Mobbing in der Kirche als Kriminalroman

#1 von Joringel , 06.02.2014 14:17

Hand auf's Herz - wer von den Betroffenen hat nicht schon einmal darüber nachgedacht, dieses Konglomerat aus hinterhältigen Plänen, heimlichen Absprachen, Häme und Heuchelei in einem Krimi zu verarbeiten? - Etwas Ähnliches ist jetzt in Wiesbaden passiert - ein früherer Abteilungsleiter der Stadtverwaltung, der unter "unschönen Begleiterscheinungen" vorzeitig aus seinem Beruf ausgeschieden war, hat einen Kriminalroman über "Ein Mord'samt" geschrieben, einen Roman der es in puncto Sex and Crime nur so in sich hat, wie der Wiesbadener Kurier in seinem Artikel "Vielleicht gibt es eine Fortsetzung" berichtet. Die Wiedererkennbarkeit von Personen sei für Beschäftigte der Wiesbadener Stadtverwaltung gegeben, heißt es in dem gleichen Bericht. Fast eine ganze Seite des Wiesbadener Kurier beschäftigt sich mit diesem Krimi und den rechtlichen Aspekten solcher "Verarbeitungen" von Geschehenem in Romanen. Diese Texte habe ich für alle "abgetippt", damit wir klarer sehen, wenn wir unsere persönlichen Kriminalromane schreiben... Der hier zitierte Anwalt Christian Russ gilt übrigens deutschlandweit als Experte für Presserecht.


Wiesbadener Kurier vom 09.02.2014

„Nicht so sicher sein“
Recht: Der Anwalt Christian Russ sieht rechtliche Möglichkeiten für Betroffene.
Wiesbaden. „Es kommt grundsätzlich immer auf die Umstände des konkreten Einzelfalles an“, erklärt der Wiesbadener Anwalt christian Russ. Nicht alles, was mit dem Verweis auf die Kunstfreiheit veröffentlicht werde, sei davon abgedeckt, wenn die Vorbilder zu stark erkennbar an Lebenswirklichkeiten orientiert seien. „Da konkurrieren zwei garantierte Grundrechte – die Kunst- und Literaturfreiheit mit den allgemeinen Persönlichkeitsrechten.“ Je mehr eine reale Person in der literarischen Darstellung „verblasse“, desto mehr sein der Kunstfreiheit Vorrang einzuräumen. „Es kommt auf die Frage der Erkennbarkeit an“, betont der Jurist. „Gerichte kommen bei der Prüfung recht schnell zu der Erkenntnis, dass Personen erkennbar sind.“
Die Tatsache, dass im Buch „Ein Mord(s)amt“ das Wiesbadener Ordnungsamt nicht explizit genannt werde, sei von nachrangiger Bedeutung. Diese Präzisierung brauche es nicht zwingend, um die Erkennbarkeit von Personen zu belegen. Zu prüfen sei, wie betroffen reale Personen seien, wie negativ das Bild gezeichnet werde. Gerade die Schilderung von Krankheiten und Sexualpraktiken seien heikel. Für die Leser stelel sich auch die Frage: Was ist wahr? Was ist Fiktion? Ein Unterlassungsanspruch sei in diesem Fallvoraussichtlich gegeben, meint der Jurist, der unter anderem auf Medien- und Urheberrecht spezialisiert ist. „Der Autor sollte sich seiner Sache nicht so sicher sein. VorGericht kann das ganz schnell in die Hose gehen.

Das Bundesverfassungsgericht:
Die Das Kunstfreiheit verlangt für ein literarisches Werk, das sich als Roman ausweist, eine kunstspezifische Betrachtung. Daraus folgt insbesondere eine Vermutung für die Fiktionalität eines literarischen Textes.
Die Kunstfreiheit schließt das Recht zur Verwendung von Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit ein.
Zwischen dem Maß, indem der Autor eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Realität schafft, und der Intensität der Verletzung der Persönlichkeitsrechte besteht eine Wechselbeziehung. Je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer wiegt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Je mehr die künstlerische Darstellung besonders geschützte Dimensionen des Persönlichkeitsrechts berührt, desto stärker muß die Fiktionalisierung sein, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen.
Diese Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom Juli 2007 betreffen eine Verfassungsbeschwerdezum autobiografischen Liebesroman „Esra“ von Maxim Biller. Die Mehrheit des Senats sah die Persönlichkeitsrechte von Klägern verletzt. Zwei Richter vertraten eine abweichende Meinung.

Redakteur Wolfgang Degen


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zuletzt bearbeitet 06.02.2014 | Top

RE: Mobbing in der Kirche als Kriminalroman

#2 von Rosmarie , 07.02.2014 19:45

Joringels Beitrag erinnerte mich an das sehr lesenswerte Buch von Martin Walser: "Finks Krieg". Es ist ein Lehrstück über die Ohnmacht eines Einzelnen gegenüber anderen Individuen, die Zugang zu den Schalthebeln der Macht haben.
Dem Roman von M. Walser liegt der authentische Fall des hess. Ministerialrats Rudolf Wirtz zugrunde, den Staatssekretär Alexander Gauland (CDU) 1988 aus der Leitung des Verbindungsbüros der Staatskanzlei zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften entfernte, um Platz für einen Parteifreund zu machen.
Als Wirtz sich dagegen wehrte, schob Gauland die Begründung nach, man sei mit seiner Arbeit nicht zufrieden gewesen....
Lesenswert - auch wie sich die Kirchen dabei verhalten.


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RE: Mobbing in der Kirche als Kriminalroman

#3 von Joringel , 08.02.2014 08:11

Liebe Rosmarie, auch ich habe an das Buch Fink's Krieg von Martin Walser gedacht. Es zeigt nicht nur, wie sich alle wegducken, sondern auch wie die Opferrolle zur Obession wird und dadurch alle anderen Beziehungen entwertet werden. Das ist auch sehr bedrückend, diese Selbststrangulierung durch Verbitterung zu verfolgen. Wir kennen einige Betroffene, denen es gelingt, die Balance zwischen dem Kampf gegen Mobbing und dem Leben, dem persönlichen "Er-leben", das es ja auch immer noch gibt, zu wahren oder sich zurückzuerobern. Das ist wirklich eine sehr schwierige Lebensaufgabe und ich denke, Mobbing-Experten wissen noch mehr darüber.
Daneben denke ich, dass es nicht so schnell zu einer Anzeige Veröffentlichung kommt, da man ja sich damit den Schuh anzieht ud die Identifizierung mit der negativen Figur auf sich nimmt.
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RE: Mobbing in der Kirche als Kriminalroman

#4 von Paddy , 16.06.2014 22:46

...und ich hab echt schon mal überlegt, alles Erlebte in Form eines Krimis aufzuarbeiten ;-)

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RE: Mobbing in der Kirche als Kriminalroman

#5 von Joringel , 17.06.2014 09:42

Hallo, Paddy, einen Versuch ist es schon wert. Es dürfte m.E. aber nicht nur ein "Ich zeige mit dem Finger auf Euch" - Roman sein, sondern er müßte die psychischen Prozesse, die bei allen ablaufen, auf spannende Weise in den Griff kriegen.
Fang doch einfach mal an.
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