In Sachen Mobbing wird von Betroffenen und ihren Beratern häufig übersehen, dass die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder (kurz LASI) bereits seit mehreren Jahren "Handlungsanweisungen LV 34" betreffend Mobbing erarbeitet und im Internet auch für die Allgemeinheit zugänglich gemacht haben.
Diese Handlungsanweisungen differenzieren nicht nach kirchlichen und profanen Arbeitgebern, dürften demzufolge für alle Arbeitgeber gelten, auch für die kirchlichen, die sich in diesem Kontext nicht auf ihr grundgesetzlich garantiertes Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG) zurückziehen dürfen.
Die vorgenannte Handlungsanweisung LV 34 ist vollständig im Internet hier einzusehen:
http://lasi.osha.de/docs/lv34.pdf
Nachfolgend die dortige Einleitung und Inhaltsangabe , die ich nur deshalb zitiere, um meine geneigte Leserschaft zu motivieren, sich am authentischen Text zu informieren.
"Gegen Mobbing -
Handlungsanleitung für die
Arbeitsschutzverwaltungen der Länder
LV 34
1. überarbeitete Auflage
Impressum: LASI-Veröffentlichung - LV 34
Gegen Mobbing – Handlungsanleitung für die Arbeitsschutzverwaltungen
der Länder Herausgeber: Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)
LASI-Vorsitzender: Steffen Röddecke
Vorwort
Gut 10 % aller Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland sind im Laufe ihres
Berufslebens bereits einmal von Mobbing betroffen gewesen.
Es gibt keinen Bereich, der als mobbingfreie Zone gelten könnte, vielmehr zieht sich
das Phänomen quer durch alle Berufsgruppen, Branchen und Betriebsgrößen sowie
Hierarchiestufen und Tätigkeitsniveaus. Bestimmte Merkmale, vor allem in Kombination
miteinander, erhöhen jedoch das Risiko, von Mobbing betroffen zu werden,
deutlich.
Bei fast allen Beschäftigten, die zur Zielscheibe von Schikanen, Intrigen und
Ausgrenzung werden, zeigen sich deutliche Auswirkungen auf das Arbeits- und
Leistungsverhalten. Die Betroffenen fühlen sich allein gelassen und tragen fast
immer erhebliche seelische und körperliche Beschwerden davon. Unternehmen
werden neben der Imageschädigung durch die krankheitsbedingten Ausfälle ihrer
Mitarbeiter/innen finanziell erheblich belastet.
Diese Handlungsanleitung zeigt die Rollen und Handlungsmöglichkeiten der
Aufsichtsbeamtinnen und -beamten auf und gibt ihnen eine Orientierungshilfe, um
die Unternehmen beim Finden von Lösungswegen zu unterstützen.
Der zentrale Handlungsansatz für die Aufsichtsbeamtinnen und -beamten liegt in der
Beratung und Überwachung der Unternehmen, denn erwiesenermaßen liegen die
Wurzeln von Mobbing in der Regel weniger in den Persönlichkeitsstrukturen der
Beteiligten, als vielmehr in der Unternehmenskultur, in den Organisationsstrukturen
und -abläufen, in unzureichender Information, Kommunikation oder Zusammenarbeit
und in Defiziten des Führungsverhaltens.
Der LASI stellt sich mit diesem Konzept dem Thema Mobbing in der Arbeitswelt. Die
ursprüngliche Fassung dieser LV wurde 2003 veröffentlicht. 2009 wurde die LV 34
auf der Basis einer schriftlichen Befragung der Länder evaluiert. Die hiermit vorgelegte
Neufassung berücksichtigt sowohl die Ergebnisse dieser Evaluation als auch
zwischenzeitlich gesammelte Erfahrungen und Erkenntnisse der Arbeitsschutzbehörden
im Umgang mit betrieblichen Mobbingkonstellationen. In der überarbeiteten
Fassung wird der Grundsatz beibehalten, dass nicht die Lösung einzelner
Konflikte sondern die Stärkung betrieblicher Präventionsmaßnahmen die Aufgabe
der staatlichen Arbeitsschutzbehörden ist.
Bremen/Hannover im Oktober 2012
Steffen Röddecke Stefan Pemp
Vorsitzender des Länderausschusses für Arbeitsschutz
und Sicherheitstechnik (LASI)
Koordinator für das Fachthema „Betriebliche
Arbeitsschutzorganisation und Arbeitsmedizin“
des LASI
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Gegen Mobbing
Inhaltsverzeichnis
1 Rollenverständnis des staatlichen Arbeitsschutzes............................................. 4
2 Einführung........................................................................................................... 5
3 Grundlagen.......................................................................................................... 6
3.1 Begriffsklärung ............................................................................................. 6
3.2 Ursachen...................................................................................................... 8
3.3 Folgen von Mobbing................................................................................... 10
3.4 Prävention .................................................................................................. 10
3.5 Gesetzliche Grundlagen............................................................................. 13
4 Handlungsanleitung........................................................................................... 14
4.1 Aufgaben der Arbeitsschutzverwaltung (ASV) ........................................... 14
4.2 Beratung zur Mobbing-Prävention.............................................................. 14
4.3 Beratung im konkreten Fall ........................................................................ 15
4.3.1 Gespräch mit der betroffenen Person ................................................. 15
4.3.2 Vorgehen im Unternehmen ................................................................. 15
5 Module............................................................................................................... 17
5.1 Modul 1: Gesprächseckpunkte................................................................... 17
5.2 Modul 2: Gesprächsnotiz............................................................................ 18
5.3 Modul 3: Im Betrieb – Fallbezogen reagieren............................................. 19
5.4 Modul 4: Gesprächseckpunkte u. vereinbarte Handlungsschritte
schriftlich festhalten.................................................................................... 20
5.5 Modul"
Die Handlungsanleitung gibt Betroffenen und ihren Beratern ein Instrument an die Hand:
"4.1 Aufgaben der Arbeitsschutzverwaltung (ASV)
Die staatliche Arbeitsschutzverwaltung übernimmt im Themenfeld Mobbing zwei
Aufgaben:
1. Die Mobbing-Prävention in den Unternehmen anzustoßen oder einen Beratungsbeitrag
zu ihrer Weiterentwicklung zu liefern (vgl. Abschnitt 4.2).
2. Betroffenen und Unternehmen auf Anfrage bzw. im Beschwerdefall Wege zur
Bewältigung des konkreten Mobbing-Problems im Sinne einer Anstoßberatung
aufzuzeigen (vgl. Abschnitt 4.3)."
Daraus folgt, dass dem Gemobbten gegenüber der Behörde ein Beschwerderecht zusteht, obwohl diese nicht unmittelbar in den konkreten Konflikt eingreift, denn:
"Es gehört nicht zu den Aufgaben der staatlichen Arbeitschutzverwaltung, einen
konkreten Mobbing-Konflikt z.B durch Vermittlung oder Mediation zu einer Lösung zu
führen. Hierfür zu sorgen, ist Aufgabe der betrieblich Verantwortlichen, die bei Bedarf
auch externe Experten hinzuziehen können oder sollten. Der Arbeitgeber hat dabei -
wie auch die jüngste Rechtsprechung zeigt - eine besondere Verantwortung.
Die staatliche Arbeitsschutzverwaltung informiert jedoch die betroffene Person (ggf.
nach deren Beschwerde) über ihre betrieblichen Möglichkeiten und über externe
Hilfsangebote. Sie berät den Arbeitgeber und andere betrieblich Verantwortliche,
über mögliche Handlungsoptionen und darüber welche Präventionsstrategien im
eigenen Unternehmen ergriffen werden sollten. Gegebenenfalls weist sie den Arbeitgeber
und andere betrieblich Verantwortliche auf ihre arbeitsschutzrechtlichen Pflichten hin."
Aber:
Die staatliche Arbeitsschutzverwaltung "berät" den Arbeitgeber und andere betrieblich Verantwortliche,
über mögliche Handlungsoptionen, sobald ihr eine Beschwerde des Gemobbten vorliegt; ggfs. weist sie den Arbeitgeber auf seine arbeitsschutzrechtlichen Pflichten hin.
Was für "typische" Mobbingfälle bedeutet, dass die "staatliche Arbeitsschutzverwaltung" sich in den konkreten Fall nicht wirklich einschaltet, jedoch den Arbeitgeber des Mobbingopfers über Konfliktbereinigungsmöglichkeiten "berät" und damit den Mobbingvorwurf amtlich dokumentiert.
Bisher werden Mobbingfälle in der (evangelischen) Kirche regelmäßig nur "innerkirchlich behandelt/verhandelt und beschieden".
Die aufgezeigte Möglichkeit der Hilfe staatlicher Stellen, der Arbeitsschutzverwaltung, wird nach Erfahrungen des D.A.V.I.D. e.V. von den kirchlichen Arbeitgebern in den Mobbingfällen nicht in Anspruch genommen. Über eigene wirkungsvolle Regularien/Mechanismen zur Konfliktbearbeitung verfügt die evangelische Kirche nicht, stattdessen jedoch über die §§ 79, 80 des Pfarrdienstgesetzes, welche sie in die Lage versetzt, Pfarrer ohne Verschulden abzusetzen/zu versetzen.
Schall, Kittel und auch andere haben bereits scharfsinnig, überzeugend und plausibel, - jedoch bisher vergeblich - anderenorts an dieser kirchengerichtlichen Gesetzgebung erhebliche Bedenken angemeldet, denen ich mich sofort anschließe, weil der "schuldlos" und "sein Bestes Gebende" betroffene Pfarrer nach gegenwärtiger Rechtslage gem. §§ 79,80 Pfarrdienstgesetz leicht durch den Kirchenvorstand initiiert, wenn nicht sogar vom Superintendenten pflichtvergesen animiert "entsorgt" werden kann.
Die theologischen und auch rechtlichen Bedenken haben Schall und Kittel beeindruckend mehrfach öffentlich zugänglich und überzeugend nachvollziehbar entwickelt.
Hier und heute beschränke ich mich deshalb zunächst darauf:
Ausweislich der vorgestellten Handlungsanleitung gibt es für Betroffene und ihre Berater die Möglichkeit, die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder beratend beizuziehen, von der Gebrauch zu machen ich empfehlen möchte.
Dr. Joachim Arndt