Aus der Arbeit von D.A.V.I.D.e.V. II

#1 von Joringel , 03.02.2019 14:20

Seit 11 Jahren bin ich Pfarrerin dieser Gemeinde. 10 Jahr Gemeinsamkeit vor Ort mit einem Superintendenten, der zu 50% Ortspfarrer in N. war. 10 Jahre Mobbing und großes Leiden bis hin zu zwölf Wochen stationärer Therapie, um eine Auszeit haben zu können.
Seit einem Jahr bin ich aus dem Stand heraus Geschäftsführerin dieser Gemeinde. Die zweite Stelle ist gestrichen, der Sup weggegangen. Da ich immer nur wie eine "Vikarin" und "kaffeekochende Zweitpfarrerin" gehandhabt wurde durch den Sup. habe ich von Verwaltung und Geschäftsführung keinerlei Ahnung gehabt...... Es ist in der Tat nicht so gut gelaufen. Auch, weil ich ja noch die halbe Pfarrstelle dazu bekommen habe...
Im September nach der Sitzung des GKR, an der ich wegen Krankheit nicht habe teilnehmen können, hat mich die neue Superintendentin mich zu einem Gespräch bestellt, um mir mitzuteilen, was der GKR mit ihr oder in ihrer Gegenwart besprochen hat. Ich soll den vorzeitigen Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen beantragen. .... Und wenn nicht, dann wird man gegen mich das Verfahren einleiten wegen nicht mehr gedeihlichen Zusammenwirkens. Ich war fassungslos! Und auch sprachlos!...
Das hat mich so verletzt, dass ich den Antrag auf den vorzeitigen Ruhestand nun eingereicht habe....Obwohl ich weiß, dass man nichts wirklich gegen mich hätte vorbringen können., was das nur annähernd gerechtfertigt hätte. .. Das war der einzigste Weg für mich, überhaupt noch selber irgendwie aktiv sein zu können und über mein Leben zu bestimmen.
Die Superintendentin hat mich zu diesem Schritt quasi beglückwünscht. Und mir die Kopie des Begleitbriefes an den Personaldezernenten zukommen lassen, der absolut vernichtend für mich war! Bei allem Verständnis dafür, dass auch scharfe Konturen gezeichnet werden müssen, will man dieses Anliegen bei dem Amtsarzt durchbringen (und inzwischen wollte ich es ja auch nur noch), so bin ich damit auch nur nicht fertig geworden, dort als jemand beschrieben zu werden, der schon seit Jahren nicht imstande ist, auch nur die geringsten pfarramtlichen Tätigkeiten auszuführen, derweilen die Gemeinde mich liebt und meine Predigten und Gottesdienste großen Anklang finden. ...
Jetzt bin ich krank geschrieben. Und so am Ende mit den Nerven, dass ich nur noch heule. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich - quasi aus dem Stand heraus - nicht mehr Pfarrerin dieser Gemeinde sein soll.

Fortsetzung folgt


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RE: Aus der Arbeit von D.A.V.I.D.e.V. II

#2 von Joringel , 04.02.2019 13:42

Ich kann es immer noch nicht fassen , dass ich - quasi aus dem Stand heraus - nicht mehr Pfarrerin diese Gemeinde sein soll. Ich denke, dass alles nur ein "böser Traum" ist und morgen wache ich auf und alles ist wie früher. Aber es ist eben kein Albtraum, sondern die Wirklichkeit!. Ich bin 53 Jahre alt und leidenschaftliche Pfarrerin. Ich hätte mir für mich keinen anderen Beruf wünschen und vorstellen können, als eben das zu sein und das Evangelium zu predigen. ..... Ich wollte und will Pfarrerin dieser Gemeinde sein und auch bleiben! Inzwischen "will" ich es allerdings nicht mehr, weil ich - wie gesagt, diesem Druck nicht mehr standhalten kann und das alles immer noch nicht verstehe, was hier abgelaufen ist. Ich kann z.Zt. auch an anderen Orten keine Kirche betreten, ohne sofort loszuheulen und zu denken: "Das da vorne - das wäre eben dein Platz!"

Solange das Gutachten des Amtsarztes noch nicht beschieden ist - das wird Ende November sein - solange kann ich auch der Gemeinde nichts davon sagen, was hier eigentlich gespielt worden ist. Ob ich es dann sagen kann, weiß ich nicht. Weil es auch zu den Verantwortlichkeiten für andere mitgehört - aus meiner Sicht - eben nicht "Mißtrauen" zu säen und wiederum "Bilder" über jemanden zu vermitteln, wie man es mit mir denn gemacht hat. Bilder, die die Sicht des weggegangenen Superintendenten widergespiegelt und auch tradiert haben. Bilder über mich!... Und man hat mich weiterhin als "klein und unmündig" behandelt und zugleich indirekt die Forderung gestellt, dass ich "groß" und "erwachsen" zu sein hätte.

....Man hat mich "befürsorgt" und zugleich verlangt, dass ich "eigenständig- erwachsen" sein soll! Man hat mir einen "bestimmten Platz" zugewiesen und mich darin festgehalten um sich zugleich darüber zu beschweren, dass ich eben an diesem Platz bin. Man hat mich "klein" gemacht - um dann, wenn ich darunter zusammengebrochen bin zu sagen: "Wir haben es schon immer gewusst, dass Du psychisch nicht belastbar bist.".....Und immerzu habe ich - bis zu Erschöpfung - dafür Kraft aufwenden müssen, das so eben nicht zu glauben...

Jetzt bin ich krank! Meine Seele ist krank geworden von alledem! Meine Seele ist beschädigt und so sehr verletzt worden, daß ich - in der Tat - alle meine Kräft ausschließlich für mich nur brauche um überhaupt noch - und irgendwie - überleben zu können! Und wieder gibt es die irgendwie "psychologisch geschulten Kollegen", die sagen: "Du hättest Dich doch wehren können! Daß Du das mit Dir hast machen lassen, daran bist Du doch selber schuld! Jetzt stellst Du Dich aber hin und machst andere für alles verantwortlich!" ... Und dann gibt es noch den "ganz frommen Flügel", der rät, alles anzunehmen und eben an Gott mehr zu glauben als an den Menschen!

Fortsetzung folgt

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RE: Aus der Arbeit von D.A.V.I.D.e.V. II

#3 von turmfalke , 04.02.2019 16:17

Lieber Joringel!

Du berichtest von einer erschütternden Geschichte. Da ich selber in meinem Leben mehrfach in vergleichbare Situationen hineingeraten bin, kann ich hier sehr mitfühlen.

Ich habe aber den Ursprung der Geschichte noch nicht ganz verstanden. Ist dies hier ein neuer aktueller "Fall" ? Eine Kollegin, die sich an dich gewandt und um Hife und Rat gebeten hat? Oder ist das eine alte Geschichte, deren Donkumentation du hier im Forum einmal aufarbeiten möchtest?

Gern würde ich versuchen zu helfen. Aber dazu haben wir ja noch gar kein Mandat, ehe die Kollegin sich nicht selber direkt an uns als Forumsgemeinde wendet. Wir können Sie ja auch nicht ansprechen und uns mit ihr solidarisch zeigen, ehe sie sich nicht selber bei uns vorstellt - wenn auch am besten annonymisiert und mit Decknamen.

Vielleicht möchte sie sich aber lieber in unserem verdeckten Forum für betroffene Mitglieder freischalten lassen. Dann kann sie selber mit uns Kontakt aufnehmen und ihre Geschichte erzählen, ohne dass die ganze Öffentlichkeit des Forums mitlesen kann.

Ich halte es durchaus für möglich, dass wir ihr in irgendeiner Weise den Rücken stärken können.

Viele Grüße!

Turmfalke


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RE: Aus der Arbeit von D.A.V.I.D.e.V. II

#4 von Joringel , 05.02.2019 09:08

Lieber Turmfalke,

einige Davidien gründeln zur Zeit tief in den alten Akten. Die Gründe kennst Du. Das sind ganz alte Vorkommnisse. Aber dieser Brief zeigt so deutlich, was diese Unkultur des Umgangs der Kirchenleitungen mit Pfarrerinnen und Pfarrern und mit den Gemeinden, aber auch mit Ehrenamtlichen macht. Dagegen steht die Arroganz der Macht, personifizierte Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen. Da dieser Kurs auch heute noch so gefahren wird, hat sich diese Einstellung in der gesamtem Hierarchie verfestigt. Diese Tiefen haben wir auch schon bei anderen erlebt, aber es sind doch meistens die Frauen, die ihre Wunden zeigen. Wenn ich wieder ein paar Minuten Zeit habe, kommt der letzte Teil.

Es grüßt Joringel


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RE: Aus der Arbeit von D.A.V.I.D.e.V. II

#5 von Joringel , 05.02.2019 09:24

Noch ein Nachschlag - Du hast mich auf die Idee gebracht. Man könnte ja mal ein TB herausbringen, wo solche Geschichten erzählt werden. Allein der Leidensweg unserer "Schwester" in der Evangelischen Stiftung Neinstedt könnte schon ein Buch für sich werden.

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RE: Aus der Arbeit von D.A.V.I.D.e.V. II

#6 von turmfalke , 05.02.2019 10:04

Lieber Joringel!

Es handelt sich also um eine alte Geschichte? Und die Dokumente dazu habt ihr beim Aufräumen wiedergefunden? Dann gibt es also für uns an dieser Stelle keinen aktuellen Handlungsbedarf.

Dennoch ist die Geschichte anrührend. Man kann daran erkennen, wie sich Ursache und Wirkung verkehren. Erst wird die Kollegin so lange geärgert, bis sie darüber krank wird, und dann wird ihr gesagt: "Du bist krank, dich können wir nicht mehr gebrauchen!"

Erzähle uns doch bitte, wie es weitergegangen ist!


Ein TB herauszugeben, um diese und andere Geschichten öffentlich zu dokumentieren, ist sicherlich eine gute Idee. Aber wer macht das? Ich habe momentan nicht die Zeit, daran maßgeblich mitzuwirken.

Auch gibt es ja bereits drei Bücher, in denen vergleichbare Geschichte nachzulesen sind:


Berufung - Rufmord - Abberufung, Der Ungedeihlichkeitsparagraf in der evangelischen Kirche, im Auftrag von D.A.V.I.D. gegen Mobbing in der Evangelischen Kirche e.V. erschienen im Fenestra Verlag, Wiesbaden Berlin, 2007

Kirchenrecht - Sonderrecht - Unrecht, PLadoyer für Rechtsstaatlichkeit und Geltung des Evangeliums in den evangelischen Kirchen, ebenfalls im Auftrag von D.A.V.I.D. erschienen im Fenestra Verlag, 2010

Gisela Kittel,/Eberhard Mechels (Hrsg.), Kirche der Reformation? Erfahrungen mit dem Reformprozess und die Notwendigkeit der Umkehr, Neukirchener Theologie, V&R, 2016

Meine Frage ist dabei immer: Werden die entscheidenden Leute in den Kirchenleitungen diese Bücher auch lesen und daraufhin den Kurs ändern? Oder sind die eingefahrenen Wege und die Machtstrukturen innerhalb von Kirche dafür schon viel zu verhärtet?

Möglicherwiese müssen wir noch ganz andere Strategien der Kommunikation lernen.

Schöne Grüße! Lass von Dir hören!

Turmfalke


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RE: Aus der Arbeit von D.A.V.I.D.e.V. II

#7 von Joringel , 05.02.2019 11:46

Fortsetzung Text:
"Und wenn ich denn überhaupt noch eine Zukunft habe und nicht in dem was jetzt ist völlig versinke, dann habe ich sie, weil ich an Gott glaube! Und weil Gott - mir voraus - schon in dieser Zukunft ist. Auch wenn ich z.Zt. davon nichts sehe.
Verstanden fühle ich mich aber von keinem dieser "Flügel" in dem, was ich jetzt zu durchleiden habe. Und so auch nirgendwo darin "aufgehoben" und in einer Art von "Sicherheit".....
Ich weiß nicht, wem ich jetzt schreibe - aber mir geht es einfach "Scheiße". Man hat mir alles genommen, was bis jetzt mein Leben ausgemacht hat. Und so hat man mir, die eben alleinstehend lebt, sozusagen auch das genommen, worin ich so etwas wie "meine Familie" gehabt habe, indem ich dort sein konnte, wo ich eben bin: Die Gemeinde.
Plötzlich ist das alles nicht mehr. Und selbst, wenn ich als "Ruheständlerin" in dieser Gemeinde bleiben würde - es wäre trotzdem in der soziologischen Struktur und darin Zuordnung dasselbe. Denn ich bin eben nicht mehr "Pfarrerin dieser Gemeinde", nicht mehr "verantwortlich" aus dem Status heraus, sondern eben im Ruhestand.
Und diesen Zustand (als Pfarrerin, Einfügung von mir) wird es nie wieder geben.... Und man hat nicht gewollt, dass ich es sein soll, sondern ein anderer - noch unbekannt und in weiter Ferne. Aber ich soll es nicht sein! Jetzt bin ich eben "rausgeflogen" und "ausgemustert" worden!
Ich weiß nicht, wem ich jetzt schreibe und wem ich mich jetzt anvertraue. Aber wenn das jemand ist, der vielleicht gleiche Erfahrungen gemacht hat hat, dann ist das vielleicht auch jemand, der mich versteht und etwas davon nachempfinden und mitempfinden kann, wie es mir jetzt in alledem geht. Und wie miserabel ich mich jetzt auch in diesem Spagat fühle, daß ich ja eigentlich "meinen Dienst" tun möchte - und letztlich auch könnte - aber eben trotzdem nicht tun kann! Von meiner gegenwärtigen Verfassung mal ganz abgesehen! Aber wie mir eben zumute ist, wenn Leute, die ich kenne, mich anrufen wegen einer Beerdigung z.B. Und ich würde es machen wollen - und auch wirklich gut können - und im Hinterkopf weiß ich auch um die totale Überlastung meiner Kolleginnen und Kollegen - und ich muss zu diesem Gemeindeglied "freundlich" sein und ihnen erklären, daß es jetzt leider nicht geht, weil ich krank geschrieben bin. Und ich muß etwas erzählen von "Erkältung"und "Grippe" und innerlich blutet mir das Herz. Weil ich diesen Dienst ja will und auch tun will! Und eben trotzdem nicht mehr darin tun kann. Und auch aus formal-juristischen Gründen nicht mehr. Denn wenn ich mich als "dienstunfähig" geoutet habe, muß ich es nun auch sein! Auch dann, wenn ich es eben nicht bin.
Und wenn ich dem Mobbing hier irgendwie noch entkommen will, um nicht daran zugrunde zu gehen, dann muß ich - für mich selber - jetzt auch einfach hier weg. Und dieser Weg scheint jetzt darin auch der einzigste zu sein, wo ich noch irgendwie sozusagen "aktiv" sein kann und selber noch was (mit-) entscheiden kann, bevor ich hier völlig "verbraten" werde. Als "Ruheständler" kann ich wenigstens meinen Wohnsitz frei wählen - und der wird ganz bestimmt nicht hier sein und ich kann in einem anderen Umfeld die Grenze meines Lebens neu abstecken und darin auch selbst bestimmen -.
Ich weiß nicht, wem ich mich jetzt anvertraut habe....Aber wich würde mich trotzdem freuen, wenn jemand mit mir reden würde darüber. Und mir auch solidarisch zu seite stehen könnte. Denn das habe ich jetzt einfach "bitter" nötig."

Nachwort: Das ist keine aktuelle Situation, sondern sie liegt am Anfang der Aktivitäten von D.A.V.I.D.e.V. Ein Kontaktaufbau ist uns leider nicht gelungen. Im Internet war nichts zu finden. Auch heute taucht der Name der Verfasserin nirgendwo auf. Damals haben wir "Mobbing-Gottesdienste" gehalten und Teile des Briefes verlesen. Auch hier habe ich einzelne Sequenzen weggelassen, um eine Identifizierung zu verhindern.

Joringel


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RE: Aus der Arbeit von D.A.V.I.D.e.V. II

#8 von Panama , 05.02.2019 12:31

Vielen Dank Joringel für diese ergreifende Geschichte.
Vielleicht wäre es angebracht an dieser Stelle an folgenden Artikel zu erinnern:
Aus "Deutsches Pfarrerblatt" Heft 10/2014
von Traugott Schall (Dipl.-Psych. Dr. theol.):
Eine pastoralpsychologische Analyse: Ade, Freiheit der Verkündigung und Seelsorge!
Insbesondere der Absatz 5: Superintenden, Dekane, Pröpste als Risiko für Pfarrpersonen scheint mir besonders relevant zu sein.
Viele Grüsse
Panama

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Die Geschichte vom tapferen Pfarrer
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