"Am 15.Nov. 1938, als der Schutt der Synagogen noch warm war, hatte sich in London eine Delegation des Council for German Jewry unter Führung des einstigen Hohen Kommissars für Palästina Lord Herbert Samuel mit dem britischen Premier Neville Chamberlain getroffen und vorgeschlagen, 5000 jüdische Kinder nach England zu bringen. Es sollten nur Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren aufgenommen werden, für deren Unterhalt die jüdisch-christlichen Hilfsorganisationen aufkommen würden. Als Zugeständnis an die britische Öffentlichkeit sollten die Flüchtlinge weder eine Arbeitserlaubnis noch staatliche Hilfe erhalten.
Chamberlain fand die Bedingungen akzeptabel. Das Kabinett und das Parlament stimmten zu. Auch die Mehrheit der Bevölkerung wollte den Kindern aus Deutschland Asyl gewähren. Da spielten Mitgefühl eine Rolle, religiöse Motive, der Wunsch, das Ansehen Großbritanniens in der Welt zu mehren, die Hoffnung, andere Länder, vor allem die USA würden nachziehen...
Am 8.Dezember hielt der frühere Premierminister Lord Baldwin eine Radioansprache zur Gründung des Lord Baldwin Fund for Refugees. Allein im ersten Jahr der Rettungsaktion hatte die britische Öffentlichkeit Geld- und Hilfsleistungen im Wert von 2,5 Millionen Pfund aufgebracht. Heute wären das mehrere hundert Millionen Euro. Am 1.Dezember 1938 verließ der erste Kindertransport mit 207 Kindern Berlin."
Beckhardt, Lorenz S.; Der Jude mit dem Hakenkreuz. Meine deutsche Familie. 2014 Aufbauverlag Berlin