Impressionen zur Jahrestagung 2017 Sondershausen

#1 von Achim , 12.11.2017 19:54

Liebe Mitglieder, Freunde und Interessierte,

tja, nun ist es gerade wieder vorbei, unser Jahrestreffen 2017 in Sondershausen/Thüringen. Es begann offiziell amFreitag den 10.11.2017 um 17.00 Uhr im Thüringer Hof mit der öffentlichen Vorstandssitzung unseres Vereins und endete heute am Sonntag gegen 12.30 Uhr mit unserer diesjährigen Hauptversammlung.

Es waren insgesamt 35 Teilnehmer aus allen Winkeln unserer Republik angereist und sogar ein evangelischer Pfarrer aus Warschau. Die Teilnehmerzahl setzte sich überwiegend aus Vereinsmitgliedern aber auch aus etlichen Gästen zusammen. Hier konnten wir insbesondere fünf "Neue" begrüßen, die ihre aktuellen Sorgen und Probleme im Gepäck hatten. Nach gemeinsamen Abendesssen haben wir uns zunächst kurz unseren Neuen gewidmet und anschließend ausführlich die Leidensgeschichte einer Pfarrerin dargestellt und untersucht, die sich schon seit rund drei Jahren als Pfarrerin in der "Ungedeihlichkeitsfalle" - neuerdings "nachhaltige Störung" genannt - befindet, bisher ergebnislos die kirchliche Gerichtsbarkeit in Anspruch genommen hat und nun ihre Hoffnung auf die Revisionsverhandlung setzt, auf deren Anberaumung sie seit Monaten hofft. Dieser Fall sollte uns exemplarisch zur Vorbereitung und Einstimmung auf den nächsten Vormittag dienen.

Denn für diesen Vormittag hatten wir einen ausgewiesenen Fachmann, nämlich Herrn Dr. Josef Schwickerath, als Referenten gewinnen können, der sich jahrzehntelang mit Mobbingopfern beschäftigt hatte, darunter etlichen aus der katholischen und evangelischen Kirche. Sein Thema lautete:

"Mobbing am Arbeitsplatz- erkennen, verstehen, gegensteuern - Erfahrungen aus der therapeutischen Arbeit mit Mobbingpatienten".

Schon zu allen unseren vorangegangenen Jahrestreffen hatten wir sachkundige Referenten zu unserem Thema eingeladen und zwar immer unter dem Gesichtspunkt, ob und wie diese den Mobbingopfern in unseren Reihen praktische Hilfe bei der Aufarbeitung aufzeigen können. Und nun Dr. Josef Schwickerath. Das Beste, was ich seit Jahren zu unserem Thema gehört habe. Ich stehe noch unter dem Eindruck seines Vortrags. Er hat die Entwicklung und die Ursachen der Mobbingsituation aufgezeigt. Er hat, für mich eine Sensation, vorgetragen, dass das typische Mobbingopfer sich über seinen Beruf identifiziert und ihm Distanz zu seiner Berufstätigkeit fehlt. Als ersten Punkt der Therapie schlägt er die Distanz zum Mobbingarbeitsplatz vor, also Krankmelden (Arbeitsunfähigkeit/Auszeit), als zweiten Schritt das "Erkennen" der Mobbingsituation und seiner Ursachen, es folgen noch Schritt drei und vier (Entscheidung treffen), und schließlich als Schritt fünf die Beantwortung folgender Frage:

"Wenn ich wüßte, wann mein Leben endet, wie möchte ich dann den Rest meines Lebens verbringen?"

Liebe Freunde, Ihr merkt schon, dass ich nicht so ganz sorgfältig protokolliert habe. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, läuft sein Therapiekonzept darauf hinaus, dass das Mobbingopfer eine neue Perspektive des Konflikts gewinnen soll.

Liebe Freunde, die Ihr dabei wart: Was habt Ihr mitgenommen?

Dr. Josef Schwickerath will uns per PDF noch das Konzept seines Vortrags übermitteln.

Der Samstagnachmittag war dann unseren "Neuen" und ihren Problemen gewidmet. Wir haben um jeden "Neuen" jeweils unter Moderation eines Vorstandsmitglieds eine Kleinarbeitsgruppe gebildet, in denen unsere Neuen sich und ihre Probleme umfassend vorstellen konnten. Anschließend kamen wir wieder im Plenum zusammen, die Moderatoren berichteten aus der jeweiligen Kleingruppenarbeit, wobei die "Neuen" ergänzend zu Wort kamen.

Nach gemeinsamen Abendessen trafen sich einige von uns zu gemeinsamen Gesängen im Tagungsraum. Ja, Ihr habt richtig gelesen: zu gemeinsamen Gesängen. Das hängt damit zusammen, dass wir in unseren Reihen zwei begnadete Gitarrenvirtuosen haben, die uns zu teilweise gar nicht so christlichen Gesängen motiviert haben.

Andere von uns trafen sich abends, um sich Sinn und Zweck der Dissertation unseres jüngsten Dr. theol. erklären zu lassen. Na ja, unser frisch gebackener Dr. theol. ist nach Lebensjahren nicht mehr der Jüngste und der von ihm jüngst erworbene Doktorhut ist auch schon sein zweiter.

Kurzum: nach Gesängen und theologischer intellektueller Kost trafen sich beide Gruppen im Restaurant zum Feierabendbier, wobei dann noch einige mehr oder minder gute Gespräche geführt wurden.

Der heutige Tag begann mit gemeinsamer Andacht, beindruckend von einem unserer Pfarrer unter Berücksichtigung der Tageslosung und unserer Themen vorbereitet.

Es folgte dann der "bürokratische" Teil, nämlich die vereinsrechtlich vorgeschriebene Jahreshauptverhandlung, in deren Verlauf vorrangig die erforderlichen Formalitäten abgewickelt wurden. Aber auch die Frage, wo die die nächste Tagung stattfinden soll, behandelt wurde. Es steht der Vorschlag im Raum, die nächste Jahrestagung in Erfurt abzuhalten und zwar in einem Tagungszentrum, das ursprünglich als Kloster diente und in dem Luther lebte. Sondershausen oder Erfurt?

Das eingeholte Stimmungsbild ergab eine knappe Mehrheit für Erfurt. Der Vorstand wird sich damit beschäftigen. Unser polnischer Gast - und mittlerweile unser jüngstes Vereinsmitglied - lud uns für das nächste Jahrestreffen nach Warschau ein! Allgemeine Überraschung und Freude! Wird für 2019 geprüft!

Soweit mein erster Bericht. Alle anderen sind herzlichst eingeladen, ihn zu ergänzen, zu berichtigen und überhaupt zu kommentieren.

Es war, wie auch in den Jahren zuvor, ein gelungenes "Familientreffen", bei dem wir dieses Jahr etliche neue Familienmitglieder aufgenommen haben. Und wenn mich nicht alles täuscht, haben sich unsere "Neuen" auch angenommen und in unserem Kreis heimisch gefühlt.

Euer

Achim


Gemeinsam sind wir stark!

 
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RE: Impressionen zur Jahrestagung 2017 Sondershausen

#2 von Joringel , 13.11.2017 12:28

Lieber Achim,

vielen Dank für Deinen Bericht. Du bist wirklich sehr schnell. In Bezug auf den Vortrag von Dr. Schwickerath kann man natürlich einiges ausführen. Ich habe darin einen systemischen Ansatz gesehen. Das heißt, es wird nicht nur die Situation des einzelnen Betroffenen betrachtet, sondern das gesamt Umfeld und in welchem Bezug es zu einander steht. Für Arbeitnehmer im kirchlichen Bereich, z.B. Priester und Pastoren, gilt besonders, dass ihr Wirkungsfeld in einer pathogenen Struktur eingebetet ist, weil hier Anspruch und Wirklichkeit oft in einem krankmachenden Kontrast stehen. Außerdem rät er präventiv das Drei-Säulenmodell im Blick zu behalten. Diese drei Säulen der seelischen Gesundheit sind: Arbeit, Freizeit, Familie bzw. private Beziehungen. Wenn nur eine Säule wankt, ist der Betroffene gefährdet zu erkranken. Eine der häufigsten Krankheiten in diesem Kontext sind Depressionen nach Mobbing , die sie/ihn in die Isolation treiben. Belastend sind auch unerfüllbare Hoffnungen. In aller Regel sind Mobber "empört", wenn man sie mit diesem Vorwurf konfrontiert. Die große Sehnsucht nach Rehabilitation oder nach einem würdigen Abschied vom Arbeitsplatz bleibt in der Regel für die von Mobbing betroffenen unerfüllbar. In dieser Situation der tiefen Depression und Enttäuschung darüber, dass Menschen anderen so etwas antun, stellt Dr. Schwickerath die berühmte Frage, nach dem Rest des Lebens, der Wegstrecke vor dem Tod. "Wenn ich wüßte, wann mein Leben endet, wie möchte ich dann den Rest meines Lebens verbringen?" Damit wird der Blick aus der Endlosschleife der Traurigkeit radikal in einen zu gestaltenden Freiraum der Zukunft gelenkt. Dr. Schwickerath vergaß nicht den Hinwies auf den berühmten Psychologen Viktor Frankl, der dieses Konzept der Sinnfindung nach den härtesten selbst erlebtenLeiderfahrungen durch andere Menschen entwickelt hat. Sein Buch "Man’s Search for Meaning", (amerikanische Ausgabe seines Buches) oder deutsch " … trotzdem Ja zum Leben sagen", wurde 9.000.000 Mal verkauft – die Library of Congress nennt es one of the ten most influential books in America.

Es grüßt Joringel


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RE: Impressionen zur Jahrestagung 2017 Sondershausen

#3 von Achim , 13.11.2017 13:26

Vielen Dank, lieber Joringel,

dass Du Schwickeraths Vortrag eingehender referiert hast.


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RE: Impressionen zur Jahrestagung 2017 Sondershausen

#4 von Nemo , 14.11.2017 18:12

Da wir nie wissen, wann unser Leben endet, meine ich die Frage anders zu erinnern:
Was will ich mit der mir noch zur Verfügung stehenden Lebenszeit, die eines Tages zu Ende sein wird, anfangen?
Ich ergänze aus Psalm 90,12:
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

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RE: Impressionen zur Jahrestagung 2017 Sondershausen

#5 von Theo , 19.11.2017 20:58

Hallo Ihr DAVIDler,

ich bin zwar ein wenig spät dran, möchte aber unbedingt noch meine Eindrücke vom Jahrestreffen 2017 anbringen. Bin schon seit einigen Jahren DAVID-Mitglied, war jetzt aber zum ersten mal Teilnehmer des Jahrestreffens und zuvor ein wenig unsicher, weil ich bisher noch niemanden persönlich kannte. Ich möchte an dieser Stelle allen anderen Teilnehmern des Treffens danken, die mich als Neuen sofort angenommen haben. Und dankbar bin ich auch, dass ich für mein sehr spezielles Problem aufmerksame Zuhörer gefunden habe. Mir ist klar geworden, dass ich mit meinen Problemen nicht allein dastehe.

Gott behüte uns!

Theo

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RE: Impressionen zur Jahrestagung 2017 Sondershausen

#6 von Prediger , 05.12.2017 18:35

Nun komme ich endlich dazu, auch noch einen Satz zur Tagung in Sondserhausen loszuwerden. Es soll ein Dankeschön sein, an alle, die dabei waren. Es ist so gut, einen Ort zu haben, wo man verstanden wird. Allein schon dafür muß es DAVID geben, damit Leute, die Mobbing erlebt haben, nicht allein bleiben müssen. Die erlebte Solidarität macht es möglich, die schlimmen Erfahrungen zu überstehen und am Ende noch mal neu durchzustarten. Das kannst du schließlich nur, wenn du weißt, daß du nicht der Versager oder gar Verbrecher bist, als den die Mobber dich zu stempeln suchen. Und das kann man sich, wenn man unten ist, nicht selber sagen.
Und ich finde es ganz wichtig, nicht nur im Forum zu lesen, daß es anderen auch so geht. Ich brauche die persönliche Begegnung und den Austausch. Das ist durch nichts zu ersetzen. Darum freue ich mich schon auf die nächste Tagung!

Euer Prediger

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RE: Impressionen zur Jahrestagung 2017 Sondershausen

#7 von hubertus76 , 12.11.2018 07:27

Ist zwar schon etwas älter dieser Post aber trotzdem danke fürs teilen! War bestimmt ein tolles Event! Vor allem der Ansatz mit den Mobbingopfern hat mir sehr gut gefallen!

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Wer am längeren Hebel sitzt. Bericht zur Jahrestagung von D.A.V.I.D., 9.-11.11.2018
Rückschau Jahrestreffen 2016 in Sondershausen

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