Jesus sagt es besonders treffend

#1 von turmfalke , 29.06.2015 11:51

Gestern war Sonntag. Da ist in fast allen evangelischen Kirchen das Jesus-Wort vom Splitter und dem Balken als Evangelium gelesen worden. Das war dann auch der Predigttext für die Sonntagsppredigt. Ich finde treffender als Jesus kann man es nicht sagen:

Evangelium nach Lukas im 6. Kapitel, aus der Feldrede

Jesus Christus spricht:
36 Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.

37Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet.
Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt.

Vergebt, so wird euch vergeben.
38Gebt, so wird euch gegeben.

Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maßwird man in euren Schoß geben,
denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen.

39Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis: Kann auch ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen?

...

41Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge
und den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr?
42Wie kannst du sagen zu deinem Bruder:
Halt still, Bruder, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen,
und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge?
Du Heuchler,
zieh zuerst den Balken aus deinem Auge und sieh dann zu, dass du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst!"

Leider kennt man in unserer Alltagssprache kaum noch das Wort Barmherzigkeit: Nach der ursprünglichen Bedeutung der einzelnen Bestandteile das Wortes bedeutet das doch: Barmherzig ist jemand, "der sein Herz bei den Armen hat", also jemand der verständnis für die Opfer und die Benachteiligten in dieser Welt hat.

Wir singen jeden Sonntag: kyrie eleison: Herr, erbarme dich!

Aber glauben wir auch, dass er unser Gebet erhört?
Lassen wir uns von ihm in unserem Innersten schützen durch seine liebevolle Zuwendung?
Und lassen wir uns auch von ihm in die Pflicht nehmen:

Seid barmherzig, wie euer himmlischer Vater barmherzig ist!
Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet!

Euer Turmfalke


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RE: Jesus sagt es besonders treffend

#2 von Joringel , 29.06.2015 14:08

Lieber Turmfalke,

ich war gestern in Köln in einer Kirche und habe auch diesen Bibeltext gehört. Du hast Recht - der Text ist so klar, und stimmt auch mit unseren Alltagserfahrungen überein, so das man mit dem Kopf nicken und ja, das stimmt rufen möchte. Automatisch fragt man sich nach seinen eigenen Balken, und da kommt das gute Gewissen auch nicht gut weg...

Ein 9-jähriges Kind wurde getauft, und vielleicht hat der Pfarrer deswegen für seine Predigt auf ein Märchen der Gebrüder zurückgegriffen. Es heißt Meister Pfriem und ist wohl eher unbekannt. Ab er es geht genau um diese Bibelstelle, es ist sozusagen eine Interpretation des Textes aus Alltagserfahrungen, die im 18. und 19. Jahrhundert noch die Weltsicht der Leute bestimmten. Damit Du, lieber Turmfalke, nicht so lange suchen musst, hier ein Link wo Du und andere Interessenten, das Märchen auf Anhieb findet. Es wird Euch gefallen.
http://www.märchenkristall.de/Grimm/Pfriem.htm

Dir danke ich, Turmfalke, dass Du den Anstoß gegeben hast, dem Bibeltext noch einmal nachzusinnen...

Es grüßt Dich
Joringel


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RE: Jesus sagt es besonders treffend

#3 von Nemo , 29.06.2015 16:22

Liebe Joringel,
das ist ja wirklich ein treffliches Märchen. Ich kannte es bis eben nicht. Danke.
LG
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RE: Jesus sagt es besonders treffend

#4 von turmfalke , 30.06.2015 12:51

Lieber Joringel!

Köstlich! Danke für den Hinweis auf das Märchen. "Meister Pfriem " kannte ich auch noch nicht; erst recht nicht als Auslegung zu dem Bildwort vom Splitter und Balken nach Lukas 6. Da kann man mal sehen, wie weitläufig bekannt solche Bibelstellen einmal waren.

Ich verstehe das Märchen als ein Beispiel von Spottliteratur nach dem Muster: "Dein Verhalten ist so schrecklich, dass sie es auch im Himmel nicht mit Dir ausgehalten haben. Du warst ja schon mal gestorben, aber dann haben sie dich aus dem Himmel wieder wegeschickt. Und jetzt müssen wir es hier auf Erden weiter mit Dir aushalten!"

Das gleiche Motiv gibt es auch in dem Lied von Fritze Bollmann, dem Barbier von Brandenburg.
Am Ende der langen Geschichte heißt es im Brandeburger/ Berliner Dialekt:

Und der Petrus ließ sich rühren, er sprach: "Bollmann, kumm man rin.
Hier gibts och wat zu balbieren, komm man her und seef mir in."

Fritze Bollmann, der balbierte, Petrus schrie: "Oh Schreck, oh Graus!
Tust mir schändlich masakrieren, dat hält ja keen Deibel aus!

Uff de jroße Himmelsleiter kannste wieder runterjehen.
Kratze du man unten weiter, ick lass mir den Vollbart stehn."

Da wird dann für die leidtragenden Mitmenschen die Erde zur Hölle!

Viele Grüße vom Turmfalken!


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RE: Jesus sagt es besonders treffend

#5 von turmfalke , 07.07.2015 12:32

Lieber Joringel!

In der Sommerpause setze ich noch einen drauf. Ich fand ein weiteres Lied im großen Schatz der Volksliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts. Diesmal ist es nicht der Himmel sondern die Hölle. Und die Geschichte vom Schneidergesellen ist also noch ein wenig drastischer als die vom Meister Pfriem und vom Barbier Bollmann.

Als Vorbemerkung das - vielleicht sogar ein wenig begründete (?) - weit verbreitete Vorurteil: Schneider werden nur kleine und schwache Männer, die die schwere körperliche Arbeit der anderen Handwerker nicht leisten können. Damit sie sich trotzdem in dieser bösen Welt durchsetzen können, versuchen sie es immer wieder mit List, Mutterwitz oder Überrumpelungstaktik. Und Schneider waren sprichwörtlich im Verdacht, regelmäßig ihre Kunden zu bestehlen: Der Kunde brachte einen Ballen Stoff und bestellte ein Kleidungsstück. Er bekam dann das fertige Stück ausgeliefert und von dem Stoff bekam er zurück, was übrig war. Da der Kunde aber nicht kontrollieren konnte, wieviel von dem Stoff wirklich für das Kleidungsstück gebraucht worden war, blieb oftmals der Verdacht bestehen, dass der Schneider etwas für sich zurückbehalten - also gestohlen - hatten. Hier das Lied:

"Es wollt ein Schneider wandern des Montags in der Fruh,
begegnet ihm der Teufel, hat weder Strümpf noch Schuh:
"He, he, du Schneidergesell, du must mit mir in die Höll,
du musst uns Teufel kleiden, es gehe wie es wöll!"

Sobald der Schneider in die Höllen kam, nahm er sein Ellenstab,
er schlug den Teufeln die Buckel voll die Höll wohl auf und ab.
"He, he, du Schneidergesell, du musst wieder aus der Höll!
Wir brauchen nicht dein Messen, es gehe wie es wöll!" "

Erklärung: Der Ellenstab war der Stab aus Holz, mit dem der Schneider vor dem Zuschnitt den Stoff zumass.
Es folgen dann 5 weitere Strophen, in denen beschrieben wird, wie der Schneider die Teufel in der Hölle gequält hat. Zum Schluss hat der Luzifer den Schneider rausgeschmissen.

Im letzten Vers heißt es dann:

"Nachdem er nun hat aufgepackt, da ward ihm erst recht wohl,
er hüpft und springet unverzagt, lacht sich den Buckel voll,
ging eilens aus der Höll und blieb ein Schneidergesell.
Drum hohlt der Teufel keinen Schneider mehr, er stehl, so viel er wöll."

Die Moral: Wer sich so schlecht benimmt hat, dass er sogar schon in der Hölle bei den Teufeln verschissen hat, der braucht sich keine Sorgen mehr zu machen. Er kann sich auch auf der Erde im wirklichen Leben bei den Menschen leisten, was er will. In die Hölle braucht er doch nicht mehr zurück!

Einen schönen Gruß an alle Mobbingtäter in Neinstedt und anderswo!

vom Turmfalken


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RE: Jesus sagt es besonders treffend

#6 von Joringel , 07.07.2015 13:22

Lieber Turmfalke,

Danke, dass Du noch einmal nachgelegt hast. Ich habe über Meister Pfriem schon schwer geschmunzelt. Dass das Schneiderlein nun fertig war, den Teufel zu bezwingen beeindruckt mich schon schwer. Als ich Kind war, gab es noch einen Schneider in unserem Dorf. Er hatte einen Laden mit Milchglasscheiben, die von ganz dünnen, offenen Strichen durchzogen waren. Dadurch haben wir Kinder mit großer Anstrengung "gelinst". Für uns war es eine Sensation, dass er wie in den alten Büchern im Schneidersitz auf einem Tisch saß. Aber er tat uns auch leid - den ganzen Tag still sitzen, das er schien uns ganz furchtbar.

Es grüßt dich und alle anderen Joringel


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