Warum ist die Evangelische Kirche Deutschlands so wie sie ist?

#1 von Joringel , 28.06.2014 09:33

Diese Frage haben sich sicher schon viele in der Kirche unglückliche Protestanten gestellt. Die Kirche macht es sich einfach: 'Sollen sie doch gehen, wie wir organisiert sind, was wir nach Außen leben (oder auch nicht leben) hat sich bewährt. Auch wenn wir jammern wegen dem zukünftigen Nachlassen der Kirchensteuer durch Austritte, immerhin gibt es im Hintergrund ja noch die "Kirchensteuer auf abgeltend besteuerte Kapitalerträge", die die Kassen füllen. Da sind die paar Pfennige der Enttäuschten gar nicht so wichtig. Schulter an Schulter mit Papa Staat, dafür sakrale Dienstleistungen bei Katastrophen, bei Soldaten-Gelöbnissen (Helm ab zum Gebet) und in Gottesdiensten bei Soldatentod,die zum vorübergehenden Hausrecht des Staates in Kirchen und gottesdienstlichen Räumen führen (!), ist doch summa-summarum eine schöne WinWin-Konstellation! Die Gedanken der "Abweichler" zu verstehen suchen, sich inhaltlich auseinanderzusetzen - nein, Danke!'

Wie kommt so etwas zustande? Wer diese Frage vertieft nachgehen möchte, sollte sich vom Dietrich-Bonhoeffer-Verein die Zeitschrift Nr. 53 "Zivilcourage ist nötig...auch beim Lutherjubiläum 2017" bestellen. Die Texte der Zeitschrift basieren auf den Referaten von zwei Tagungen des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins. Einmal der Sondertagung zum Kampf gegen den Rechtsextremimus in Zusammenarbeit mit der Ev. Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde in Stuttgart-Weilimdorf im Januar 2014 und der Jahrestagung des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins im April in Erfurt. Hier wird reflektiert inwieweit die unreflektierte Identifikation mit dem Luthertum mitverantwortlich ist für die Verantwortungslosigkeit der Evangelischen Kirche im Dritten Reich (dem Reich Verbrecher und der Mörder, das bis heute die ganze Welt erschreckt) und auch noch danach. Freilich wird hier nur ein Zeitfenster geöffnet, doch wirft es ein kontrastreiches Schlaglicht auf die Befindlichkeit und unreflektierte Besitzanzeige der Kirche in Bezug auf den christlichen Glauben und der kirchensteuerlich definierten "Gläubigen" der Volkskirche. Die einzelnen Aufsätze haben es in sich, man muß sich als Laie schon viel Mühe geben, die theologischen Argumente zu verstehen. Doch halt - da ist noch der Aufsatz von Dr. Karl Martin (Vorstandsmitglied von D.A.V.I.D.e.V.) mit dem Thema "Bonhoeffers Kritik am Luthertum". Bezogen auf meine Fragestellung entwickelt er Schritt für Schritt die Sichtweise Bonhoeffers auf die Überkommenes fixierende Rolle der lutherischen Theologie und ihren Einfluß auf die kirchlichen Würdenträger bzw. deren auffällige Unempfindlichkeit gegenüber der Not der Anderen. Der Text ist allgemeinverständlich und durch eingestreuten biographischen Aspekte aus Bonheoffers Leben auch auf lebendige Weise interessant. Nun könnt Ihr Karl Martin, und hier auch mir, entgegenrufen - das ist ja alles schon 70 bis 80 Jahre her! Umso wichtiger ist diese Zeitschrift und die Aufgabe, "unsere" Kirche aus diesem analytischen Blickwinkel zu betrachten. Bei ehrlicher Auseinandersetzung sind Rückschlüsse in Bezug auf den heutigen Zustand der Kirche und das kommende Lutherjubiläum 2017 unvermeidlich.
P.S. Wußtet Ihr das die Synagogen am 10.11.1938 genau an Luthers Geburtstag brannten? Ich wußte es nicht. Aber dass Luthers antisemitsche Schriften von den Nazis zur Legimitation ihrer Verbrechen mitherangezogen wurden und damit die Mitte der Gesellschaft und der Kirche erreichten, das wußte ich.
Die Zeitschrift ist zu bestellen beim Fenestra-Verlag info@fenstra-verlag.de
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RE: Warum ist die Evangelische Kirche Deutschlands so wie sie ist?

#2 von Janchen , 28.06.2014 09:50

Was ist Kirche?
>>> eine Sammlung von Menschen

Gesellschaft?
>>> wir leben in einer Zeit des Werteverfalls und viele passen sich dem grassierendem Zeitgeist an

Gott?
>>> dort wo der Herr seine Kirche baut, da baut Diabolus seine Kapelle gleich daneben

Fundamente?
>>> das Fundament wird durch die Anpassung an den Zeitgeist zunehmend aufgeweicht ... zerstört


Evangelische Kirche?
>>> wer mit dem Zeitgeist geht, geht irgendwann mit der Zeit



.....


Römer 1,17 ... Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie denn geschrieben steht: "Der Gerechte wird aus dem Glauben leben."


Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

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RE: Warum ist die Evangelische Kirche Deutschlands so wie sie ist?

#3 von Robin , 27.07.2014 22:22

Liebe Joringel!
Ich habe lange gewartet, bis ich Dir und anderen die kenntnisreichen Ausführungen des emeritierten Professors für Kirchengeschichte Johannes Wallmann entgegenhalten könnte. Aber jetzt ist auch die Fortsetzung seines geschichtlichen Rückblicks auf die evangelische, speziell lutherische Kirche und das Judentum im Deutschen Pfarrerblatt erschienen. Thema: "Die evangelische Kirche verleugnet ihre Geschichte". (Teil I in DtPfBl Heft 6/2014; Teil II in DtPfBl Heft 7/2014). Wir sind schnell zu Pauschalurteilen bereit, zumal wir uns damit ja nicht selbst belasten, sondern immer nur die Generationen vor uns. "Sich fremdschämen" hat das einmal Edmund Käbisch sehr selbstkritisch benannt. Wallmann zeigt, wie es noch eine ganz andere, judenfreundliche und tolerante Seite des Luthertums bis in das 20. Jahrhundert hinein gegeben hat, was von den Nationalsozialisten der evangelischen Kirche auch übel angekreidet wurde. Da beide Teile des Aufsatzes sehr lang und inhaltsreich zu lesen sind, begnüge ich mich hier zunächst mit der Wiedergabe eines Artikels, den derselbe Verfasser schon zum Reformationsfest 2013 in der FAZ veröffentlicht hatte.
Und noch eins: Es ist zwischen dem nachreformatorischen Luthertum und Luther selbst zu unterscheiden. Der junge Luther ist wie ein Feuer spuckender Vulkan. Wer sich in seine Frühschriften vertieft, kann für sein ganzes Leben eine lebendige Kraftquelle und von allen Bevormundungen befreiende Orientierung mitbekommen.
Robin

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