Oh je, liebe Sunny, liebe Freunde,
was für ein Thema.... Zunächst ist jeder Jurist, der erfolgreich das Studium der Rechtswissenschaft mit dem ersten Staatsexamen absolviert, wenn er anschließend nach dem Referendariat auch das zweite Staatsexamen erfolgreich besteht, ist er sog. "Volljurist", womit ihm alle juristischen Berufe offen stehen, in erster Linie Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwalt.
Während bspw. Richter und Staatsanwälte von Amts wegen - und gesetzlich geregelt - zu Neutralität und Objektivität verpflichtet sind, sind schon die Rechtsanwälte zwar an Recht und Gesetz gebunden, - nicht jedoch der Neutralität und Objektivität verpflichtet. Im Gegenteil sind und sollen sie von berufs wegen vorrangig - und selbstverständlich - nur die Interessen ihrer Mandantschaft berücksichtigen und sonst nichts!
Und dann gibt es in allen Branchen (und natürlich auch in der Kirche) angestellte Volljuristen, die anders als Richter und Rechtsanwälte, keiner eigenständigen Berufsordnung und damit disziplinarischer Kontrolle unterliegen.
Diese angestellten, bzw. auch verbeamteten, Volljuristen sind - naheliegend - zuvörderst ihrem Dienstherrn verpflichtet, insoweit einem Rechtsanwalt vergleichbar.
Dass von Institutionen angestellte Volljuristen stets und immer objektiv und neutral handeln müssen, ist meines Wissens nirgendwo gesetzlich geregelt. Auf einem anderen Blatt steht, dass sie sich, wie jeder von uns, an Recht und Gesetz halten müssen.
Und da beginnt vielleicht das Dilemma. Die Juristerei (Rechtswissenschaft) ist anders als bspw. Physik, Mathematik, etc. keine exakte Wissenschaft, - vielleicht der Theologie, Philosophie vergleichbar (zwei Juristen, drei Meinungen).
Die romantische Vorstellung, dass jeder Jurist neutral und objektiv sein soll, ist wahrscheinlich erstrebenswert, wird vom Gesetzgeber jedoch nicht gefordert (Ausnahme: Richter!).
Und dann gibt es, wie überall, Turmfalke hat es schon angesprochen, gute und schlechte Juristen.
Und bei Prozessen vor Kirchengerichten entsteht regelmäßig folgende Melange:
Es handelt sich um Rechtsstreitigkeiten unter Christen, - selbst die beteiligten Anwälte müssen Mitglied einer christlichen Kirche sein, - die Richter des Kirchengerichts sowieso.
Und da liegt die Erwartung der Rechtsuchenden, die das Kirchengericht um Hilfe bitten, nah, dass im kirchengerichtlichen Entscheidungsprozess auch christliche Kategorien/Werte - etwa Barmherzigkeit - Berücksichtigung finden könnten. Weit gefehlt! Dort geht es nur und knallhart um (kirchen-) gesetzliche Vorschriften. Zwar sind alle Kirchengerichte üblicherweise auch mit (nur) einem (!) Theologen besetzt, der nach meinem persönlichen Eindruck allerdings nur als theologisches Feigenblatt dient. Aber ich schweife ab.
Denn ich bin hier in erster Linie als Verteidiger meiner juristischen Zunft angetreten. Sich mit unliebsamen Meinungen anderer Berufskollegen auseinanderzusetzen, gehört zum Berufsalltag eines jeden Juristen.
Liebe Sunny, hoffentlich gebe ich Dir nicht Steine statt Brot.
LG
Achim