Gute Erfahrungen

#1 von Joringel , 30.06.2016 12:09

Gestern Abend folgte Joringel der Einladung eines muslimischen Freundes und begab sich zum Fastenbrechen in eine marokkanische Moschee. Voller Stolz zeigte die muslimische Gemeinde ihr Gotteshaus - ein großer Mehrzweckbau mit orientalischen Stilelementen. Im Jahr 2004 konnte die Gemeinde das Grundstück erwerben. Sie bat weiter um Spenden sparte bis zum Jahr 2010 bis mit dem Bau begonnen werden konnte. Im Jahr 2014 wurde das Gebäude eingeweiht, aber noch nicht fertig gestellt. Vieles wurde und wird noch in Eigenarbeit geleistet. Stolz stellte sich mir ein Fliesenleger vor, schmal wie ein Handtuch, der alle Arbeiten in der Moschee übernommen hatte. Das Gebäude besteht aus einem großen Moscheeraum mit einer Empore für die Frauen. Derzeit ist eine große Glaskuppel in Arbeit, die den Blick zum Himmel freigibt. Sie kann vom Männerraum und auch von der Empore aus gesehen werden. Dann gibt es im Untergeschoss Sanitäranlagen, aber auch einen Raum zum Waschen von Verstorbenen. Seit wenigen Jahren hat die Ortsgemeinde dem Wunsch der Muslime entsprochen und ihnen einen Teil des benachbarten Friedhofes überlassen, wo Menschen muslimischen Glaubens gemäß ihren Riten beerdigt werden können. Am Übergang zwischen dem muslimischen und dem christlichen Teil pflanzten aus diesem Anlass die Vertreter aller Religionen gemeinsam einen Baum. Er soll den Stammvater Abraham symbolisieren.
Dann sah ich noch Kindergarten- und Schulräume. In den Schulräumen werden auch zweimal die Woche Flüchtlinge betreut. Die Gemeinde versucht auch zu helfen, wenn Alltagsdinge gebraucht werden. Da schaut man auch schon mal bei ebay nach, ob man mit kleinem Geld helfen kann. Samstags und sonntags werden die Kinder hier in Arabisch unterrichtet, damit sie den Koran in Arabisch lesen und die Predigt verstehen können. In der Gemeinde gibt es 180 Kinder und man konnte sehen, wie zu Hause sie sich hier fühlten. Allerdings wird jede Predigt (freiwillig) ins Deutsche übersetzt, damit alle Muslime, die nicht arabisch sprechen, den Text mitbekommen. Ferner wurde wir zu einem Schulungsraum für Frauen geführt. Hier saßen ca. 20 Frauen, die im Koran lasen, alle mit muslimischer Kleidung, ich fühlte mich ein bisschen wie in einem Kloster. Dann gibt es noch eine verhältnismäßig kleine Küche, mit riesigen Kochtöpfen, in der nur Männer wirkten. Die Frauen brachten später Backwaren. Der Gemeindevorsteher, ein tüchtiger junger Mann, beklagte, dass zuviel Zeit zum Geld sammeln gebraucht wird, anstatt dass man sich mit dem Gemeindeaufbau intensiver beschäftigen könne.
Es waren auch Vertreter der Ortsregierung und der Presse anwesend. Man kennt sich und umarmt sich herzlich. Die Reden waren geprägt von gegenseitigem Respekt und Anerkennung. Der Bürgermeister betonte, dass diese Gemeinde eine Bereicherung für die Gesellschaft sei.
Nach Reden und Gebeten in der Moschee fand das eigentliche Fastenbrechen in einem riesigen Raum statt, den man extra für Feierlichkeiten errichtet hat. Auch er ist noch nicht ganz fertig gestellt und die Möblierung und technische Ausstattung bescheiden. Aber alle waren zufrieden und glücklich. Die Kinder waren festlich gekleidet und trugen auch etwas vor, eine Art Sprechgesang, mehr geschrieen als gesungen und für meine Ohren nicht so erfreulich. Manche schrien sich die Seele aus dem Leib, andere schliefen schon im Stehen. Aber die Mütter waren stolz und glücklich wie überall auf der Welt und ermutigten ihre Kleinen. Mein Nachbar erzählte mir einen Witz: Zwei kleine Schweinchen irren verängitigt im Wald umher und zittern bei jedem Geräusch im Unterholz. Sie erstarren noch mehr als plötzlich ein großer Wolf hervortritt. Er grüßt die Schweinchen mit "Salem aleikum". "Wir haben Glück" rufen die Schweinchen "er ist Moslem."
Ich wurde fast von jedem persönlich begrüßt und eingeladen. Auch die Frauen kamen auf mich zu und freuten sich offensichtlich über Gäste. Es herrschte eine offene und herzliche Atmosphäre.
Alles das wird durch überwiegend ehrenamtliche Gemeindeglieder geleistet, öffentliche Zuschüsse gab und gibt es nicht. Eigentlich war mir der Weg für abends ein bisschen zu weit - aber jetzt sage ich: Er hat sich gelohnt. Ich habe einiges Überraschende gesehen und gelernt. Und mehr denn je hoffe ich, dass es uns gelingt friedlich miteinander zu leben.
Es grüßt Euch
Joringel


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zuletzt bearbeitet 30.06.2016 | Top

   

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