Richter di Fabio und das Lutherjahr

#1 von Robin ( gelöscht ) , 05.03.2014 11:26

Liebe Leute! Der vielen abberufenen Pfarrern und Pfarrerinnen durchaus bekannte ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht mit Namen Udo di Fabio (katholischer Konfession) ist nun von einem EKD-Gremium zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats für das Lutherjubiläum 2017 gewählt worden. Offenbar hat die Evangelische Kirche keine eigenen Theologen mehr.Richter di Fabio und das Reformationsjubiläum.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Die Zeitungsnotiz darüber finden Sie im Anhang. Doch möchte ich Interessierte auch auf die entsprechende Rubrik in der Home-Page www.david-gegen-mobbing.de hinweisen. Hier unter den Überschriften "Die gegenwärtige Rechtslage>/Dokumente zur Rechtslage/ Gerichtsurteile" finden Sie das im Jahr 2008 unter die Fabio ergangene Urteil, in dem die weltlichen (!) Verfassungsrichter kurzer Hand ein neues Kriterium für die "Bewährung" eines Pfarrers oder einer Pfarrerin in ihrem Pfarrdienst aufstellen. Sollen wir diese "Theologie" der damaligen Verfassungsrichter und also auch eines di Fabio akzeptieren? Der Apostel Paulus nennt im ersten Korintherbrief 4,2 einen anderen Maßstab!
Robin

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RE: Richter di Fabio und das Lutherjahr

#2 von Joringel , 05.03.2014 16:06

Ja, das Netzwerk funktioniert. Hier Schotten dicht für Klagen betroffener Pfarrer, dort ein hübsches Pöstchen für den ehemaligen Verfassungsrichter. Ich denke schon, dass wir dagegen halten sollten - doch wer könnte es besser als Du?
Herzliche Grüße
Joringel


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RE: Richter di Fabio und das Lutherjahr

#3 von Robin ( gelöscht ) , 06.03.2014 22:47

Ja, Robin ist tätig geworden und hat auf Bitten von Friedhelm Schneider hin einen Kommentar für die "Wort-Meldungen" zum Thema geschrieben. Eigentlich müsste ein entsprechender Text auch in das Deutsche Pfarrerblatt.
Hier Robins Text (wer will, mag ihn weiter verbreiten):


"Kirche der Reformation?

In der Kirchenzeitung UK Nr.10/ 2. März 2014 S.3 ist zu lesen, dass der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio, katholischer Konfession, zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirates "Luther 2017" durch ein EKD-Gremium gewählt worden ist. Hat denn die Evangelische Kirche keine eigenen Theologen mehr, die einem Beirat zur wissenschaftliche Vorbereitung des Lutherjubiläums 2017 vorsitzen können? Doch die Meldung ist von noch größerer Brisanz. Verfassungsrichter Di Fabio war im Jahr 2008 Vorsitzender der zweiten Kammer des zweiten Senats des Karlsruher Verfassungsgerichtes, das die Verfassungsbeschwerde eines Pfarrers aus dem Rheinland, der sich durch alle kirchlichen Gerichte durchgeklagt hatte, 1. überhaupt nicht zur Entscheidung annahm und 2. nachwies, dass bei der Anwendung des kirchlichen "Ungedeihlichkeitsparagraphen" auch "eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs 1 GG)" nicht gegeben sei. Denn ein Pfarrer, "der es nicht vermocht hat, tiefgreifende Spaltungen in einer Kirchengemeinde zu verhindern oder zu überbrücken", hat sich nach Meinung der Verfassungsrichter in seinem Amt "nicht bewährt" und kann daher sogar in den Wartestand und nachfolgenden Ruhestand unter Gehaltseinbußen versetzt werden.

Dieses erstaunliche Urteil ist auf der Home-Page des Vereins „David gegen Mobbing in der evangelischen Kirche“ (www.david-gegen-mobbing.de) unter der Rubrik "Die gegenwärtige Rechtslage/Dokumente zur Rechtslage/Pfarrdienstrecht - Gerichtsurteile" abgedruckt, ebenso eine Stellungnahme von Gisela Kittel unter der Überschrift: „Zur 'Theologie‘ der Verfassungsrichter“.

Es ist schon bemerkenswert, dass unsere Verfassungsrichter nun eben doch einen Schuldvorwurf gegen Pfarrpersonen erheben, die nach dem sog. Ungedeihlichkeitsparagraphen ohne den Nachweis irgendeiner Schuld aus ihren Gemeinden abberufen und in den Warte- und Ruhestand unter Gehaltseinbußen versetzt werden. Noch erstaunlicher aber ist das neue Kriterium, welches Herr di Fabio und seine Richterkollegen für die Bewährung evangelischer Pfarrer und Pfarrerinnen in ihrem Dienst im genannten Urteil aufstellten. Wer es nicht vermag, „tiefgreifende Spaltungen in einer Kirchengemeinde zu verhindern oder zu überbrücken“, hat sich in seinem Pfarrdienst „nicht bewährt“! Und Jesus? Hat er sich, der infolge der aufgerissenen Konflikte am Kreuz sterben musste, in seiner Sendung auch nicht bewährt? Und Paulus? Und Luther? Paul Schneider und all die anderen standhaften Zeugen Jesu Christi? Wer gibt den weltlichen (!) Verfassungsrichtern das Recht, derartige theologische Urteile zu fällen? Wie kommen sie zu einer solchen Kompetenzüberschreitung? Aber auf diese „höchstrichterliche Rechtsprechung“ berufen sich nun Oberkirchenräte und kirchliche Verwaltungsgerichte. Danach wird über den Dienst und die Existenzen von evangelischen Pfarrern und Pfarrerinnen entschieden. Und der damalige Vorsitzende Richter, der dieses Urteil zu verantworten hat, ist jetzt auch noch zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats für das Lutherjahr 2017 gewählt worden.
Kirche der Reformation? Nein! Die evangelische Kirche, wie sie uns heute vor Augen tritt, sollte das Lutherjubiläum lieber ausfallen lassen. Sie könnte es nur noch im Sinn der ersten Ablassthese als einen Anlass zur Buße und zur Selbtbesinnung begehen."

Robin

RE: Richter di Fabio und das Lutherjahr

#4 von Janchen , 07.03.2014 09:07

Zitat
In der Kirchenzeitung UK Nr.10/ 2. März 2014 S.3 ist zu lesen, dass der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio, katholischer Konfession, zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirates "Luther 2017" durch ein EKD-Gremium gewählt worden ist. Hat denn die Evangelische Kirche keine eigenen Theologen mehr, die einem Beirat zur wissenschaftliche Vorbereitung des Lutherjubiläums 2017 vorsitzen können?


Man stelle sich das einmal umgekehrt vor ..... aber soetwas von unmöglich. Aber vielleicht ist es auch als Anbiederung an die RKK zu sehen. Schließlich wollen "wir" das Reformationsfest gemeinsam feiern. Und das, obwohl uns der letzte Papst offiziell als Kirche nicht anerkannt hat (mir persönlich egal - Christsein hängt nicht von Institutionen oder Priestern ab).

In unserem evangelischen Hospiz ist die Leiterin auch katholisch. Umgekehrt völlig undenkbar.

Zitat

Es ist schon bemerkenswert, dass unsere Verfassungsrichter nun eben doch einen Schuldvorwurf gegen Pfarrpersonen erheben, die nach dem sog. Ungedeihlichkeitsparagraphen ohne den Nachweis irgendeiner Schuld aus ihren Gemeinden abberufen und in den Warte- und Ruhestand unter Gehaltseinbußen versetzt werden. Noch erstaunlicher aber ist das neue Kriterium, welches Herr di Fabio und seine Richterkollegen für die Bewährung evangelischer Pfarrer und Pfarrerinnen in ihrem Dienst im genannten Urteil aufstellten. Wer es nicht vermag, „tiefgreifende Spaltungen in einer Kirchengemeinde zu verhindern oder zu überbrücken“, hat sich in seinem Pfarrdienst „nicht bewährt“! Und Jesus? Hat er sich, der infolge der aufgerissenen Konflikte am Kreuz sterben musste, in seiner Sendung auch nicht bewährt? Und Paulus? Und Luther? Paul Schneider und all die anderen standhaften Zeugen Jesu Christi? Wer gibt den weltlichen (!) Verfassungsrichtern das Recht, derartige theologische Urteile zu fällen? Wie kommen sie zu einer solchen Kompetenzüberschreitung? Aber auf diese „höchstrichterliche Rechtsprechung“ berufen sich nun Oberkirchenräte und kirchliche Verwaltungsgerichte. Danach wird über den Dienst und die Existenzen von evangelischen Pfarrern und Pfarrerinnen entschieden. Und der damalige Vorsitzende Richter, der dieses Urteil zu verantworten hat, ist jetzt auch noch zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats für das Lutherjahr 2017 gewählt worden.

Kirche der Reformation? Nein! Die evangelische Kirche, wie sie uns heute vor Augen tritt, sollte das Lutherjubiläum lieber ausfallen lassen. Sie könnte es nur noch im Sinn der ersten Ablassthese als einen Anlass zur Buße und zur Selbtbesinnung begehen."



Dem ist nichts hinzuzufügen!

Außer ... Kirche der Reformation >>> Kirche der Freiheit. Freiheit von Jesus Christus inbegriffen.


Römer 1,17 ... Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie denn geschrieben steht: "Der Gerechte wird aus dem Glauben leben."


Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

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RE: Richter di Fabio und das Lutherjahr

#5 von Joringel , 08.03.2014 17:53

Hallo, Robin, Supertext. Nicht zu vergessen. Di Fabio sprach auch am Reformationstag in der Lutherkirche zu Wiesbaden 2008 anläßlich der Verabschiedung von Kirchenpräsident Peter Steinacker 2008. Zu dieser Zeit wurde Pfarrer Johannes Klinghammer mit übelsten Mitteln aus dem Amt der Petrusgemeinde in Langen gejagt. Die Klage vor dem Kirchengericht der EKHN verlief erfolglos, eine Revisionsinstanz gibt es nicht. Das Verfahren selbst spottete wohl jeder Beschreibung. Es war nur darauf ausgelegt, den "Verteibern" Recht zu geben. Rückhalt hatten sie durch die damalige Pröpstin, inzwischen im Ruhestand, die viele Beobachter als eine der hauptsächlich Verantwortlichen sahen. Der Gang zum Bundesverfassungsgericht wurde von Juristen sorgfältig vorbereitet, doch eine Dreierkommission entschied, die Klage erst gar nicht anzunehmen. Einer der Richter war Herr di Fabio. Und Kirchenpräsident Steinacker war vielfach angeschrieben worden, um auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen Antworten gab es nicht. Beziehungen pflegen, um eigene Privilegien zu wahren - den Eindruck hatten die Untestützer von Pfarrer Klinghammer schon damals. Und noch etwas - er hatte fünf Kinder, die aus der örtlichen Zeitung erfahren mußten, wass ihr Vater angeblich alles nicht kann (die Presse nahm nur kirchenkonforme Stellungnahmen an, ebenfalls der Hessische Rundfunk). Sozialverträglichkeit, das hat nie eine Rolle gespielt. Und noch ein Letztes - in der Gemeinde war Pfarrer Johannes Klinghammer sehr beliebt. Er nahm Seelsorge sehr ernst und besuchte Alte und Kranke. Viele dankbare Gemeindeglieder erschienen zu den Gemeindeversammlungen. Doch die Gesprächsleitung hatte eine Vertreterin der Kirche, entsendet von der oben schon erwähnten Pröpstin, die dafür sorgte, dass Herr Klinghammer sich gegen unwahre Behauptungen erst gar nicht wehren konnte.


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RE: Richter di Fabio und das Lutherjahr

#6 von turmfalke , 10.03.2014 16:23

Liebe Leserinnen und Leser des Forums!

Die Tatsache, dass der ehemalige Verfassungsrichter römisch-katholisch ist, erscheint mir in unserem Zusammenhang eine nicht ganz unwichtige Information zu sein.

Ich bin im Ganzen sehr ökumenisch eingestellt. Ich pflege ein gutes Miteinander zu meinen katholischen Amtsbrüdern. Und ich habe in den letzten Jahren immer wieder öffentliche Auftritte gemeinsam mit katholischen Kollegen gehabt. Die Bemühung um die Einheit des Leibes Christi ist mir ein selbstverständliches Anliegen.

Dazu gehört aber auch, dass wir zur Kenntnis nehmen, wie sehr die Römisch–katholische Kirche um ihr eigenes Selbstverständnis ringt und in Deutschland eine sehr schwierige interne Debatte führt um Grundsätze, die jahrhunderte lang als Selbstverständlichkeiten galten.

Deshalb müssen wir wohl festzustellen, dass die offizielle katholische Kirche kein Interesse an einer öffentlichen Debatte über den Artikel 140 unseres Grundgesetzes hat.

Darin ist ja geregelt, dass die Kirchen ihre internen Angelegenheiten selbstständig regeln können. Und das wird leider so verstanden, dass die Kirchen innerbetriebliche Gesetze beschließen und anwenden dürfen, mit denen sie ihren Mitarbeitern elementare Grundrechte wieder aberkennen können, die die Verfassung allen Staatsbürgerinnen und Staatbürgern zugesichert hat.

So wird in den evangelischen Kirchen begründet, dass der sogenannte „Ungedeihlichkeitsparagraf“ nach §§ 79 u 80 PfDG der EKD trotz großer Widersprüche zum Grundgesetz als verfassungsgemäß eingestuft wird. (Wir machen uns Gedanken darüber, ob es Zweck hat, dies noch einmal vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen):

Art 140 GG wird auch von der Römisch-katholischen Kirche herangezogen, um „Grundsätze“ ihres Dienstrechtes zu sichern, die in besonders gravierendem Masse die in den Artikeln 1 – 19 garantierten Grundrechte verletzen.

A) Die Regel, dass Frauen in der katholischen Kirche nicht geweihte Priesterinnen werden können, widerspricht ganz offensichtlich Art. 3 GG:

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. …
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. …

B) Sicherlich sind die Grundrechte unserer Verfassung auch verletzt durch den katholischen Grundsatz, dass Männer nur dann einen Dienst als geweihte Priester ausüben dürfen, wenn sie auf Ehe und Familie verzichten. Das Pflicht-Zölibat als Voraussetzung für die Ausübung des Priesteramtes in der römisch-katholischen Kirche ist zumindest eine Nötigung, die Art. 1, Art. 2, Art. 3 Satz 3; und vielleicht auch Art. 12 GG widerspricht. Gewiefte Verfassungsrechtler können das sicherlich noch klarer begründen.

Wenn das Verfassungsgericht für die evangelischen Kirchen beschließen würde, dass § 79 und § 80 PfDG der EKD geändert werden müssen, weil sie den Grundrechten der Verfassung nicht entsprechen, dann könnten kritische Kräfte innerhalb der katholischen Kirche das gleich für die Frauenordination und für das Pflicht-Zölibat einklagen. Auch dagegen wäre dann Art 140 GG kein „Schutz“ mehr.

Ob der damalige Verfassungsrichter Di Fabio sich von solchen Gedanken hat leiten lassen, wissen wir natürlich nicht und wir dürfen das auch nicht unterstellen.

Die Interessenlage ist aber deutlich. Und wir haben inzwischen gemerkt, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung in unserem Lande immer auch von den Kräfteverhältnissen innerhalb der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mitbestimmt werden.

Die Wahl von Richter Di Fabio zum Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirates für das Reformationsjubiläum ist in diesem Sinne fatal. Sie entspricht aber vermutlich der vorherrschenden Meinung in unserer Kirche. Man will bei der EKD nicht, dass das anstehende Jubiläum zu einer Verschärfung der konfessionellen Gegensätze zwischen den christlichen Kirchen im Lande führt. Man wünscht sich, dass gelten kann: „Es gibt nur einen Gott. Im Grunde genommen wollen alle Kirchen das Gleiche. Die Christen im Lande halten zusammen, um gemeinsam ihre Position in einer zunehmend entkirchlichten Welt zu wahren.“

Dass uns gleichzeitig wichtige Inhalte der Reformation verloren gegehen, soll vermutlich bewusst nicht so sehr betont werden.

Ich vermute aber, dass die öffentliche Debatte darüber dennoch geführt werden wird, weil die Menschen im Lande kritisch genug sind.

Viele Grüße! Euer Turmfalke

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RE: Richter di Fabio und das Lutherjahr

#7 von Robin ( gelöscht ) , 10.03.2014 21:25

Lieber Turmfalke!
Danke für Deinen langen Beitrag! Hast Du schon gehört, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor ca 1 Woche doch einen wichtigen Schritt in Richtung Neuauslegung des Artikels 140 GG gemacht hat? Dann lies die jüngste Pressemitteilung Nr. 17/2014 des Bundesverwaltungsgerichts (www.bverwg.de/presse/pressemitteilung). Sobald die Urteilsbegründung vorliegt, wird uns Achim dieses Urteil erklären. Ein klein wenig bewegt sich doch.
Herzlicher Gruß!
Robin

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RE: Richter di Fabio und das Lutherjahr

#8 von Robin ( gelöscht ) , 12.03.2014 19:05

Liebe Diskutanten!
Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts ist jetzt lesbar abgedruckt in der Rubrik über Mobbingfälle in der ev. Kirche. Dort findet momentan auch der Gedankenaustausch über die Einordnung des Leipziger Urteils statt. Dies nur zur Information.
Robin

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RE: Richter di Fabio und das Lutherjahr

#9 von turmfalke , 13.03.2014 14:52

Liebe Robin! 13.03.2014

Ich muss mich noch einmal melden. Inzwischen habe ich das Urteil des damaligen Verfassungsrichters di Fabio aus dem Jahre 2008 noch einmal gelesen.

Mit der Zeit werden wir Grenzgänger zwischen Jura und Theologie. Mir gefällt das nicht. Aber es muss wohl sein, solange uns verkappte theologische Entscheidungen verkauft werden, als seien sie die Frucht einer sauberen juristischen Argumentation:
Richter di Fabio ist also katholisch. Er hat aber Recht gesprochen in einer Angelegenheit des Dienstrechtes der evangelischen Kirchen. Es ist mir jetzt aufgefallen, dass er bei seiner Urteilsbegründung eigentümlich „katholisch“ argumentiert hat.
In dem ersten Abschnitt der Begründung des Urteiles von Di Fabio von 2008 ist deutlich ein hierarchisches Denken zu erkennen, das für das katholische Kirchenverständnis typisch ist:

„Die Abberufung eines Pfarrers bei Vorliegen eines Tatbestandes, der diesem die gedeihliche Führung seines Pfarramtes unmöglich macht, ist Ausdruck der kirchlichen Ämterhoheit. Mit der Regelung eines solchen Abberufungsgrundes, der sich von Verschuldensmerkmalen löst, erhält die Kirchenleitung ein Steuerungsinstrument, mit dem auf eine in einer Kirchengemeinde objektiv eingetretene Situation in effektiver und rascher Weise reagiert werden kann.… Insoweit ist dieser Abberufungstatbestand von sachgerechten Gründen getragen“
Nach katholischem Verständnis ist die Kirche unabhängig vom Staat aufgrund ihres geistlichen Wesens und nicht nur, weil das Grundgesetz die Trennung von Staat und Kirche festschreibt. Es ist nach katholischem Verständnis für die Kirche wohl typisch, dass sie ihre „kirchliche Ämterhoheit“ ausübt durch „ein Steuerungsinstrument, mit dem auf eine in einer Kirchengemeinde objektiv eingetretene Situation in effektiver und rascher Weise reagiert werden kann“, wie di Fabio schreibt. Bei der katholischen Kirche ist dies gegeben in der Autorität der bischöflichen Hierarchie bis hin zum Papst in Rom. Gut denkbar, dass sich da der katholische Verfassungsrechtler gedacht hat: Warum sollte es nicht „sachgerecht“ sein, wenn auch die Evangelischen Kirchen als „Steuerungsinstrument“ Gesetze wie den „Ungedeihlichkeitsparagrafen“ zur Verfügung haben.

Mein Kirchenverständnis - und damit verbunden mein Amtsverständnis als ev.-luth. Prediger - war bisher immer von der Augsburger Konfession geprägt, die für uns als wichtigste lutherische Bekenntnisschrift verbindlich ist. (Findet man im Anhang von jedem Evangelischen Gesangbuch). Nach den Artikeln CA 5 und CA 7 leitet sich der Auftrag zu unserem Predigtdienst nicht von der Kirche ab. Es ist vielmehr direkt ein Auftrag Gottes. Kriterium dafür ist die Bindung an das „leibhaftige Wort des Evangeliums“, also an die Heilige Schrift. Wir sind in unserem Predigtdienst also keiner hierarchisch geordneten Kirche unterworfen, es sei denn, wir verlassen die Grundlagen des Evangeliums von der Gnade Gottes, die wir allein aus Glauben annehmen dürfen. Kirche ist nach evangelischem Verständnis überhaupt nur dort vorhanden, wo „das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden“. Damit ist alles gesagt. Mehr braucht es nicht, um Kirche zu sein. Die Reformatoren haben also bewusst darauf verzichtet, der Kirche als Institution mehr Einfluss zuzuschreiben, als unbedingt notwendig. Deshalb wird mir eine Kirchenleitung immer suspekt sein, wenn sie glaubt ihren Predigern gegenüber Macht ausüben zu müssen.

Vielleicht hilft uns ja das Gastspiel des Katholiken Di Fabio dazu, unsere eigenen Bekenntnisschriften zum Lutherjubiläum wiederzuentdecken und sie ernst zu nehmen.

Absurder Gedanke: Vielleicht sollten wir mal beantragen, dass das Pfarrdienstgesetz der EKD von einem Kirchlichen Gerichtshof unserer Evangelischen Kirche darauf überprüft wird, ob es den Lutherischen Bekenntnisschriften entspricht. Doch nein! Lieber nicht! Dann müssten ja wieder Juristen über theologische Sachfragen entscheiden. Besser wäre schon ein Lehrzuchtverfahren!

Euer Turmfalke

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RE: Richter di Fabio und das Lutherjahr

#10 von Joringel , 14.03.2014 10:37

Lieber Turmfalke, ich finde Deine Gedankengänge sehr interessant. Vielleicht könntest Du Deine Analyse noch stukturierter in Form fassen und für das Schwarzbuch zur Verfügung stellen? Mit der Grenzüberschreitung von der Theologie zum Recht und umgekehrt habe ich nicht mehr so goße Probleme. Der Ruf nach Gerechtigkeit und auch die Ausgestaltung dessen, was Gerechtigkeit und Recht sind, ist doch eng mit der Theologie verbunden, zumindest habe ich einmal einen Vortrag diesbezüglich von einem Alttestamentler gehört. Und nicht nur das - auch der verstorbene Jurist Gotthold Gocht aus dem Vorstand von D.A.V.I.D.e.V. hat diesen Zusammenhang so gesehen. Es hat ihn tief geschmerzt, dass bei der kirchlichen Rechtsprechung, die oft als ausgesprochen zynisch erlebt wird, die Präambel der EKD negiert, ja, der Bezug darauf wohl belächelt wurde. Die Präambel - auch in der Rechtsprechung der Kirchengerichte als handlungsleitend angesehen - dürfte keine Urteile zulassen, die Menschen aus der Gemeinde vertreiben und zerstören:

Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Indem sie diese Grundlage anerkennt, bekennt sich die Evangelische Kirche in Deutschland zu dem Einen Herrn der einen heiligen allgemeinen und apostolischen Kirche.

Und in Art.3 der Grundordnung heißt es:

( 3 ) 1 Mit ihren Gliedkirchen bejaht die Evangelische Kirche in Deutschland die von der ersten Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen7. 2 Sie weiß sich verpflichtet, als bekennende Kirche die Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche zur Auswirkung zu bringen. 3 Sie ruft die Gliedkirchen zum Hören auf das Zeugnis der Brüder und Schwestern. 4 Sie hilft ihnen, wo es gefordert wird, zur gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre.
[/i]

Und fast jeder kennt wohl Art. 4 b der Barmer Theologischen Erklärung:

Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes.


Ich wiederhole mich, wenn solche Thesen in das Denken und Handeln der Kirchenämter einfließen würde, sähe der Umgang mit den Menschen, sei es als Tehologen, als Ehrenamtliche oder auch Mitarbeiter ganz anders aus.

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