Ihr erinnert Euch, Joringel versucht einer Flüchtlingsfamilie bei der Eingliederung zu helfen. Er beobachtet erstaunliche Entwicklungen. In öffentlichen Diskussionen kommt meistens das Sorgenvolle zum Vorschein. Hier sehe ich bei einfachen Menschen das Glück der Freiheit. Besonders bei den Kindern bzw. Halberwachsenen. In den Slums von Teheran trauten sich die Töchter kaum vor die Tür, hier fühlen sie sich sicher und blühen sichtlich auf. Die 14-jährige N. darf nach einem halben Jahr Deuschtunterricht (!) probeweise das Gymnasium, 8. Klasse besuchen. Jetzt muss sie mit ihrem kümmerlichen Englisch klar kommen und dazu noch Französisch lernen. Jammern - ein Fremdwort, denn sie will es unbedingt schaffen: "Joringel, kannst Du auch Französisch?" Ein Freudenschrei, als ich bejahe, und schon geht es los. Grammatik, Aussprache, Vokabeln, Unterschiede zum Englischen.
Und dann die bange Frage: Kannst du morgen wieder kommen? Ich habe noch so viele Fragen...." Am nächsten Tag - Ethik. Im Lehrbuch steht nach einem gewissen Vorlauf das Gleichnis des Samariters. Die Frage (Hausaufgabe) lautet: Mit welchem platonischen Begriff der Liebe bezeichnest Du, was in dieser Geschichte geschieht?" Unser Teenager weiß weder, was Platon bedeutet, noch Philosophie, noch versteht sie die Geschichte. Also erst einmal ein kleiner Rückblick in die Geschichte mit Betonung der Bedeutung Griechenlands für unsere Kultur (Zwischenfrage: Was ist Kultur?), dann Begriffserklärung (Eros, Philia, Agape), dann Analyse des Gleichnisses. Joringel zweifelt an sich. Hoffentlich rede ich nicht zuviel, denkt er. Sie schaut mich immerzu konzentriert an. Dann kommt die Rückmeldung. "Ja, das habe ich verstanden." Mal sehen, was ich demnächst noch alles in meinem Kopf wieder finden muss.
Es grüßt Euch
Joringel