„Wir erleben derzeit den Untergang der evangelischen Landeskirchen“
„Wir erleben derzeit landauf und landab den Untergang der evangelischen Landeskirchen.“ Diese Ansicht vertrat der Pastor der Bremer St.-Martini-Gemeinde, Olaf Latzel, auf einem Studientag zum Thema „Heilsame Lehre“ des Netzwerks Bibel und Bekenntnis am 16. November in Siegen. Grund dafür sei, dass die Autorität der Heiligen Schrift immer mehr infrage gestellt werde.
Vor über 800 Besuchern sprach der Theologe über eine Stelle im 2. Timotheusbrief (3,16-4,4). Darin heißt es unter anderem: „Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden; sondern nach ihren eigenen Gelüsten werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken, und werden die Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Fabeln zuwenden.“
Latzel: „Genau das passiert derzeit in der evangelischen Kirche.“ So bestritten führende Repräsentanten der Kirche zentrale Inhalte des Evangeliums. Die EKD-Synode habe sich 2016 gegen Judenmission gewandt und sage damit auch, „dass das, was Petrus und Paulus gemacht haben, letztlich alles falsch war“. Die Evangelische Kirche im Rheinland gehe noch weiter und erkläre in einem Papier, auch keine Muslime mehr missionieren zu wollen, „weil die glauben ja letztlich auch an den denselben Gott wie wir“.
„Seid Protestanten!“
Jährlich träten „zwei bis drei Prozent“ der Mitglieder aus den Landeskirchen aus und „das seit 30, 40 Jahren“. Bei einem Unternehmen, das solche Verluste schreiben würde, wäre die gesamte Führungsspitze nach zwei Jahren ausgewechselt. Diese Entwicklung der Landeskirchen sei „auch ein Gericht Gottes“.
Der Untergang drohe jeder Kirche und jeder Gemeinde, „wenn sie sich von der Autorität der Heiligen Schrift abwendet“. Latzel rief die Besucher auf, der Abkehr von der biblischen Lehre zu widerstehen: „Tretet dem entschlossen entgegen! Seid Protestanten!“
Parzany: „Uns motiviert Retterliebe, nicht Rechthaberei“
Der Vorsitzende des Netzwerks Bibel und Bekenntnis, der Evangelist Ulrich Parzany (Kassel), sagte zu dessen Anliegen: „Wir wollen Stimme sein für die Autorität der Bibel als Wort Gottes und höchste Norm für Glauben, Leben und Lehre.“
Zugleich wolle man deutlich machen, dass Jesus Christus der einzige Weg zum Heil sei und das Evangelium allen Menschen verkündigt werden müsse. Parzany: „Uns motiviert Retterliebe, nicht Rechthaberei.“ Zu dem Netzwerk gehören nach seinen Angaben 2.400 Einzelpersonen sowie über 70 Gemeinden und Organisationen, darunter drei Gemeinschaftsverbände.
Gastgeber des Treffens in der Stadtmission Hammerhütte war der Evangelische Gemeinschaftsverband Siegerland-Wittgenstein. Im Blick auf die Landeskirchlichen Gemeinschaften sagte Parzany, sie müssten innerhalb ihrer Dachorganisation – dem Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverband – klären, „wo sie hinwollen und wofür sie stehen wollen“.
Gemeinden verlassen, die homosexuelle Partnerschaften trauen
Zu der Frage von Besuchern, was sie tun sollen, wenn in ihren Kirchengemeinden homosexuelle Partnerschaften getraut werden und biblische Argumente gegen eine solche Praxis nicht gehört werden, sagte er: „Gehen Sie nicht in eine solche Gemeinde, die das praktiziert!“ Man könne „in Reichweite“ meist eine andere Gemeinde finden, die sich an der Bibel orientiere.
Prof. Stettler: Gottes Wort ist Droh- und Frohbotschaft
Der Pfarrer und Theologieprofessor Christian Stettler (Flaachtal bei Zürich) vertrat auf dem Studientag die Ansicht, dass Gottes Wort sowohl Droh- als auch Frohbotschaft ist. Es sei eine Drohbotschaft für alle, „die die Erlösung durch Christus ausschlagen“, zugleich aber auch eine Frohbotschaft für alle, „die Gottes Rettung in Jesus annehmen“. Dieser habe stellvertretend das Gericht auf sich genommen: „Er hat die Hölle für uns durchgemacht.“
Stettler ist Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Flaachtal sowie Privatdozent für Neues Testament an der Universität Zürich sowie Professor für Neues Testament und Antikes Judentum an der Staatsunabhängigen Hochschule (STH) Basel.
Biologe: Wir brauchen „Ehrfurcht vor Gottes heiligem Wort“
Der Biologe und Blogger Markus Till (Weil im Schönbuch) bezeichnete es als den Kern des Problems, dass laut der EKD die biblischen Texte wegen der historisch-kritischen Forschung heute nicht mehr als Wort Gottes verstanden werden könnten.
Till rief dazu auf, „die Ehrfurcht vor Gottes heiligem Wort“ in Kirchen und Gemeinden wieder aufzurichten. Wenn das nicht gelinge, blieben alle Bemühungen um Gemeindewachstum am Ende „vergebliche Liebesmüh“.