SZ: Herr Puhl, reden wir über Geld. Soll man einem Obdachlosen,der in der Fußgängerzone oder der in der U-Bahn bettelt, Geld geben?
Dieter Puhl: Ja, geben Sie etwas.
Auch wenn offensichtlich ist, dass er es versaufen wird?
Die meisten Obdachlosen sind alkoholkrank. Die brauchen den Stoff, er ist lebenserhaltend. Wenn Sie zehn Alkoholerkrankte drei Tage lang einem kalten Entzug aussetzen, sind mindestens drei von ihnen tot.
Was passiert, wenn einer Papiere hat und Hilfe beantragt?
Deutsche Obdachlose können auch auf der Straße leben und Leistungen des Jobcenters beziehen. Das tun auch welche. Dazu ist eine Postanschrift nötig. Das kann auch die Bahnhofsmission sein. Obdachlose sind aber oft verschuldet. Nach drei Tagen kommt dann nicht nur vom Jobcenter Post, sondern von Inkassobüros. Und wenn Du dich in einer Wohnung anmeldest, kommt der Willkommensgruß von der Krankenkasse. Die schickt dann eine Beitragsrechnung für die letzten 12 - 15 Jahre - und zack hast Du 25000 Euro Schulden mehr am Hacken. Dann kommt wohl möglich schnell wieder die Räumung...
Warum wir man heute überhaupt noch obdachlos?
Dafür gibt es bei 100 Obdachlosen auch 100 verschiedene Gründe. ..
Wird sich das Problem der Obdachlosigkeit im reichen Deutschland verschärfen?
Ja, weil das größte soziale Problem in Deutschland das Wohnen ist. ...
Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Die Zahl der Obdachlosen hat dramatisch zugenommen, jedenfalls hier in Berlin. Vor knapp einem Jahrzehnt hatten wir in der Stadt zwischen 800 und 1000 Obdachlose, jetzt sind es geschätzt zwischen 8.000 und 10.000. Darunter freilich sind immer mehr zugewanderte Obdachlose.
...Bei uns klafft jedes Jahr eine Lücke von mindestens 100.000 Euro.
Und wie schließen Sie die?
Wir bekommen nicht nur Kleider oder Toilettenartikel für unser Hygienecenter, in dem sich unsere Gäste duschen und waschen können. Die Bahnhofsmission wird auch unterstützt durch Menschen, die regelmäßig und mehrmals im Jahr zwischen 5 und 100 Euro spenden. Das hilft sehr, egal wie hoch die Spende ist. Unlängst hat das Landeskriminalamt € 4,20 vorbei gebracht. Die stammten von zwei toten Obdachlosen. Davon habe ich ein Pfund Kaffee gekauft. Da kriege ich 600 Tassen raus. Wenn man so will, haben zwei verstorbene Obdachlose 600 lebende Obdachlose zu einer Tasse Abschiedskaffe eingeladen.
Das ganze Interview steht in der SZ vom 07.07.2017
Wenn jemand Zuhause Decken oder Schlafsäcke in seinen Schränken stapelt, die er nicht mehr gebraucht, die aber zum Wegschmeißen zu schade sind... Herr Puhl nimmt sie gerne, einfach hinschicken. Auch Herrenunterwäsche, sie kann alt und altmodisch sein, aber sauber, damit die Obdachlosen nach dem Duschen auch etwas Sauberes zum Anziehen haben. Kann man verstehen oder..? Aber wer vertieft sich schon gern selbst in solche Verhältnisse? Im Grunde wollen wir immer, das unsere Hilfe funktioniert
, aber die anderen, wo nichts mehr funktioniert, sind auch noch da und hungern und frieren im Winter.