Liebe (offensichtlich) Mitdenkende!
Auch auf die Gefahr hin, hier als eine Art "Oberlehrer" missverstanden zu werden, lasse ich Euch einen kurzen Eintrag aus dem Kunstlexikon von Hartmann (online) zukommen; ich kann mich nämlich schon lange nicht mehr des Eindrucks erwehren, dass wir in unserer Gesellschaft weit hinter die Aufklärung zurückgefallen sind (in der Kirche freilich allzumal). Erstmals begegnete ich diesem Eindruck in e. Beitrag des Wissenschaftstheoretikers Paul K. Feyerabend: Die Aufklärung hat noch nicht begonnen, in: Paul Good/ P. Feyerabend (Hg.): Von der Verantwortung des Wissens. Positionen der neueren Philosophie der Wissenschaften (1982), es N.F. 122. - Aufklärung ist freilich unbequem, aufrüttelnd, aufrührerisch, aber auch belebend, erfrischend!
Man könnte meinen, das sei "sehr hoch" angesiedelt oder aufgehängt; doch wissen wir doch inzwischen, dass die früher scheinbar klaren Grenzen zwischen den sozialen Schichten und der Bildungsebenen seit der sog. Postmoderne so nicht mehr realistisch sind, falls sie es jemals waren. Mein bester Freund während der längsten Zeit m. Gymnasialjahre kam aus ähnlichen "einfachen" Verhältnissen (wobei er bei der Großmutter lebte und alkohol- und drogengefährdet war) wie ich (ich wuchs "nur" ohne Vater auf); er lernte Schriftsetzer - kurz vor der Umstellung auf Photosatztechnik. Okay, wir "sumpften" viele Nächte herum, und ich erschien aschfal am nächsten Morgen in der Schule (oder gar nicht), aber wir lasen einige der griech. Philosophen der Antike, solche aus der Aufklärung und des dt. Idealismus, vor allem aber Nietzsche. Wir diskutierten darüber, manchmal auch mit Empfänglichen in Studentenlokalen (Lokale für Studierende muss man wohl heute sagen, aber der inklusive Sprachgebrauch ist ein anderes Thema) und genossen diesen Gedankenaustausch ebenso wie Bier und den Verzehr an der Currybude). Mein Freund lud mich meist von seinem Lehrlingsgehalt ein!
Ich habe auch in Fabriken Arbeiter (Malocher) kennengelernt, die einen erstaunlichen Bildungsgrad aufwiesen, weil sie einfach Interesse an geistigen oder künstlerischen Bereichen hatten. Okay, dass heutzutage ein Liebhaber klassischer Musik ein Punkkonzert oder Auftritte von Hipp-Hopp-Gruppen besucht, oder dass sich umgekehrt ein Punker in eine Aufführung mit Andrea Bocelli "verirrt", wäre vor 50 J. sicher noch nicht möglich gewesen; dies ist sicher ein Phänomen der Postmoderne (s. die Arbeit: "Erlebnisgesellschaft"; Autor ist mir entfallen).
"Junge, komm auf den Punkt!" - Also, was ich sagen oder wofür ich werben möchte: Schöpft das im Studium und später durch persönl. Interesse Erworbene aus und bringt es unter die Leute! Viele Menschen sind nach m. Erfahrung dankbar für Aufklärung, gerade auch im religiösen Bereich. Da haben wir doch ein großes Potential. Und selbst wenn - wie viele befürchten - 50% der Kerngemeinde "laufen geht", den Gd. fernbleibt, viell. sogar aus der Kirche austritt; vermutlich kommen dann aber von all denen, die bisher nur an den Rändern der Kirche lebten, wieder oder erstmalig, vorausgetzt allerdings sie sind überhaupt willkommen. Denn es werden viele sein, die "unbequeme" Fragen stellen oder Reformvorschläge unterbreiten, welche die "ewig Gestrigen" noch mehr abstoßen ...
Ich bin gespannt (auch wenn ich kein "Robin Hood" bin) wie ein Flizebogen auf Eure Reaktionen! - Schalom!