Soll man über Mobbing sprechen...

#1 von Joringel , 13.12.2017 16:08

...oder das Thema lieber diplomatisch umschreiben, damit die Täter wie z.B. leitende Personen in der Evangelischen Stiftung Neinstedt ihr Gesicht wahren können?

In diesem Jahr referierte der anerkannte Fachmann Dr. phil. Josef Schwickerath zum Thema anlässlich der Jahrestagung des Vereins D.A.V.I.D.e.V. in Sondershausen. In seinem Buch: Mobbing erfolgreich bewältigen ISBN 978-3-621-28105-8 lautet das allerletzte Kapitel: Positionen zum Thema Mobbing auf S.149 und da heißt es unter (1):

"Wer sich mit dem Thema "Mobbing am Arbeitsplatz" befasst, stößt bisweilen auf Unverständnis bei anderen, manchmal auch bei professionellen Helfern. Einige nehmen das Phänomen ernst, andere bagatellisieren es."

"Manche leugnen es" möchte man noch hinzufügen, wenn man das Nicht-Einschreiten der Führungskräfte in Neinstedt betrachtet bzw. das Mittun, indem für das Opfer Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die es zerstören sollen und das mittlerweile nun seit vielen Jahren. Ja, es scheint sogar ein System zu geben, wonach die Mittäter belohnt werden, indem ihre eigenen Arbeitsbedingungen auf Kosten der Opfer "geschönt" werden, wenn sie sich nur tapfer zum Mitmachen und Schweigen benutzen lassen.

Soll nun das Opfer sich zusätzlich mit der Bagatellisierung der Arbeitsplatzsituation kasteien? Vielleicht bin ich nicht gut genug? Vielleicht lade ich andere durch mein Stillhalten geradezu zu Mobbing ein? "Nein," ruft Josef Schwickerath, "nehmen Sie Ihre Einschätzungen und Empfindungen ernst und machen Sie das auch deutlich." Und das gilt sicher nicht nur allein für eine therapeutische Situation, sondern sicher auch für die Falle des Selbstzweifels am Arbeitsplatz. "HILFE, ICH WERDE GEMOBBT!" Dieses Ventil braucht der Betroffene, sonst erstickt er seelisch.

und unter Pos. (5) heißt es: "Es ist wichtig, sich aufgrund der eigenen Erfahrungen auch für eine gesellschaftliche Ächtung des Phänomens "Mobbing" einzusetzen, indem man sich beispielsweise für einen fairen Umgang am Arbeitsplatz in unterschiedlichen Gremien engagiert."

"Evangelische Kirche als Mobbingfreie Zone " oder "Evangelische Stiftung Neinstedt - Mobbing nicht bei uns!" das klingt doch seriös und vertrauenerweckend. Das würden sich der Ratspräsident der EKHN Herr Dr. Bedord-Strohm und der Vorsitzende der Evangelische Stiftung Neinstedt, Herr Stephan Zwick, sicher gern auf die Fahnen schreiben und entsprechende Fernsehsendungen oder Presseberichte souverän goutieren. Aber wenn der Wind aus der anderen Richtung weht, nämlich Mobbing in den eigenen Reihen wahrzunehmen und zu bekämpfen, Einfallstore für Mobbing zu schließen, Mobbingopfer zu rehabilitieren, dann geht das rote Stoppschild hoch, 'Mobbing gibt's nicht bei uns. Basta. Und überhaupt, der Begriff ist ja nicht justitiabel und wird so inflationär benutzt... Und außerdem macht es noch Arbeit, das Auseinanderdröseln eines Mobbinggeschehens, da haben wir Wichtigeres zu tun'. "Nein", sagt Euch Joringel" denn dieses Wegsehen, Schönreden und Bagatellisieren schafft ein Klima der Leisetreterei und Anpassung und beeinflusst das gesamte Arbeitsklima nach dem Motto: Ducken lohnt sich! Da hilft auch keine Beschwörung der lutherischer Tugenden in der Öffentlichkeit, wenn sie intern als Störungsfaktoren gebrandmarkt werden.

Klare Kante zeigen, das denkt Joringel.


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RE: Soll man über Mobbing sprechen...

#2 von turmfalke , 13.12.2017 22:25

Lieber Joringel!

Du hast in allen Punkten Recht!

Nur vielleicht darin nicht, dass Hr Bedford-Strom nicht zur EKHN gehört. Er ist ja der Landesbischof der Ev. luth. Kirche in Bayern und im Doppelamt Ratsvorsitzender der EKD, also der höchste Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Das Thema m u s s ihn interessieren!

Deutschlandweit auf der ganzen Fläche gehen wir in den kommenden drei Jahren auf einen eklatanten Pastorenmangel zu. Die Fakten werden von den Kirchenleitungen immer noch schön geredet. Aber wenn nicht sehr schnell wirklich etwas passiert, dann wird sich in wenigen Jahren die Anzahl der diensthabenden Pastoren um ein Drittel verringert haben. Das Gleiche gilt natürlich auch für Diakone und Diakoninnen, Kirchenmusiker und natürlich genauso für qualifizierte MitarbeiterInnen in der Diakonie.

Und dann müssen immer weniger Leute sich die Arbeit teilen, die notwendig ist, um mindestens die Grundversorgung aufrecht zu erhalten. Das bedeutet, das Berufsbild der kirchlichen Berufe wird sich weiter verschlechtern und damit in Zukunft für noch weniger Leute attraktiv sein. Das ist ein Teufelskreis, der nicht leicht zu durchbrechen sein wird.

Im Moment lautet noch die Parole: Über die Kirche darf man nicht schlecht reden. Sonst beschädigt man ihr Image noch mehr.

Aber die Fakten werden uns einholen.

Da bleibt mir nur die "Hoffnung", das aus diesem Grunde das Mobbing in der Kirche aufhören wird: Wer in Zukunft einen Mitarbeiter wegmobbt, muss wissen, dass er für die gleiche Position vielleicht keinen Ersatz mehr bekommen wird.

Aber ich fürchte, auch diese Hoffnung ist Traumtänzerei! Mobbing vollzieht sich ja nicht auf der Basis von rationalen Überlegungen. Es kommt aus der Tiefe der Herzen von unzufriedenen Menschen, die glauben, dass es ihnen helfen würde, wenn sie - anstatt sich selber zu kontrollieren - andere Leute beschädigen.

Also, Du hast recht: Klare Kante zeigen! Das muss unser "Dienst" an der Kirche sein.

Dein Turmfalke


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RE: Soll man über Mobbing sprechen...

#3 von Joringel , 14.12.2017 16:27

Ja, Turmfalke, da habe ich mich echt verschrieben. Es sollte natürlich EKD heißen.

Aber glaubst Du wirklich, Mobbing kommt nur durch Unzufriedenheit mit sich selbst, die an anderen ausgelassen wird? Manchmal geht es doch um ganz handfeste Vorteile. Da wird doch der Hebel angesetzt, um sich selbst eine bessere Stelle zu sichern. Oder um einen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen, der vielleicht sogar durch bessere Leistungen auffällt als man selbst. Im Fall von Frau B. in Neinstedt war das jedenfalls ziemlich klar. Natürlich geht keiner herum und sagt mit der Klingel: Ich war's. Ich wollte den Posten. Aber ein Kollege, der damals unter anderen schon aktiv dabei war, ist sich nicht zu blöde sich auch jetzt wieder anzudienen. Dafür hat er als TL eine sehr bequeme Ausgestaltung seines Arbeitsplatzes. Auf Kosten von wem??? Dreimal darfst Du raten.

Aber wenn so etwas von der Leitung nicht nur geduldet, sondern auch gefördert wird, dann entsteht doch ein zutiefst krankes System. Mitarbeiter müssen sich ducken und ihre Klappe halten, auch wenn sie Dinge sehen oder davon wissen, die nicht in Ordnung sind.
Das ist doch dann auch eine Frage der Verantwortung, ob das das richtige Klima ist für eine Institution, die angibt, sich liebevoll um die schwächsten Glieder der Gesellschaft zu kümmern. In diesem Fall nehme ich Neinstedt nur als Beispiel. Die Neinstedter wissen eh Bescheid, das pfeifen ja die Spatzen von den Dächern und jeder kann sowieso sehen, dass Frau B. wie eine Verbrecherin auch nicht mehr von Bruder J. im Vorstand gegrüßt wird. Da haben wir doch die ganze Schizophrenie der Situation, das Opfer wird geächtet, weil es Opfer ist und vielleicht mal gesagt hat: Ich bin ein Opfer von Mobbing.

Meiner längeren Rede kurzer Sinn: Die Leitung sollte auf Mobbing reagieren und entsprechende Maßnahmen einleiten statt das Opfer ganz in den Boden zu stampfen. An der Diskussion um sexuellen Missbrauch sieht man doch - auch einst Mächtige können auch später noch von den Leichen im Keller verfolgt werden. Übrigens sagt der Referent der DAVID-Tagung 2017, Josef Schwickrath auch, man solle bei seiner Wahrnehmung von Mobbing bleiben, selbst wenn man von Gericht verlieren sollte, denn Grauzone bleibt Grauzone und nicht jede Geste - wie Nicht-Grüßen oder jeder destruktive Satz hat gleich eine beweiskräftige Substanz. Aber wenn man die Kommunikation betrachtet, in welche Richtung und mit welcher Farbe sie wie oft zwischen einer Skala von verstoßend und anerkennend verläuft, dann wird eigentlich bald klar, wo der Quellcode für Mobbing sitzt und wer für ihn arbeitet.

Vielleicht sollten wir mal ein Start-UP gründen und einen Mobbing-Geigerzähler entwickeln, ähnlich wie einen Lügendetektor - was denkst Du?


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RE: Soll man über Mobbing sprechen...

#4 von turmfalke , 14.12.2017 18:09

Lieber Joringel!

Ein Mobbing-Detektor kann es wahrscheinlich nicht richten. Ein Messegrät hilft da nicht. Es kommt schon noch auf das Empfinden von wirklichen, lebendigen Menschen an. Und Menschen, die verletzt werden, merken ganz schnell, das da etwas nicht stimmt. Man kann Mobbing aber leider schlecht so sicher dingfest machen, dass man dann etwas in der Hand hätte, das ein Richter als Beweis anerkennen müsste.

Schwierig ist allerdings die Frage nach den Motiven der Mobbing-Täter. Sie werden schwerlich darüber Auskunft geben.

Ich sprach von einem unzufriedenen Herzen.

Du sprichtst von ganz handfester Vorteilsnahme: Der Täter setzt Mobbing ein, um seinen Gegner zu schädigen, oftmals mit dem Ziel, ihn von seiner Position zu verdrängen, vielleicht um die Stelle selber zu besetzen, vielleicht um danach um so ungestörter Macht ausüben zu können.

Ich denke wir liegen da gar nicht so weit auseinander. Denn wer sich in seiner Person und auch in seiner beruflichen Position sicher fühlt, der hat so schlimme Winkelzüge nicht nötig.

Wer dagegen so unsicher und so unzufrieden ist, dass sich als Täter in Mobbing verstrickt, der wird selber ein Leben lang an den Folgen leiden. Er weiß ja ganz genau, dass er etwas zu verbergen hat.

Freiwillig wird sich also kein Mobbing-Täter stellen. Um so mehr ist es nötig, dagegen klare Kante zu zeigen.

Das ist aber natürlich auch ein Frage der Kraft.

Liebe Grüße!

Turmfalke


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RE: Soll man über Mobbing sprechen...

#5 von leahcim , 28.01.2018 11:18

Turmfalke schrieb:
Nur vielleicht darin nicht, dass Hr Bedford-Strom nicht zur EKHN gehört. Er ist ja der Landesbischof der Ev. luth. Kirche in Bayern und im Doppelamt Ratsvorsitzender der EKD, also der höchste Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Das Thema m u s s ihn interessieren!

Deine hohe Meinung von Landesbischof Bedford-Strom in allen Ehren, aus mehreren Begebenheiten weiß ich allerdings, dass er das Thema "Mobbing" wie sehr viele in der Kirchenleitung bagatellisiert, dass er verleugnet, dass es überhaupt Mobbing in der evangelischen Landeskirche in Bayern gibt und in keiner Weise etwas dagegen unternimmt. Im "unter-den-Teppich-kehren" ist man in Bayern gut!

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RE: Soll man über Mobbing sprechen...

#6 von leahcim , 28.01.2018 11:29

Hallo Turmfalke und Joringel!

Zu folgendem möchte ich etwas sagen:
"Ein Mobbing-Detektor kann es wahrscheinlich nicht richten. Ein Messegrät hilft da nicht. Es kommt schon noch auf das Empfinden von wirklichen, lebendigen Menschen an. Und Menschen, die verletzt werden, merken ganz schnell, das da etwas nicht stimmt. Man kann Mobbing aber leider schlecht so sicher dingfest machen, dass man dann etwas in der Hand hätte, das ein Richter als Beweis anerkennen müsste."

Dingfest kann man Mobbing nicht machen! Aber es gibt Indikatoren für Gemeinden, in denen der Pfarrer zu Mitteln wie Ausgrenzung greift: Die Mitarbeiterzahl reduziert sich zu einem "eigeschworenen Kreis". Feindbilder werden - auch öffentlich - genannt. Unkritische Mitarbeiter aus dem "engen Zirkel" werden auffällig hoch gelobt und betont, wie wichtig sie für die Gemeinde sind. Frei nach dem Motto: Der "Feind" von außen schweißt zusammen. Gemeindeaktivitäten verringern sich. Denkende Mitglieder des Kirchenrates verlassen das Gremium, die Sitzungen sind nur noch Akklamationsveranstaltungen. Wegen des eigenmächtigen Finanzverhaltens des Pfarrers ergeben sich Schräglagen im Haushalt. Der Kirchenbesuch nimmt ab. Die gemeindlichen Kreise werden weniger...
Und es gäbe ein wirksames Mittel: Pfarrerwechsel nach spätestens 7 Jahren!!! Aber hier ist der Pfarrer seit 21 Jahren und treibt sein Unwesen!

Und zu den Motiven der Täter:
Von dem Pfarrer hier weiß ich, dass er als Kind massiv unter Mobbing zu leiden hatte, z.T. auch wegen seiner Statur. Solche Leute haben "gelernt", dass Mobbing-Täter Macht ausüben! Und genau das wollen sie seit ihrer Kindheit: Nie mehr Opfer sein, sondern sich sozusagen "groß" fühlen wie damals die Täter!

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