Andacht für kommenden Sonntag

#1 von turmfalke , 28.02.2014 22:30

Liebe Leserinnen und Leser dieses Forums!

Selten hat mich das Leseprogramm eines Sonntags so sehr persönlich bewegt, wie bei diesem kommenden Sonntag „Esto mihi“. Und selten macht mich ein Leseprogramm als Prediger so ratlos.

Das Sonntagsevangelium steht bei Markus 8, 31 – 38: Nachdem Jesus auf dem Weg offen davon gesprochen hatte, dass er gekreuzigt werden wird und dass er dann vom Tod auferstehen wird, spricht er seine Jünger direkt an:

„Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich
und folge mir nach“.

Jesus wünscht sich also, dass wir Christen den beschwerlichen Weg, den er gehen muss, mit ihm gehen. In diesem Sinne ein Christ zu sein, ist offensichtlich nicht so bequem, wie wir es gerne hätten.

Mit dem Kreuz, das wir tragen sollen, ist vermutlich auch nicht nur die Last eines anstrengenden Alltags gemeint, oder die Leiden die manchem kranken und alten Menschen auferlegt sind. Gemeint sind schon die gleichen Gründe, die auch Jesus ans Kreuz gebracht haben: Die Bosheit von Menschen, Missgunst, Machtgier, Eifersucht, Rechthaberei, Willkür, Unzufriedenheit, Angst um Positionen, Verstrickung; die ganze Palette der Triebfedern, die Menschen dazu treiben, Anderen das Leben schwer zu machen. Jesus rechnet also damit, dass nach seinem Tod und seiner Auferstehung auch seine Anhänger gemobbt werden.

Dann fährt er fort:
„Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“

Damit will er doch sagen: Das müsst ihr auf euch nehmen, wenn sich etwas ändern soll in der Welt. Wer versucht, die ganze Welt für sich zu gewinnen, indem er sich immer nur anpasst; indem er versucht der allerbeste Freund von Allen zu sein; wer immer Allen nach dem Munde redet; wer sich immer wegduckt, wenn es schwierig wird, der verkauft seine Seele. Und der kann nicht mithelfen, wenn es darum geht, das Reich Gottes in dieser Welt zu bauen. Das wird am Ende dann auch nicht wirklich gut für ihn selber sein.

Und dann lese ich den eigentlichen Predigttext aus Jesaja 58, 1 – 9

Gott schickt den Propheten los zu einer mutigen Gerichtspredigt zum Schutz der Schwachen in dieser Welt, die ausgeliefert sind und sich nicht selber schützen können; die an der Bosheit von bösen Menschen leiden.

Der Prophet soll denen, die glauben, dass sie fromm sind, sagen:
Gott wird dein Gebet erst dann erhören und zu Dir sagen
„ "Siehe, hier bin ich", wenn du in deiner Mitte niemanden unterjochst
und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest!“

Wie erlebe ich meine Kirche heute? Von Kreuzesnachfolge ist nur wenig zu spüren. Es scheint das Ideal zu herrschen, dass ein Pastor dann eine gute Arbeit macht, wenn er so angepasst und unauffällig ist, dass er mit niemandem irgendeinen Konflikt hat. Dann fällt er auch seinem Landeskirchenamt nicht dumm auf und alle können zufrieden sein.

Was hätten sie wohl mit Jesus gemacht, wenn sie dabeigestanden wären, als er seine Predigt gehalten hat. Und was hätten sie mit Jesaja gemacht, wenn sie gehört hätten, wie er im Auftrage Gottes für die Mobbing-Opfer in dieser Welt Partei ergriffen hat. ( Entschuldigung! Jesus und Jesaja waren ja keine Pastoren. Sie hatten nicht als Kirchenbeamten ihrem Dienstherren die Treue geschworen. Wie konnte ich das vergessen.)

Es hilft nichts. Auch wir können da nicht mitmachen. Wir sollen den Weg mitgehen, zu dem Jesus aufgebrochen ist, auch wenn es anstrengend wird. Also Augen zu und durch mit dem alten Lied von August Hermann Franke: „Wir gehen an unseres Meisters Hand, und unser Herr geht mit.“ ( EG 394)

Aber was sage ich jetzt am Sonntag der Gemeinde, in der ich als Gastprediger sprechen darf. Die Leute dort kennen meinen Konflikt mit der Landeskirche nicht. Und sie sind vermutlich auch nicht Schuld an den schlimmen Dingen, die der Prophet beobachtet hat. Vermutlich sind die Meisten von Ihnen ebenfalls auf irgendeine Weise Opfer in dieser Welt und haben es nötig, dass man sie tröstet. Ich werde sie einladen, auch mit zu kommen auf den Weg hin nach Jerusalem.

Viele Grüße von Eurem Turmfalken

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RE: Andacht für kommenden Sonntag

#2 von Joringel , 01.03.2014 12:03

Lieber Turmfalke, sicherlich kann ich keine wirklich theologischen Gedanken ergänzen. Was mir wichtig wäre, dass aus dem Leiden nicht neues Leid für andere entsteht, in dem Sinne, dass man nun eine gute Gelegenheit wahrnimmt, um vielleicht andere mal ein bisschen zu quälen. Vielmehr sollte eine solche Erfahrung uns dazu befähigen, die Schmerzen anderer zu erkennen und diesen Menschen besser zu verstehen, also eine Art Umkehrschub in sich selbst zu bewirken. Das wäre das Ideal, das aber sicher sehr schwer zu verwirklichen ist.
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