Hand auf's Herz - wer von den Betroffenen hat nicht schon einmal darüber nachgedacht, dieses Konglomerat aus hinterhältigen Plänen, heimlichen Absprachen, Häme und Heuchelei in einem Krimi zu verarbeiten? - Etwas Ähnliches ist jetzt in Wiesbaden passiert - ein früherer Abteilungsleiter der Stadtverwaltung, der unter "unschönen Begleiterscheinungen" vorzeitig aus seinem Beruf ausgeschieden war, hat einen Kriminalroman über "Ein Mord'samt" geschrieben, einen Roman der es in puncto Sex and Crime nur so in sich hat, wie der Wiesbadener Kurier in seinem Artikel "Vielleicht gibt es eine Fortsetzung" berichtet. Die Wiedererkennbarkeit von Personen sei für Beschäftigte der Wiesbadener Stadtverwaltung gegeben, heißt es in dem gleichen Bericht. Fast eine ganze Seite des Wiesbadener Kurier beschäftigt sich mit diesem Krimi und den rechtlichen Aspekten solcher "Verarbeitungen" von Geschehenem in Romanen. Diese Texte habe ich für alle "abgetippt", damit wir klarer sehen, wenn wir unsere persönlichen Kriminalromane schreiben... Der hier zitierte Anwalt Christian Russ gilt übrigens deutschlandweit als Experte für Presserecht.
Wiesbadener Kurier vom 09.02.2014
„Nicht so sicher sein“
Recht: Der Anwalt Christian Russ sieht rechtliche Möglichkeiten für Betroffene.
Wiesbaden. „Es kommt grundsätzlich immer auf die Umstände des konkreten Einzelfalles an“, erklärt der Wiesbadener Anwalt christian Russ. Nicht alles, was mit dem Verweis auf die Kunstfreiheit veröffentlicht werde, sei davon abgedeckt, wenn die Vorbilder zu stark erkennbar an Lebenswirklichkeiten orientiert seien. „Da konkurrieren zwei garantierte Grundrechte – die Kunst- und Literaturfreiheit mit den allgemeinen Persönlichkeitsrechten.“ Je mehr eine reale Person in der literarischen Darstellung „verblasse“, desto mehr sein der Kunstfreiheit Vorrang einzuräumen. „Es kommt auf die Frage der Erkennbarkeit an“, betont der Jurist. „Gerichte kommen bei der Prüfung recht schnell zu der Erkenntnis, dass Personen erkennbar sind.“
Die Tatsache, dass im Buch „Ein Mord(s)amt“ das Wiesbadener Ordnungsamt nicht explizit genannt werde, sei von nachrangiger Bedeutung. Diese Präzisierung brauche es nicht zwingend, um die Erkennbarkeit von Personen zu belegen. Zu prüfen sei, wie betroffen reale Personen seien, wie negativ das Bild gezeichnet werde. Gerade die Schilderung von Krankheiten und Sexualpraktiken seien heikel. Für die Leser stelel sich auch die Frage: Was ist wahr? Was ist Fiktion? Ein Unterlassungsanspruch sei in diesem Fallvoraussichtlich gegeben, meint der Jurist, der unter anderem auf Medien- und Urheberrecht spezialisiert ist. „Der Autor sollte sich seiner Sache nicht so sicher sein. VorGericht kann das ganz schnell in die Hose gehen.
Das Bundesverfassungsgericht:
Die Das Kunstfreiheit verlangt für ein literarisches Werk, das sich als Roman ausweist, eine kunstspezifische Betrachtung. Daraus folgt insbesondere eine Vermutung für die Fiktionalität eines literarischen Textes.
Die Kunstfreiheit schließt das Recht zur Verwendung von Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit ein.
Zwischen dem Maß, indem der Autor eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Realität schafft, und der Intensität der Verletzung der Persönlichkeitsrechte besteht eine Wechselbeziehung. Je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer wiegt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Je mehr die künstlerische Darstellung besonders geschützte Dimensionen des Persönlichkeitsrechts berührt, desto stärker muß die Fiktionalisierung sein, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen.
Diese Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom Juli 2007 betreffen eine Verfassungsbeschwerdezum autobiografischen Liebesroman „Esra“ von Maxim Biller. Die Mehrheit des Senats sah die Persönlichkeitsrechte von Klägern verletzt. Zwei Richter vertraten eine abweichende Meinung.
Redakteur Wolfgang Degen