Lieber Cezanne!
Grundsätzlich muss jeder Einzelne für sich entscheiden: „Will ich kämpfen, oder will ich mich zurückziehen?“ Wenn Du sagst, dass du weitermachen willst, dann ist es gut. Du hast meinen vollen Respekt dafür. Wenn Du irgendwann einmal sagen solltest: „Nun ist es genug! Ich suche nach anderen Wegen, um zufrieden zu sein“ , dann wirst du diesen vollen Respekt behalten.
Danke, dass Du uns Deine Geschichte erzählst! Was du da beschreibst, ist wirklich unglaublich:
Es war eine grobe Verletzung Deiner Rechte, Deinen Rechtsanwalt, dessen Beistand Dir zusteht, aus der Verhandlung auszusperren. Wer so etwas in Deutschland macht, verliert seinen Prozess allein schon wegen diesem groben Verfahrensfehler. Ein Beispiel dazu ist dokumentiert im Buch von David: „Berufung Rufmord Abberufung“ auf Seite 38 im Fall Steimke.
Ich weiß leider nicht, ob ich Dich in allem richtig verstanden habe, u. A. weil ich die Bezeichnungen der verschiedenen Institutionen in eurer österreichischen evangelischen Kirche nicht kenne.
So bleiben weitere kritische Fragen:
Wie ist es mit der Gewaltenteilung in eurer Kirche bestellt?
Richtig wäre es nach meinem Verständnis so: Die Kirchenleitung ist die Exekutive. Sie trifft eine Verwaltungsentscheidung. Ein Kirchengericht ist die Judikative. Es überprüft die Entscheidung der Exekutive und hat die Vollmacht, die Verwaltungsentscheidung wieder rückgängig zu machen. Dazu muss das Gericht von der Kirchenleitung unabhängig sein. In Deutschland sind die Vorsitzenden Richterinnen und Richter der Kirchengerichte Profis, die im Hauptberuf an weltlichen Gerichten hochrangige Positionen bekleiden.
Nach meinem Verständnis gehört die Versetzung in den Wartestand in den Bereich der Verwaltungsentscheidungen.
Nach meinem Verständnis müsste aber der Disziplinarausschuss einer Kirche so unabhängig sein wie ein Gericht selbst. Er entscheidet schließlich über das berufliche Schicksal von Menschen. Der Kirchenleitung kommt nur die Rolle des Klägers zu. Dazu kann und muss sie aber eine Voruntersuchung machen, deren Ergebnisse sie bei der Verhandlung vortragen kann. Entscheiden darf nur ein unabhängiges Gericht. Hab ich das so richtig verstanden?
Wenn eine klare Gewaltenteilung im kirchlichen Justizbetrieb nicht gewährleistet sein sollte, dann müsste dir trotz aller kirchenfreundlichen Artikel in eurer österreichischen Verfassung ein Recht auf Schutz durch die öffentlichen Gerichte zustehen. Sonst wäre die kirchliche Rechtsordnung verfassungswidrig.
Wie streitbar ist dein Rechtsanwalt?
Kann es sein, dass er bei dem ganzen Prozess zu wenig Geld verdient? Wir haben neulich einmal hier im Forum, weiter unten im Unterforum der Juristen, über die Frage der Anwaltshonorare diskutiert (siehe unten). Wenn man eine Rechtsschutzversicherung hat, dann sollte man vielleicht überlegen, ob man zunächst eine Streitwertklage anstrengen kann, um eine angemessene Bezahlung des Rechtsbeistandes zu gewährleisten.
Habt ihr in eurer Kirche eine funktionierende gewählte Pfarrervertretung (so ähnlich wie einen Betriebsrat), die bei eurer Kirchenleitung vorstellig werden könnte, um Druck zu machen?
Hat das Revisionsgericht, das dich von den Vorwürfen freigesprochen hat, eine Frist gesetzt, bis zu der die untere Instanz das versäumte Ermittlungsverfahren nachholen muss? Auch wenn keine Frist genannt sein sollte, gibt es sicherlich Obergrenzen, die für einen solchen Vorgang angemessen und üblich sind. Vielleicht kann Dein Rechtsanwalt Dir da etwas sagen aufgrund seiner Erfahrung oder aufgrund von Musterprozessen. Möglicherweise könnt Ihr euch mit einer Beschwerde noch einmal an die Revisionsinstanz wenden. Die könnte dann vielleicht die untere Instanz dazu veranlassen, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt weitere Ergebnisse der Recherche vorzulegen: Sonst endgültige Entscheidung der Revisionsinstanz nach bisher vorliegender Aktenlage und damit als Rechtsfolge Aufhebung des Wartestandes.
Vermutlich musst Du aber davon ausgehen, dass Deine Prozessgegner, und das ist dann wohl auch die Kirchenleitung, sich nicht aus Verantwortungsbewusstsein oder Freundlichkeit von alleine bewegen werden. Es sei denn, sie wird dazu gezwungen. Es gibt eben auch ein Mobbing, das von Ämtern selbst veranstaltet wird.
Mehr Ideen hab ich nicht. Ich bin auch kein Jurist. Vielleicht kann unser Dr. Achim als Fachmann Dir noch etwas raten. Der ist jetzt wieder da, aber er will natürlich auch seinen Feiertag genießen.
Wenn Du mir hier im Forum antworten willst, dann achte bitte darauf, dass möglicherweise der Gegner mitliest. Das soll er ruhig!!! Aber manches gehört nicht in die Öffentlichkeit. Das könnte Dir sonst schaden. Du kannst mir also auch – oder zusätzlich eine „private mail“ schicken, indem du im Forum auf meinen Forumsnamen Turmfalke klickst. Da können wir uns auch zu einem Telefontermin verabreden.
Bleib mutig! Viele Grüße! Turmfalke