Klage einer Gemeinde gegen Braunschweiger Landeskirche

#1 von turmfalke , 12.01.2016 11:09

Eben las ich folgenden Artikel:

Meldung beim epd ( Evangelischem Pressedienst) vom 08.01.2016

Gemeinde klagt gegen braunschweigische Landeskirche

Haverlah/Kr. Wolfenbüttel (epd). Die evangelische Kirchengemeinde Haverlah bei Salzgitter klagt gegen die braunschweigische Landeskirche. Die Gemeinde habe beim Rechtshof der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen mit Sitz in Hannover eine Verfassungsklage gegen die Strukturreform der Landeskirche eingereicht, teilte Rechtsanwalt Jochen-Konrad Fromme vom Kirchenvorstand am Freitag mit. Das Kirchenparlament hatte Ende Mai mit großer Mehrheit für ein Gesetz gestimmt, das die Kooperationen ihrer 389 Gemeinden verstärken soll.

Die Landeskirche teilte auf epd-Anfrage mit, sie respektiere die Entscheidung der Kirchengemeinde, den Beschluss gerichtlich überprüfen zu lassen. "Wir sind aber davon überzeugt, dass die Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den Strukturreformen getroffen sind, rechtlich korrekt sind", sagte Sprecher Michael Strauß. Die Reformen seien von den Leitungsorganen der Landeskirche zum Wohl der Kirchengemeinden und der Landeskirche getroffen worden. "Wir werden abwarten müssen, wie dies vom Rechtshof bewertet wird."

Fromme warf der Kirche vor, dass die Reformen einen Rückzug aus dem ländlichen Raum zur Folge hätten und die Arbeit der Pfarrer zentralisiert werde. "Dadurch wird der Abstand zwischen den Kirchenmitgliedern und der Kirche vergrößert, was die Austrittswelle beschleunigen wird." Im Bereich der Gemeindepfarrer würden Gelder gekürzt, während an hohen Verwaltungskosten nichts geändert werde. Vorschläge und Gespräche der Kirchengemeinde seien abgewürgt und ignoriert worden, so dass nur noch der Klageweg bliebe.

Strauß wies den Vorwurf zurück, dass die Verwaltung von Sparmaßnahmen ausgeschlossen werde. "Man kann keinesfalls davon reden, dass die Landeskirche auf den Schultern der Gemeinden spart und die Verwaltung ausnimmt." Seit Jahren gebe es Reformen in der Verwaltung, weitere Neuregelungen stünden noch aus.

Dem neuen Gesetz zufolge sollen sich in nächster Zeit in den 13 Propsteien Regionen bilden, die sich etwa an kommunalen Grenzen oder bisherigen Kooperationen orientieren. In diesen sogenannten "Gestaltungsräumen" arbeiten künftig drei bis sechs Pfarrer zusammen. Zur Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig mit rund 355.000 Mitgliedern gehören rund 390 Gemeinden zwischen Wolfsburg und dem Südrand des Harzes. (8245/08.01.16)

epd lnb cmo mil

Ich bin sehr gespannt, zu verfolgen wie dieser Rechtsstreit ausgeht. Es wird hier exemplarisch der Reformkurs rechtlich überprüft, der in fast allen Gliedkirchen der EKD seit ca 20 Jahren im Gang ist und der sich inzwischen nach Meinung der Kritiker als Fehler herausgestellt hat.

Die Frage ist nur, nach welcher Rechtsgrundlage hier entschieden werden soll. Die Reformen, gegen die geklagt wird, sind immerhin von den verfassungsgemäßen Gremien der Landeskirche mit großer Mehrheit beschlossen worden.

Wir sollten den Fall aufmerksam verfolgen.

Herzliche Grüße vom Turmfalken


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RE: Klage einer Gemeinde gegen Braunschweiger Landeskirche

#2 von Robin , 12.01.2016 18:52

Ja, so geht es überall zu. Das im Sommer erscheinende Buch "Kirche der Reformation?" (Titel wird vielleicht noch geändert) zeigt den beschriebenen Mechanismus auf und die zerstörerischen Konsequenzen dieser "Kirchenreform". In Brandenburg ist es übrigens Gemeinden gelungen, sich gerichtlich gegen Zwangsfusionierung und damit Aufgabe des rechtlichen Status zur Wehr zu setzen. Aber es hängt von der jeweiligen Kirchenverfassung ab, ob Kirchengemeinden damit Erfolg haben können oder nicht. Ich wünsche der klagenden Gemeinde das Beste.
Robin


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Die Kirche im Dorf lassen

#3 von wilfried , 13.01.2016 04:39

Zwar arbeite ich in Nordrhein-Westfalen, aber einen großen Teil meiner anderweitigen Zeit lebe ich in Sachsen-Anhalt.
Nun ist dort Kirchenmitgliedschaft weitaus weniger vertreten als im "Westen".

Das ständige Streichen von Stellen hat dazu geführt, daß ein Pfarrer sich auf sechs (und mehr!) Gemeinden und Kirchengebäude zu verteilen hat, ein Kantor hat gar, wenn ich ihn richtig verstanden habe, 16 ländliche Gemeinden zu betreuen.
Gut, "Kirche" hat in meinen Augen leider schon lange ihren Auftrag vernachlässigt und nun kommt eben die Quittung.

Es erscheint mir nur noch eine Frage der Zeit, wann Kirchen als zentrale, ortsbestimmende Gebäude im ländlichen Raum gänzlich aufgegeben werden.
Wenigstens die Gebäude als "Mitte des Dorfes" sollte man aber meines Erachtens erhalten, auch wenn "Kirche" fast keine Bedeutung mehr in unserer Gesellschaft zu haben scheint.
Persönlich bin ich bereit dazu, die Kirche in dem Dorf, wo ich mich sehr oft aufhalte, mit instand zu halten, sie notfalls sogar privat zu übernehmen, sie aber als öffentlichen Raum zu belassen.

Wenn wir die Kirchgebäude verkommen lassen, so sehe ich es, begeben wir uns unserer weltanschaulich-kulturellen Wurzeln.

 
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RE: Die Kirche im Dorf lassen

#4 von Joringel , 13.01.2016 09:05

Lieber Wilfried,

ich finde Deine Gedanken sehr ehrenwert, insbesondere, dass Du bereit bist, am Erhalt der Dorfkirche mitzuwirken oder sie sogar zu übernehmen. Aber ich sage Dir, die Kirche hat genug Geld! Und wenn die Gemeindeglieder selbst mit entscheiden könnten, was mit ihren Kirchensteuern und ihren Spenden geschieht, wäre die Situation nicht so krass wie sie heute ist. Auch könnte die Kirche intern einen Sonderfond für den Erhalt von Dorfkirchen einrichten oder eine generelle Partnerschaft mit dem deutschen Denkmalschutz initiieren. Ich finde, die EKD lebt und arbeitet zur sehr in fest gefahrenen Verhaltensmustern. Übrigens las ich in der Süddeutschen Anfang Januar, dass ein katholischer Bischof in Bayern jetzt solche Vorschläge gemacht hat, also über die Mitbestimmung der Gemeindeglieder über die Kirchensteuer. Vor 20 Jahren hat das einer aus unseren Kreisen laut im Rundfunk gesagt, das war natürlich ein "Querulant".

Es grüßt Dich
Joringel


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zuletzt bearbeitet 13.01.2016 | Top

RE: Die Kirche im Dorf lassen

#5 von wilfried , 14.01.2016 00:14

Hallo Joringel,


es ist mir schon bewußt, daß genug Geld da wäre.

Aber:
Was nutzt es, wenn der Wille nicht besteht, es an der richtigen Stelle anzulegen?

Eine Abstimmung würde an dieser Stelle wenig bringen, denn die örtliche Gemeinde ist winzig klein. Aber einen Versuch wäre es natürlich wert.

Eine Partnerschaft mit dem Denkmalschutz finde ich absolut wichtig; ich weiß von einem Ort in der Nähe, wo die Dorfkirche langsam zusammenstürzt; man hatte sie für einen Euro veräußert, um des Problems der Dachflächenerhaltung des Turms ledig zu werden; das Kirchenschiff ist bereits zur Hälfte eingestürzt. Das nenne ich "sich aus der Verantwortung stehlen".

Notfalls, wie gesagt, wäre ich bereit, die Kirche in dem Dorf, wo ich teilansässig gewotrden bin, zu übernehmen.
Ist auch nur ein Haus, wenn auch ein ziemlich großes ...

 
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