Liebe Sunny!
Ich hatte auch ein ganz merkwürdiges Gefühl, als ich in diesen Tagen mehrfach die Gesichter von hochrangigen Kirchenoberen auf dem Bildschirm sah. Zu Ostern in der Corona-Krise war ja zu erwarten, dass sie sich mit Gottesdiensten und Interviews im Fernsehen zu Wort melden.
Bedford-Strohm habe ich zweimal erlebt: Einmal im langen Interview am Karfreitag bei Ingo Zamperoni spät in den Tagesthemen. Was er sagte, war sachgerecht, aber er redete so schnell und machte einen so gehetzten und hilflosen Eindruck, dass ich mir dachte: Der arme Kerl! Durch seine schlechte Ausstrahlung macht er wieder kaputt, was er mit seinen Inhalten aufzubauen versucht. Und dann hatte er als Ratsvorsitzender der EKD am späten Samstag Abend das "Wort zum Sonntag" zusammen mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz der Katholiken. Da war er wie ausgewechselt, ruhig, gesammelt, präzise, in seinen Formulierungen inhaltlich hilfreich. Vermutlich haben ihm seine Berater geholfen, wieder ruhig zu werden.
Du bist von ihm enttäuscht, weil er Dir nicht geantwortet hat auf deinen persönlichen Brief. Ich versteh dich. Aber was willst du erwarten? Solche Leute erhalten viele Briefe. Da bleibt vielleicht mal was liegen. Oder du bekommst irgendwann eine nette aber nichts sagende Antwort, die irgendein Mitarbeiter stellvertretend geschrieben hat.
Wir sollten da nicht zuviel erwarten. Bedford-Strohm kenne ich nicht persönlich, aber machen anderen großen "Kirchenfürsten" in meinem Bereich im hohen Norden. Ich bin inzwischen überzeugt: Es sind auch nur Menschen, mit ihren kleine und großen Fehlern, Schwächen, Eitelkeiten, Ängsten und vielleicht auch Süchten. Sie retten die Welt nicht aus ihrer Position heraus und das wissen sie auch.
Deshalb gelten ja in der evangelischen Kirche auch zwei Grundsätze:
a) Es soll bei den Geistlichen keine Hirarchie geben. Es gibt bei uns keine Priesterweihe und erst recht keine Bischofsweihe. Das einzige "Weihesakrament" ist die Taufe. Darin sind alle getauften Christen gleichgestellt. Und für die sog. "Geistlichen" gilt: Es gibt nur eine Ordination und das ist "nur" eine Beauftragung zur Verkündigung des Evangeliums und zur Verwaltung der Sakramente nach der Schrift - nicht mehr und nicht weniger. Darin sind Bischof und Dorfpastor völlig gleichgestellt.
b) Die Botschaft des Evangeliums als gepredigtes Wort und als richtig eingesetztes Sakrament ist gültig unabhängig von der moralischen Qualifikation des Ordinierten, der dabei sein Amt ausübt.
Sprich: Du musst nicht noch einmal neu getauft werden, wenn du später erfährst, dass der Pastor, der dich seinerzeit getauft hat, regelmäßig seine Frau und seine Kinder verprügelt hat. Die Vorstellung ist zwar schwer erträglich. Aber du kannst für deine eigene Persion trotzdem beruhigt sein: In der Taufe hat Gott selber gehandelt. Und was er einmal getan hat, das nimmt er nicht mehr zurück. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Predigten, die wir zu Ostern von den Kirchenoberen gehört haben. Wenn Sie das Evangelium von der Freundlichkeit Gottes verkündigt haben, dann ist diese Botschaft gültig, weil sie richtig ist, auch dann, wenn die Menschen, die dieses Wort unter Menschen ausgesprochen haben, an anderer Stelle schwer gesündigt haben.
Wenn es anders wäre, dann könnte ich selber meinen Beruf als Pastor nicht mehr ausüben.
Und für dich, Sunny, gilt das auch. Du bist eine gute Erzieherin im Kindergarten !!! Das darfst du dir sagen lassen.
Und keine Obrigkeit hat das Recht, Dir das abzusprechen, keine Kollegin, keine Kindergartenleitung, kein Pastor, kein Richter, kein Fürstbsichof - es sei denn, sie beginnen mit dir ein faires und partnerschaftliches Gespräch auf Augenhöhe darüber, wie du dich an einzelnen Punkten vielleicht weiterentwickeln könntest.
Voraussetzung: Sie sind zunächst einmal gut zu Dir!
Machs gut und bleib gesund!
Dein Turmfalke