II. aus der bisherigen kirchengerichtlichen Rechtsprechung bemerkenswerte Urteile
Kirchliche Rechtsprechung zum neuen Pfarrdienstgesetz liegt zur Zeit – jedenfalls nach meiner Kenntnis – noch nicht vor. Es gibt jedoch einige kirchengerichtliche Urteile, die nach altem Recht ergangen sind, von denen ich nachfolgend drei vorstellen möchte und deren Leitsätze und Grundaussagen auch im neuen Recht argumentative Geltung in Anspruch nehmen dürfen:
1. VGH der UEK, Urteil vom 16.10.2009 –VGH 7/08
Leitsatz der Entscheidung:
„Ein nach § 84 Abs. 2 PfDG gestellter Antrag auf Abberufung einer Pfarrerin oder eines Pfarrers ist nicht wirksam, wenn ihm eine unzulässige Einflussnahme auf den Gemeindekirchenrat, namentlich ein – generell unzulässiges – „Überfahren“ bzw. autoritatives Drängen durch Repräsentanten der Landeskirche bzw. des Kirchenkreises oder eine- regelmäßig unzulässige- auf die Motivation bestimmend einwirkende Einflussnahme durch diese Repräsentanten zugrunde liegt.“
Aus den Urteilsgründen wird ersichtlich, dass dem Gericht die „scharfe Kritik in der Literatur an den Konsequenzen der gesetzlichen Regelung für den betroffenen Pfarrer…“ nicht unbekannt ist und scheint diese auch ernst zu nehmen.
Das Gericht führt dort in den Urteilsgründen aus, dass der (nur) formal korrekt mit Mehrheit des Gemeindevorstands zustandegekommene Abberufungsantrag dann keine Wirkung hat, wenn er durch die Kirchenleitung instrumentalisiert wurde:
„Wenn sich die Repräsentanten der Kirchengemeinde lediglich dem für maßgeblich gehaltenen Willen der Landeskirche und ihrer Vertreter beugen, kann nicht mehr die Rede davon sein, das Quorum als solches lasse auf den entschiedenen Mehrheitswillen schließen, sich unter allen Umständen von dem Pfarrer zu trennen“
Ich kann hier dieses Urteil nicht in all´ seinen Facetten referieren. Die Kernaussage lautet nach meinem Verständnis jedoch: Wenn der Kirchenvorstand durch die Kirchenleitung instrumentalisiert wird, ist dessen Entscheidung zur Abberufung des Pfarrers (Ungedeihlichkeit) wertlos.
Dieser Gesichtspunkt und diese Entscheidung erscheint mir deshalb als besonders bemerkenswert, als ich in der täglichen Praxis auch immer wieder höre, dass in Wahrheit der Superintendent, bzw. – je nach Kirche - auch der Dekan, etc., eigentlich hinter dem Abberufungsbegehren des Gemeindevorstands (Presbyteriums) stehe, der den Gemeindevorstand für seine Zwecke beeinflusst und instrumentalisiere.
Ein Teilnehmer unseres Jahrestreffens stellte darauf die berechtigte Frage, wie denn solches treuwidrige Einwirken des Superintendenten/der Kirche auf den Gemeindevorstand dem Kirchengericht vorgetragen und ggfs. bewiesen werden kann.
Darauf habe ich auch keine rechte Antwort parat, zumal die vorgenannte Entscheidung des Kirchengerichts nicht präzise definiert, was sie unter unredlicher Einflussnahme versteht.
In einem aktuellen Fall habe ich jedoch in dieser Richtung argumentative Munition, weil mir diverse Protokolle und sonstige Schriftstücke vorliegen, die die Einflussnahme des Superintendenten auf das Presbyterium eindeutig belegen. Ich werde berichten.
2. Kirchliches Verfassungs-und Verwaltungsgericht der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Urteil vom 07.12.2010 – 17/09
Hierbei handelt es sich um einen sog. „Normenkontrollantrag“, mit dessen juristischen Feinheiten ich meine Leserschaft nicht behelligen mag. Jedoch finden sich im dortigen Urteil folgende Aussagen:
„ … hat der Gesetzgeber seine ihm den Gemeindepfarrern gegenüber obliegende kirchenverfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verletzt. Denn die Vorschriften versagen den Gemeindepfarrern den durch die Fürsorgepflicht gebotenen Schutz gegen unsachliche Entscheidungen über die Fortsetzung des Dienstes in der Kirchengemeinde…“
Im Leitsatz 4 dieser Entscheidung heißt es wortwörtlich:
„Der Ev. Kirche in Hessen und Nassau obliegt kraft kirchlichen Verfassungsrechts ihren Pfarrern gegenüber eine Fürsorgepflicht. Diese verpflichtet die Kirche auch dazu, die Pfarrer vor unsachlichen Angriffen zu schützen und ihnen die Möglichkeit einzuräumen, sich gegen belastende dienstliche Maßnahmen zur Wehr zu setzen“
Von mir hier kein weiterer Kommentar, die kirchenrechtliche Entscheidung spricht für sich.
3. Kirchliches Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 12.12.2012 – 2 VG 20/2010
Das kirchliche Gericht hat mit diesem Urteil die Abberufung unseres Mitglieds kassiert, der Klage des Pfarrers T. stattgegeben, der uns anlässlich unseres diesjährigen Jahrestreffens in Eisenach eindrucksvoll, bewegend und umfassend seine persönliche Betroffenheit schilderte.
Das vorgenannte Gericht hat mit seinem Urteil vom 12.12.2012 unserem Pfarrer T. Recht gegeben, was seiner/unserer Kirche missfiel, die deshalb Rechtsmittel einlegte. Dieserhalb findet noch im November 2013 die Revisionsverhandlung statt. Sie informieren uns über den Ausgang, dieser Verhandlung, lieber Pfarrer T.?
Ich denke, Pfarrer T. kann der Revision gelassen entgegen sehen, wenn ich das überzeugend begründete Urteil erster Instanz betrachte. Von diesem halte ich zunächst folgende Passage für berichtenswert:
„ Die Kammer hat die gegen § 84 Abs. 2 Pfarrdienstgesetz in breiten Teilen der Literatur geäußerten Bedenken, die als durchaus beachtlich angesehen werden müssen, gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift dahingestellt sein lassen…“
Mit anderen Worten: die entscheidende Kammer des Kirchengerichts kennt unsere Auffassung zur fehlenden Verfassungsmäßigkeit der §§ 79,80 des neuen ( und auch des alten ) Pfarrdienstgesetzes und qualifiziert unsere Bedenken „als durchaus beachtlich“, was in der Juristensprache eigentlich bedeutet, dass diese Kammer ebenfalls von Verfassungswidrigkeit der Vorschrift zur „Ungedeihlichkeit“ ausgeht.
Dieses Kirchengericht sieht zwar auch die Problematik der Verfassungswidrigkeit, weicht jedoch einer endgültigen Entscheidung zu dieser Frage aus und verhilft unserem Pfarrer T. mit anderer Begründung zum juristischen Sieg:
Nämlich mit der, dass die Kirche das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe, (Missbrauchskontrolle, Verhältnismäßigkeitsprinzip, milderes Mittel). Warten wir ab, wie die nächste juristische Instanz das Schicksal unseres Pfarrers T. bestimmt.
Ich hoffe, Euch/Ihnen und uns allen mit den drei vorgenannten kirchengerichtlichen Entscheidungen etwas größere juristische Transparenz geschaffen zu haben.
Demnächst schreibe ich hier noch etwas zum neuen Pfarrdienstgesetz (Teil III).
Ihr/Euer
Dr. Arndt (alias: Achim)
PS.: Wir würden uns über Reaktionen, Fragen, Kommentare und Kritik freuen