"Die Dekane wurden nie gebändigt"

#1 von Panama , 13.05.2019 11:47

Manchmal lohnt es sich alte Artikel wieder zu lesen, einfach um zu sehen, ob wir mit unserer Thematik "Mobbing und Ungerechtigkeiten in der ev. Kirche" vorankommen. Ich denke z.B. jetzt an einen Artikel im DPB - Heft 10/2014 von Dr. Traugott Schall (Dipl.-Psychol. - Dr. theol.), den er für den Verein D.A.V.I.D. e.V. schrieb: "Ade, Freiheit der Verkündigung und Seelsorge!". Es lohnt sich den 5. Absatz noch einmal zu lesen: "Superintendenten, Dekane, Pröpste als Risiko für Pfarrpersonen".
Und dann fällt mir ein noch älterer kleiner Bericht ein, eine kleine epd-Meldung aus Württemberg aus dem Jahr 1991, ganz unauffällig, aber aussagekräftig: "Die Dekane wurden nie gebändigt". Ich zitiere:
"Evangelischer Dekan im Bereich der württ. LK zu sein hat offenbar seinen ganz besonderen Reiz, denn ein württ. Dekan hat in seinem Amt "einen wahrhaft atemberaubenden Freiheitraum" und der "Kirchenleitung ist es "nie gelungen" ihre Dekane "zu bändigen".... Es gibt "keine ungefügigere, eigenwilligere und individualistischere Gruppe in der Landeskirche als die der Dekane". Es sei der Landeskirche nie gelungen, sie zu bändigen.
Das sagte ein Dekan in seinem Abschiedsgottesdienst vor also knapp 30 Jahren.
Es ist in der Tat so: Dekane haben Narrenfreiheit und können mobben wie sie wollen.

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RE: "Die Dekane wurden nie gebändigt"

#2 von Sunny , 13.05.2019 11:59

Ich habe den Oberkirchenrat meiner Landeskirche über die Vorgehensweise ihres Herrn Dr. Dekan informiert bzw. wie er auf einen Missstand - nach meinen neusten Erkenntnissen eine Straftat die ihm mitgeteilt worden ist - eingegangen ist. Es ist NICHTS!!!!! passiert. Die Prälatin hatte nicht mal Interesse daran sich der Geschichte anzunehmen. Einzig und allein wurde mir eine befreundete Psychologin zum Reden angeboten. Eine Schande!
Ich übertrage das mal sehr krass - eine Frau die vergewaltigt wird wird geht zur Polizei... die Polizei denkt nicht daran den Straftäter zu belangen und die psychischen, seelischen und körperlichen Schäden des Opfers zu würdigen und angemessen darauf zu agieren - sondern speist die Frau mit einem Psychologen ab...

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RE: "Die Dekane wurden nie gebändigt"

#3 von turmfalke , 16.05.2019 16:37

Liebe Panama!

Dein Titel heißt "Die Dekane wurden nicht gebändigt." Gemeint ist natürlich in der Kirche die Mittlere Ebene: Die Leitung der Kirchenkreise.

Die Titel sind von Landeskirche zu Landeskirche unterschiedlich. Bei uns heißen die Dekane Superintent, in Schleswig-Holstein Probst.

Sie hatten in der Tat immer schon eine nicht unerhebliche Machfülle. Es ist eben im Nahbereich die Dienstaufsicht für Pastoren und kirchliche Mitarbeiterinnen.

Es gibt in diesem Amt - wie überall - gute und gefährliche Leute (Ich habe inzwischen in 40 Dienstjahren unter 10 verschiedenen Chefs oder Chefinnen gedient und kenne mich inzwischen ein wenig aus). Manche Superintendenten sind ausgesprochen aufmerksam, fair und kollegial. Wenn sie aber ihre Macht missbrauchen, passieren Geschichten so wie die, wegen denen es den Verein D.A.V.I.D. gegen Mobbing geben muss.

Das Bild hat sich allerdings in den letzten 20 Jahren verschoben. Die Dekane sind inzwischen von oben her "gebändigt" worden, also von den Kirchenleitungen.

Bischöfe und Landeskirchenämter nutzen die Superintendenten als ihren verlängerten Arm, um in den Gemeinden unpopulärere Umstrukturierungen und Sparbeschlüsse durchzusetzen. Und ich habe schon manchen Vertreter dieser Zunft erlebt, der deshalb meinte sich bei der Kirchenleitung beliebt machen zu müssen, in dem er versucht, die von oben befohlenen Einsparungs-verpflichtungen in einem vorauseilenden Gehorsam über zu erfüllen! Wer sich dem in den Weg stellt, wird dann als unliebsame Person an den Rand gedrängt oder aus dem Kirchenkreis entfernt.

Im Gegenzug haben die Kirchenleitungen das Amt der Mittleren Ebene scheinbar aufgewertet. Kleine Kirchenkreise sind zusammengelegt worden, so dass die Bezirke riesig groß geworden sind; Dekan oder Superintendenten sind deshalb heute fast alle vollhauptamtlich, d. h. sie brauchen nicht mehr nebenbei auch noch Konfirmandeuntericht zu geben (Das birgt die Gefahr in sich, dass die Leitungspersonen die Bodenhaftung verlieren. Ihre berufliche Wirklichkeit unterschiedet sich am Ende viel zu sehr vor der unterstellten Mitarbeiter); und ihre Gehälter sind angehoben worden, so dass sie jetzt deutlich mehr Geld bekommen als die Pastoren.

Das ist von den Pfarrervertretungen kritisiert worden mit der Begründung: Kirche soll keine Hierarchien ausbilden. Es gibt laut unserem Bekenntnis nur eine Ordination und damit auch nur ein geistliches Amt: Das der Wortverkündigung und Verwaltung der Sakramente.

Eine zu große Machtfülle von Leitungspersonen in der Kirche untergräbt vielmehr das Vertauen bei den Mitarbeitenden und beim "Kirchenvolk". Das kann auf dei Dauer nicht gut sein!

Viele Grüße! Turmfalke


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zuletzt bearbeitet 16.05.2019 | Top

RE: "Die Dekane wurden nie gebändigt"

#4 von Panama , 17.05.2019 10:53

Lieber Turmfalke,
die württ. epd-Meldung "Die Dekane wurden nie gebändigt" stammt zwar aus der Mottenkiste (1991), aber ich erwähne sie hier und jetzt aus guten Gründen. Der im Text namentlich erwähnte Dekan ist mir unbekannt, aber er hatte seinen Kirchenbezirk fast 14 Jahre geleitet und sprach offensichtlich aus eigenen Beobachtungen / Erfahrungen. Dass das Bild sich in den letzten 20 Jahren verschoben hat, ist sicher richtig.
Um aktuell zu sein: Gestern habe ich mir die neueste Ausgabe von der "Zeit" (16.Mai) gekauft. Das Thema "Kollegen / Führungskräfte" auf dem Titelbild ist bestimmt für viele hier im Forum interessant. Die S. 14 "Recht und Unrecht" hat als Titel: Emotionale Analphabeten. Mobbing ist zu einer gefährlichen Epidemie geworden." Natürlich geht es hier nur um Mobbing in Betrieben und Unternehmen. Mobbing in der Kirche hat ja ein eigenes Gesicht und das ist ja der Grund, weshalb es den Verein gibt...Aber lesenswert ist der Artikel trotzdem.
Liebe Grüße
Panama

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