Bericht von der Jahrestagung 2019 von D.A.V.I.D. in Sondershausen
Vom Freitag, den 08. bis 10.11. 2019 trafen sich ca. 35 Mitglieder und Gäste des Vereins zur Jahrestagung im Thüringer Hof in Sondershausen. Das Essen war gut, die Hotelzimmer angenehm, der Tagungsraum ganz unter dem Dach war sehr ruhig, so dass wir ungestört tagen konnten.
Um 20 00 Uhr konnten wir die Teilnehmenden begrüßen mit einer großen Vorstellungsrunde. Etwa die Hälfte der Anwesenden kommt schon seit Jahren regelmäßig zur Tagung. Einige langjährige Getreue fehlten leider aufgrund ihres hohen Alters. Andere fehlten, weil sie andere Verpflichtungen hatten oder weil die Reise nach Sondershausen für sie zu anstrengend gewesen wäre. Es waren aber auch zahlreiche neue Gesichter dabei, die uns ihre schwierige Geschichte mit der Kirche erzählten. Am Ende einer solchen Vorstellungsrunde ist man ganz erschlagen von den vielen traurigen Erfahrungen, die Leute gemacht haben.
Einige Teilnehmer und Teilnehmerinnen gingen dann früh ins Bett, andere saßen bei Wein und Bier noch bis spät in die Nacht beim freundschaftlichen und ernsten Gedankenaustausch zusammen.
Am Samstagvormittag teilten wir uns auf in drei Arbeitsgruppen mit den Themen: a) erstmalig in einer Mobbing-Situation, b) Fall noch nicht abgeschlossen, c) Die Wunden schmerzen noch.
Ich war in der Gruppe c): In einer großen Runde tauschten wir miteinander aus und stellten übereinstimmend fest: Man kann seine Mobbinggeschichte nicht hinter sich lassen, weil andere Beteiligte und die Mobbing-Täter immer wieder nachtreten. Man behält auch die Verletzung der Seele wohl ein Leben lang in sich und bleibt immer auf besondere Weise verletzbar. Aber man braucht sich nicht in der Opferrolle zu verbarrikadieren. Es gibt ein Leben nach dem Mobbing. Wenn man sich neue Aufgaben und Lebensinhalte sucht, kann man sie finden. So war unser Gespräch durchaus ermutigend.
Im Plenum berichteten die Gruppen dann von ihren Gesprächen, so dass alle von allen hören konnten.
Am Nachmittag konnten wir drei Stunden mit Fr. Prof. Dr. Anneli Keil zusammen sein. Sie ist schon 80 Jahre alt, hat lange Jahre als Professorin für Sozialwissenschaften gearbeitet an der Uni Bremen und reist heute noch im Lande umher, um Vorträge zu halten. Sie hielt uns einen bewegenden Vortrag und antwortet dann auf Fragen. Daraus kann man hier aus der Erinnerung natürlich nur einige kleine Ausschnitte bringen:
Sie berichtet zunächst von Ihrer Kindheit, die gezeichnet war von den Wirren des Krieges.
So muss sie zusammenfassen: Niemand ist vor seiner Geburt gefragt worden, ob er geboren werden wollte. Man kann sich auch nicht aussuchen, von welchen Eltern, in welcher Zeit, in welcher sozialen Schicht und unter welchen Lebensumständen man geboren werden möchte. Wir finden uns wieder im Leben und müssen annehmen, was vorgegeben ist.
Gleichzeitig müssen und können wir jeden Tag viele Male entscheiden, wie wir damit umgehen und was wir aus dem Umständen machen, die wir vorfinden.
Das ganze Leben findet statt zwischen verschiedenen Polen, zwischen denen wir hin und hergerissen sind und zwischen denen wir unseren Weg finden müssen.
Dabei findet das ganze Leben in Beziehungen statt. Wir haben es als Mensch mit anderen Menschen zu tun, die uns fördern und die uns belasten.
So muss sie erzählen von dem belastenden Einfluss ihrer Mutter in ihrer Kindheit, aber sie kann auch berichten von dem positiven Einfluss eines Pastoren in ihrer Jugend, der ihre Begabung erkannt und gefördert und ihr Mut gemacht hat.
Das Thema Mobbing kennt sie. Sie kann sich vorstellen, dass es so etwas auch in der Kirche gibt. Denn es gibt Mobbing fast überall in der Gesellschaft. Aus eigener Anschauung berichtet sie von Mobbing an der Uni und von einem bedrückenden Konkurrenzkampf, der unter den Studierenden und unter den verschiedenen Wissenschaftlern herrscht.
Eindrücklich haften blieben mir zwei kleine Erzählungen:
Die Professorin kam in einem Kinderhospiz ins Gespräch mit einem Kind, das wusste, dass es bald sterben würde. Ihr konnte das Kind sagen, dass es keine Angst habe und zuversichtlich sei: "Ich glaube, dass ich dann in den Himmel komme. Aber das möchte ich den Eltern nicht erzählen, weil die sonst nur immer weinen müssen."
Ein Frau mittleren Alters, die zuhause ihre Mutter pflegt, ruft verzweifelt an bei einer Beratungsstelle: "Meine Mutter schlägt mich!" Die Beraterin kommt zu dem Schluss, dass eine Überforderungssituation eingetreten ist, die beendet werden sollte. Es kann für Angehörige auch legitim sein zu entscheiden, dass man die eigenen Eltern nicht pflegt.
So fasst Fr. Prof. Keil. zusammen: Wir müssen realistisch annehmen, was wir nicht ändern können. Wir dürfen aber mutig ändern, was wir verändern können. Die Kunst ist , das eine vom anderen zu unterscheiden.
Im Ganzen war die Zeit mit Fr. Prof. Keil erfrischend, aufbauend und Mut machend. Sie hat uns nicht nur angerührt durch ihre Gedanken, sondern auch durch ihre Lebenskraft und kämpferische Zuversicht, mit der sie zu uns geredet hat.
Nach dem Abendessen berichtete unser Rechtsanwalt Dr. Arndt noch eine Stunde lang von einzelnen Verfahren, in denen er Mobbingopfer vertreten hat.
Danach war noch einmal viel Zeit für Gespräche. Dennoch reichte der Abend nicht aus für alle Begegnungen, die man sich gewünscht hätte.
Am Sonntagmorgen feierten wir einen Gottesdienst, den ein Vorstandsmitglied vorbereitet hatte. Darin nahm die Geschichte vom Propheten Elia nach 1. Könige 19 einen zentralen Platz ein: Er war erschöpft von den Kämpfen mit den Gegnern Gottes, die er hinter sich hatte, und wollte am liebsten sterben. Und dennoch hat Gott ihn gestärkt, weil er ihn noch für neue Aufgaben brauchte. Eindrücklich war dann eine Symbolhandlung, bei der die Teilnehmenden sich gegenseitig brennende Lichter weitergaben.
Dann folgte die Mitgliederversammlung, in der der Vorstand des Vereins "D.A.V.I.D. gegen Mobbing in der evangelischen Kirche e. V." seinen Bericht gab.
Gegen Mittag sprach die Vorsitzende Fr. Prof. Kittel noch einen Reisesegen mit einem Zitat von Martin Luther aus der Vorrede auf die Offenbarung des Johannes.
Berichterstatter ist hier Turmfalke,
der sich über Kommentare und Ergänzungen im Forum freuen würde.
Herzliche Einladung jetzt schon zur nächsten Jahrestagung von Freitag, dem 13. bis Sonntag, den 15. November 2020 wieder im Thüringer Hof in Sondershausen.