Liebe Freunde,
manchmal bedauere ich, dass unsere Zeit so mit Informationen, Büchern und Filmen überflutet ist. "Die Leiden des jungen Werthers" von Goethe erschütterten eine ganze Generation. Aber was uns heute erschüttert oder begeistert ist morgen schon wieder weggespült durch neue Ereignisse und Informationen. Jetzt sind wir erschüttert von den Taten der ISIS, vor wenigen Jahren waren es die Untaten des POL Pot-Regimes in Kambodscha, die gnadenlos Menschen ermordeten. Wir sprachen damals vom "Steinzeit-Kommunismus".
Heute vermeldet meine Tageszeitung das Geburtsdatum von Ralph Giordano (20.März 1923), der als Hamburger Bürger auf Grund seiner Abstammung in das Visier der Nazis geriet. Ich habe ihn einmal persönlich auf einer Tagung kennengelernt. Sein Roman "Die Bertinis" steht immer in meinem Bücherregal griffbereit. Wie kein anderer hat er Worte und Ausdrucksformen gefunden, um das Erleben von Menschen zu schildern, die staatlicherseits und auch von der Gesellschaft zum Teil vehement unterstützt, ausgegrenzt und zu Erniedrigung, Entmenschlichung und Ermordung freigegeben wurden. Ich weiß nicht, wie es heute in den Schulen ist, aber nach meiner Meinung sollten Teile seiner Werke in den Oberstufen gelesen werden.
Um Euch neugierig zu machen, habe ich mal einen Textauszug aus der Amazon-Seite kopiert.
Dass er als Sohn einer jüdischen Mutter davonkommen würde, war unwahrscheinlich. Wie er dennoch davonkam, und das immer wieder, darüber legt der Journalist, Fernsehautor und Schriftsteller Ralph Giordano Zeugnis ab – engagiert und kämpferisch wie eh und je. Es ist atemberaubend mitzuerleben, wie der Zehnjährige 1933 über Nacht konfrontiert wird mit einer Macht, vor der bald schon die Welt zittern wird. Unter welchem Druck muss ein Siebzehnjähriger stehen, der das Leben der geliebten Mutter beenden will, um ihr ein schlimmeres Schicksal zu ersparen? Und wie lässt sich ein sich immer steigernder Schrecken aushalten, bis der Zweiundzwanzigjährige erlebt, woran er nicht mehr geglaubt hat: die Befreiung? Dennoch wird eines im Leben dieses Aufklärers bleiben – die Konfrontation mit Mächten wie Nationalsozialismus, Stalinismus und Islamismus. Hier wird ein Zeitalter besichtigt, widergespiegelt in der Biographie eines Mannes von unerschöpflicher Kreativität. Wir werden Zeugen, wie der Schwur, Deutschland zu verlassen, allmählich dahinschmilzt und der Verfolgte von einst Anteilnahme empfindet für Menschen, die in den bedrohtesten Jahren seines Lebens auf der anderen Seite gestanden hatten. Und wie er hartnäckig um ein schwer erreichbares Ziel kämpft – Zugehörigkeit. Bei aller politischen Durchdringung dieses Daseins aber ist es ein durch und durch persönliches Buch, das Schlüsseldokument eines unvergleichlichen Lebens, die Bilanz eines großen Humanisten.
Euer Joringel