Fazit eines leitenden Theologen bei seinem Abschied

#1 von turmfalke , 31.01.2019 19:54

Hallo Forumsgemeinde!

epd, sprich Evangelischer Pressedienst ist eine Agentur, über die u. A. die Kirchenleitungen Nachrichten für die Öffentlichkeit verbreiten. Darin fand dich heute diesen sehr aktuellen Beitrag:

epd am 29.01.2019

Leitender Geistlicher sieht Einbrüche im Kerngeschäft der Kirche

Bremen (epd). Die Bremische Evangelische Kirche muss sich nach Auffassung ihres scheidenden leitenden Theologen Renke Brahms (62) darauf einstellen, dass in Zukunft auch Kernbereiche kirchlicher und pastoraler Arbeit weniger gefragt sind. So sei in Bremen beispielsweise die Zahl der Bestattungen in den Jahren seit 2007 massiv gesunken, sagte Brahms vor den fast 140 Delegierten des bremischen Kirchenparlamentes, die am Dienstag zu Beginn einer neuen kirchlichen Legislaturperiode zur konstituierenden Sitzung zusammenkamen. Angesichts dieses Trends seien Ideen gefragt, um Menschen für Glaube und Kirche zu begeistern.

Brahms war über zwei Legislaturperioden in den vergangenen zwölf Jahren "Schriftführer" der Bremischen Evangelischen Kirche. Den Titel führt der leitende Geistliche der einzigen Landeskirche Deutschlands, die sich nur auf städtisches Gebiet erstreckt. Für eine weitere sechsjährige Amtszeit kandidiert er nicht. Die Nachfolge wird Ende März geregelt. Ab 1. Februar ist Brahms neuer theologischer Direktor der Evangelischen Wittenbergstiftung in der Lutherstadt Wittenberg, zunächst nebenamtlich, ab Sommer dann hauptamtlich. Brahms ist auch Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

2007 wurden Brahms zufolge in Bremen noch 3.134 evangelische Gemeindemitglieder kirchlich bestattet, 2018 waren es trotz einer älter werdenden Gesellschaft nur noch 1.700. Ein wichtiger Grund sei eine geringer werdende Kirchenbindung der Verstorbenen oder der Angehörigen, sagte Brahms. "Es zeigt sich aber, wie wichtig die Begleitung der Menschen durch Kontakte, Gruppen und Besuche ist, um die Bindung aufrecht zu erhalten." In Bremen seien ebenso die Zahlen bei Taufen, Konfirmationen und Trauungen zurückgegangen.

Das trifft auch auf die Zahl der Mitglieder in den derzeit 61 Gemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche zu. Zu Beginn der Amtszeit von Brahms waren es noch 236.000, aktuell sind es den Angaben zufolge rund 190.000. Diese Entwicklung sei vor allem auf die demografische Entwicklung zurückzuführen, erläuterte Brahms. Lange sei das nicht gleichbedeutend mit knapper werdenden finanziellen Mitteln gewesen. Doch: "Die Kirchensteuern sind im vergangenen Jahr zum ersten Mal zurückgegangen."

Angesichts zukünftig knapper werdender Ressourcen warnte Brahms deshalb vor innerkirchlichen Verteilungskämpfen und auch davor, Kernbereiche kirchlicher Arbeit gegen ein gesellschaftliches und politisches Engagement der Kirche auszuspielen. "Darin die richtige Balance zu finden, wird eine der großen Aufgaben sein", blickte er in die Zukunft. Insgesamt sieht Brahms die Notwendigkeit, dass evangelische und katholische Kirche in Bremen die Ökumene ausbauen und noch enger kooperieren, denn: "Zusammen sind wir noch etwa 50 Prozent der Bevölkerung. Das bleibt aber nicht so."

Bis zum 23. Mai besetzen die Delegierten des Kirchenparlamentes in mehreren Sitzungen Ausschüsse der Synode. Außerdem werden kirchenleitende Personen gewählt. (9237/29.01.19)
epd lnb sel bjs

Da braucht man eigentlich kaum noch etwas zu zu sagen. Aber Fragen darf man stellen: War das vorherzusehen? Was sind die Ursachen für einen solchen Einbruch der Erwartungshaltung bei den Kirchengliedern? Gibt es ein Mittel dagegen? Hat die Volkskirche angesichts dieser Perspektive überhaupt eine Chance zu überleben?

Mir fällt da manches ein. Aber eine schnelle umfassende Antwort habe ich auch nicht.

Viele Grüße!

Euer Turmfalke


turmfalke  
turmfalke
Beiträge: 610
Punkte: 1.980
Registriert am: 28.12.2013


RE: Fazit eines leitenden Theologen bei seinem Abschied

#2 von Joringel , 03.02.2019 18:32

Hallo, Turmfalke,

meiner Meinung nach müsste die Kirche sich erst einmal grundlegend selbst in Frage stellen, statt immer so weiterzumachen wie bisher und dem "Kerngeschäft" nachzutrauern.

Aber als aktives Mitglied von D.A.V.I.D.e.V. kann ich Hinweise geben, warum so viele Menschen das Interesse verloren haben. Nach meinen Erfahrungen wurden und werden Pastorinnen und Pastoren aussortiert, die Profil und Mut haben und hatten. Sie konnten Menschen gewinnen, die sich durch ihre Arbeit mit in den Gemeinden engagiert haben. Aber ihnen wurde, ebenso wie den Pfarrpersonen, ein Bein gestellt durch Menschen, die sich fast gar nicht am Gemeindeleben beteiligen oder die hochmütig verkündeten, dass sie alles besser wissen und können.
Die Kirchenleitungen orientieren sich immer am Mainstream. Sie schützen ihre Mitarbeiter und Ehrenamtlichen nicht, sondern lassen sie fallen wie kalte Kartoffeln. Die Kirchenleitungen haben sich auch nie systematisch und interessiert mit Gemeindekonflikten beschäftigt, um daraus zu lernen und am besten vorzubeugen, sondern immer je nach Gusto entschieden, Hauptsache, es läuft irgendwie geräuschlos weiter. Aus der Realität könnte man bestimmt vieles lernen.

Einmal habe ich versucht, mit meinen Fragen einen solchen, schlimmen Gemeindekonflikt zu ergründen und habe die ausgebooteten Aktiven befragt. Sie malten mir ein sehr liebevolles, wertschätzendes Bild von ihrem Pfarrer, der auf unsägliche Weise an den Pranger gestellt und dessen Wirken in der Gemeinde verunglimpft wurde. Ich fragte: "Was bedrückt Sie im Zusammenhang mit der derzeitigen Situation in der Gemeinde am meisten? Haben Sie die Chance der Kirchenleitung ihre Bedrückung mitzuteilen?....Teilt man Ihre Sorge um die Gemeinde? Wurden Ihnen Aktivitäten vorgeschlagen, die die Gemeinde befrieden können?

Antwort: Uns bedrückt am meisten, dass sich die Jugend jetzt abwendet. Mit so einer Kirche wollen die nichts zu tun haben. Und die ganze Gemeinde verläuft sich jetzt. Wir haben an eine Initiativgruppe XXX gegründet und an die Kirchenleitung geschrieben.. Wir möchten eine Gemeindeberatung vor den KV-Wahlen, wir sehen noch Ansätze für eine Befriedung und halten die für die künftige Zusammenarbeit wichtig.Doch der Herr XYZ hat uns an den DSV verwiesen. Für den sind wir weit weg. Wir fühlen uns mit unseren Sorgen allein gelassen. Seit Wochen tut sich nichts. Unsere einst so aktive Gemeinde siecht langsam dahin.

Kommentar überflüssig.

Joringel


Joringel  
Joringel
Beiträge: 1.150
Punkte: 3.895
Registriert am: 28.10.2013


   

Geburtsfehler bei der EKD 1946?
Wer brachte die AFD zum Laufen?

  • Ähnliche Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag
Xobor Forum Software ©Xobor.de | Forum erstellen
Datenschutz