korrupt

#1 von cezanne , 21.12.2013 17:03

sehr geehrte Leser dieses Forums!

ich möchte mich kurz vorstellen: bei der Entscheidung Pfarrer zu werden war der wesentlichste Gedanke für mich die Frage, ob es möglich ist Pfarrer zu sein, ohne korrupt zu sein. Damit meinte ich, dem Evangelium nachzuspüren und zu versuchen diesen Weg zu gehen - ohne irgendjemandem nach dem Mund zu reden oder um fremde Erwartungen zu erfüllen. Ich habe nie gepredigt um die Kirche "voll" zu bekommen, sondern Thema und Inhalt meiner Verkündigung immer bestimmen lassen von "Kairos", "Liebe", "Beziehung" und "lebendiger Begegnung". Als reformierter Pfarrer hatte ich da viel Freiheit. Immer wieder habe ich in der Zeit meines Pfarrerseins gehört, "dass man es ja nie allen recht machen kann". Mich hat dies immer befremdet, denn ich wollte es ja nie irgendjemandem recht machen, im Sinne von ihm nach dem Munde reden etc. Nun muss ich leider ernüchtert feststellen, dass offensichtlich genau das in der Kirche gefragt ist: es möglichst allen Menschen "recht" zu machen, möglichst angepasst und "aerodynamisch" zu sein in der Gemeindearbeit. und das ist dann "gedeihlich". Aber Liebe hat nichts damit zu tun anderen Leuten in den Hintern zu kriechen und ihre Vorurteile zu bestätigen, das Evangelium ist auch keine Kaffeeklatschvereinigung ohne Tiefgang und Herausforderung. Aber das muss ich ja hier nicht ausführen! ich denke nach wie vor, dass es die Hauptvoraussetzung und Hauptaufgabe eines Pfarrer ist, Menschen vorurteilslos und offen begegnen zu können, zu lernen sie zu achten, zu lieben und ihnen absichtslos und liebend zu begegnen und so gemeinsam Schritte auf dem Weg einer Spiritualität zu gehen. Jetzt (übrigens ist mein Wartestand vor wenigen Tagen ausgelaufen) stelle ich fest, dass die behördliche Amtskirche daran kein Interesse hat, sondern schlichtweg korrupte Pfarrer verlangt und diese befördert.
Was soll man als Mensch der christlich und spirituell leben will in so einer Vereinigung noch?
lg cezanne


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RE: korrupt

#2 von Achim , 22.12.2013 13:18

Lieber Cezanne,

dann bin ich wohl der erste, der Dich hier in unserem Forum Herzlich Willkommen! heisst. Schön, dass Du zu uns gefunden hast und Dich hier vorstellst!

Ich denke, dass alle von uns mt Dir einig gehen, soweit Du ausführst:

".... möglichst angepasst und "aerodynamisch" zu sein in der Gemeindearbeit. und das ist dann "gedeihlich". Aber Liebe hat nichts damit zu tun anderen Leuten in den Hintern zu kriechen und ihre Vorurteile zu bestätigen, das Evangelium ist auch keine Kaffeeklatschvereinigung ohne Tiefgang und Herausforderung. Aber das muss ich ja hier nicht ausführen! ich denke nach wie vor, dass es die Hauptvoraussetzung und Hauptaufgabe eines Pfarrer ist, Menschen vorurteilslos und offen begegnen zu können, zu lernen sie zu achten, zu lieben und ihnen absichtslos und liebend zu begegnen und so gemeinsam Schritte auf dem Weg einer Spiritualität zu gehen. ......."

Und dann noch Dein Problem mit dem vor wenigen Tagen ausgelaufenen Wartestand.

Wir stehen kurz vor dem Weihnachtsfest und dem Jahreswechsel, weshalb ich höflichst um Verständnis dafür bitte, dass ich im Moment der einzige bin, der zeitnah unseren "Neuen" den Willkommemsgruss entbietet.

LG

Achim


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RE: korrupt

#3 von Alesig ( gelöscht ) , 23.12.2013 18:40

Lieber Cezanne!
Was Du beschreibst, ist genau das, was mich und andere auch umtreibt. Was wird aus dem Predigerdienst, der Evangeliumsverkündigung, wenn unsere Amtskirchen nicht mehr wissen, was "Kirche" ist und sich selbst nur noch als kleine Herrscher verstehen und benehmen? Wir planen bei DAVID ein "Schwarzbuch Evangelische Kirche", das zum Jahr des Reformationsjubiläums mit den entsprechenden Jubelfeiern herauskommen soll und in dem die Anstöße und Neuentdeckungen der Reformation den heutigen kirchlichen Praktiken gegenüber gestellt werden. Wie kann sich eine solche "Kirche" noch auf das biblische Evangelium und die Reformation berufen? Auch von Dir wäre in diesem Buch ein Beitrag willkommen!
Herzlicher Gruß!
Alesig

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RE: korrupt

#4 von Joringel , 05.01.2014 15:07

Lieber Cezanne

ich lese aus Ihren Zeilen einerseits ein ein nüchternes Resumée und andererseits eine tiefe, bittere Enttäuschung. Sie erwähnen quasi in einem Nebensatz, dass der Wartestand jetzt ausgelaufen ist und nicht alle Leser wissen, dass Sie damit automatisch in den Ruhestand versetzt werden. Vermutlich hat Sie diese Nachricht kurz vor Weihnachten erreicht und sie hat etwas Endgültiges. Eine Tür wurde zugeschlagen, eine Berufsbiographie von Kirchenamts wegen ohne eigenes Verschulden unumkehrbar beendet. Das hinterlässt eine tiefe Wunde und schmerzt. Auch wenn sich irgendwann Narben bilden, sie werden trotzdem bleiben. - Dennoch, das Wort Gottes vergeht nicht mit den Umständen Ihrer Entlassung aus dem Verkündigungsdienst. Der russische Dichter Tolstoj hat einmal formuliert: "Das Reich Gottes ist inwendig in uns" (und wenn man einen Umkehrschluss zieht und seinen Glaubensweg kennt, dann könnte man sagen, es ist inwendig in uns und nirgendwo sonst.) Deshalb bin ich davon überzeugt, dass Sie irgendwann nach Ihrer nachvollziehbaren Trauer und Enttäuschung einen neuen Ruf, eine neue Berufung erfahren werden. Denn die Berufung hört nicht damit auf, wenn die Amtskirche einen Punkt setzt. Das habe ich auch schon an Berufskollegen und Kolleginnen beobachten können. In unserem Kreis können wir uns über diese Not und diese Hoffnung und neuen Erfahrungen austauschen.
Herzlich willkommen
Joringel


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RE: korrupt

#5 von cezanne , 07.01.2014 09:14

das stimmt, joringel! mir und meiner frau geschieht es zunehmend häufiger, dass wir staunende und - ja, bewundernde blicke und worte bekommen für das was wir tun. nämlich erhobenen hauptes mit aufrechtem gang durch unser städtchen gehen und insgesamt guter dinge sein. leute, die um der gerechtigkeit wilen verfolgt werden, genießen wirklich und leibhaftig seligkeiten. ohne sich jetzt selbst herauszustellen darf ich sagen, dass dies durchaus verkündigung und gelebter glaube ist. und wahrscheinlich ist der viel sichtbarer und wird viel mehr wahrgenommen, als die gottesdienste (damals) in dieser doch viel zu engen kirche. jetzt ist alles weiter und schöner und offener...

lg cezanne

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RE: korrupt

#6 von Joringel , 07.01.2014 11:38

Lieber Cezanne, gut, dass Sie mich trotz allem verstanden haben, denn es muss natürlich heißen "das Reich Gottes ist inwendig in uns". Ich werde es korrigieren. Trotzdem - die Befreiung, die trotz aller bitterer Erfahrung oder gerade daraus entstehen kann, hat für mich noch nie jemand so stark und uneingeschränkt formuliert wie Sie. Vielleicht hilft dem einen oder anderen in diesem Forum auch die Perspektive, die Sie damit eröffnet haben - aus dem Ende kann auch ein ein neuer Anfang entstehen. Die Gefahr, die von Verbitterung ausgeht ist sehr groß, sie hat etwas Lähmendes und Zerstörerisches. Auch wenn es lange dauern kann, jeder sollte sich auf die Suche machen, um einen Weg aus der Verbitterung zu finden.

Grüße von Joringel


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