ist, ist es beruhigend, andernfalls kopierst oder fotografierst Du es nach Möglichkeit (was man Dir verweigern darf, falls man es bemerkt) oder (das darf m,an Dir nicht verweigern) Du schreibst Dir die betreffenden Absätze ab.
Verstöße, zum Beispiel Dir nicht bekannte Abmahnungen, dokumentierst Du bitte gut, sagst aber im Augenblick nichts dazu, sondern wendest Dich mit Deinen Informationen an Deinen Rechtsbeistand.
Meinem Arbeitgeber bekam es zum Beispiel vor dem Landesarbeitsgericht nicht so gut, daß er illegale Dinge in meiner Personalakte hortete und anscheinend sogar eine illegale Zweitakte führte, da war der Richter dann ganz schnell bei mir. So kann das falsche Verhalten eines Arbeitgebers sogar zum Guten für die Mitarbeitenden sein, solange man nicht gleich sein Pulver verschießt und nur um des Rechthabens willen auf die Verstöße hinweist. Ich konnte da glücklicherweise warten, bis der Tag beim Landesarbeitsgericht gekommen war.
Daß die MAV von Kirchens bezahlt werden, ist in meinen Augen per se kein Argument gegen deren Glaubwürdigkeit, ich war auch Mitarbeitervertretungsvorsitzender und werde noch immer von Diakonie bezahlt, aber meine Glaubwürdigkeit war, denke ich, nie im Zweifel.
Gehe in das Gespräch mit Deiner MAV und klopfe sie mal genauer ab.
Das BEM, übrigens, muß der Arbeitgeber Dir zwar anbieten, aber die Fristen sind da, glaube ich, nicht so klar.
Mein Arbeitgeber bietet Dir ein BEM dann an, wenn Du im letzten Jahr über sechs Wochen gefehlt hast, bietet Dir das BEM dann allerdings erst nach fast einem Jahr nach Deiner Erkrankung an, womöglich; und Du bist womöglich schon lange wieder am arbeiten.
Auch kann es sein, daß er Dir das BEM während einer Krankheitsphase anbietet, wo Du es nicht annehmen kannst, willst oder - müssen tust Du es ja sowieso nicht.
Ich rate aber immer, bei angebotenem BEM dieses auch zu nutzen, denn sonst gerät der Arbeitgeber durch das abgelehnte Angebot in Vorteil.
Führt der Arbeitgeber das BEM nicht durch, kann er Dich im Ernstfall schwieriger kündigen, denn die Arbeitsgerichte entscheiden eher zugunsten der Arbeitnehmer, wenn kein BEM durchgeführt wurde. Insofern ist ein nicht durchgeführtes BEM sogar in dieser Hinsicht zu Deinem Vorteil.
Auch zu Deinem Vorteil wäre es natürlich, wenn Du mit einem BEM nach Deiner Reha wieder in Deinem Betrieb arbeiten könntest, vielleicht an einer anderen Arbeitsstelle.
Einen anderen Arbeitgeber würde ich bei der aktuellen Tariflandschaft in Deiner Situation nicht unbedingt suchen, allerdings nur, wenn Deine Gesundheit ein Arbeiten bei Deinem alten Arbeitgeber zulässt.
Wir besprachen noch so vieles, was aber eher privat ist und andere eventuell Ratsuchende hier nicht interessieren dürfte, denn es ist nicht allgemein gültig, sondern fokussiert mehr auf Dich, Tintoretta,
Ich persönlich bin dankbar, daß ich die Gewerkschaftssekretärinnen und -Sekretäre zu meiner Unterstützung hatte und - leider erst nach einem Psychiatrieaufenthalt - den Integrationsfachdienst. Das hätte ich gerne früher gehabt.
An diesen Dienst kann man sich, wenn man es denn weiß, auch selber als Arbeitnehmer wenden.
In meinem Fall wurde die Kontaktherstellung von der Klinik (dem Sozialarbeiter) angeboten, von mir gerne akzeptiert und dann telefonierte ich noch in der Klinik lange mit dem Mitarbeiter. Kurz danach trafen wir uns und er begleitete mich über ein Jahr.
Ich darf mich auch jederzeit bei ihm melden, wenn mal der Schuh drückt und letztens fragte er selbsttätig nach dem aktuellen Stand der Dinge.
Tintoretta, ich wünsche Dir viel Erfolg bei Deiner Reha und für Deine Entscheidungen die nötige (innere) Ruhe und Begleitung.
Mit herzlichen Grüßen
Wilfried