21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#1 von wegeM , 22.11.2014 10:45

Das Bundesverfassungsgericht hat der katholischen Kirche Recht gegeben:
ein Arzt in einem katholischen Krankenhaus hat sich nach Scheidung wiederverheiratet.
Das hat die katholische Kirche zum Anlaß zur Kündigung genommen. Dagegen hat der Arzt geklagt
und gestern verloren.
Die katholsche K. rühmt das als Stärkung der Selbstbestimmung.
Als gestern eine Bürgerin Kritik übte und einen katholischen Rechtsgelehrten nachfragte, das doch
damit in die persönliche Lebensführung des Arztes eingegriffen werde und auch das Persönlichkeitsrecht
mißachtet wird, betonte der die Religionsfreiheit im Grundgesetz.
Sie fragte weiter nach, wie die katholische Kirche mit derartigen "Freiheiten" leben könne und wie sie
als Kirche solche Gesetze machen könne, die jemenaden um den Arbeitplatzsplatz bringen?
Die Antwort war entlarvend: nicht die Kirche habe ja solche Gesetze festgeschrieben, es sei ja der Staat,
der die Gesetze verabschiede.
Ergo: Die Kirche kann also garnichts dafür!
Und wieder und nicht nur hier ist in den Blick zu nehmen wie es zu Gesetzen kommt, wer sie einbringt, wer
sie zum Beschluß vorlegt, wer sie schließlich beschließt und verabschiedet und sich letztlich bei der Umsetzung
darauf beruft.
Ein teuflisches Spiel, kennzeichnend für Staat wie Kirche. Er ist eben immer und überall und lächelt Dir scheinheilig zu.
Gestern hat er aus dem Munde eines katholischen Kirchenrechtlers gesprochen und geschocktes Schweigen ausgelöst.

wegeM  
wegeM
Beiträge: 47
Punkte: 159
Registriert am: 04.11.2014


RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#2 von Achim , 23.11.2014 13:29

Liebe WGM,

zunächst herzlichen Dank für Deinen Hinweis auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dem zunächst zu entnehmen ist, dass unser Arzt, nachdem er sich bis zum Bundesarbeitsgericht erfolgreich durchgekämpft hat, einen Dämpfer vom Bundesverfassungsgericht erfahren hat.

Dass unser katholischer Arzt damit endgültig seinen Kündigungsschutzprozess verloren hat, steht damit (noch) nicht fest, kann jedoch auch nicht ausgeschlossen werden. Wenn ich das Urteil des Bundesverfassunggerichts recht verstehe, bisher liegt es mit authentischem Text nicht vor, sondern lediglich als Pressemitteilung, wurde die Klage des katholischen Chefarztes nicht abgewiesen, sondern an das Bundesarbeitsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Wahrscheinlich haben sich seine Chancen verschlechtert, das letzte juristische Wort ist aber noch nicht gesprochen. Schlage vor, dass wir es abwarten.

LG

Achim


Gemeinsam sind wir stark!

 
Achim
Beiträge: 801
Punkte: 2.704
Registriert am: 23.07.2013


RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#3 von turmfalke , 23.11.2014 14:20

Liebe WegeM!

Ich teile deine Empörung! Das Urteil des Verfassungsgerichtes enttäuscht mich zutiefst. Ich sage das als ein evangelischer Pastor, der selber seit vielen Jahren in einer guten und sehr stabilen Ehe lebt. Wir werden natürlich nicht den Standpunkt aufgeben, dass die monogame, lebenslange und aus Liebe freiwillig eingegangene Einehe ein Glück ist und - wie wir sagen - eine gute Gabe Gottes. Das sagen wir natürlich auch den jungen Leuten, wenn wir sie auf eine kirchliche Trauung vorbereiten. Dennoch gibt es im Leben Situationen, in denen eine Ehe nicht halten kann. Es steht dann niemandem zu, Druck aufzubauen, um die Aufrechterhaltung einer Ehe zu erzwingen. Ebenso darf niemand den Betroffenen einen Neuanfang mit einem anderen Partner erschweren.

Deshalb ist unsere evangelische Kirche vor ca. 50 Jahren dazu übergegangen, auch bei einer neuen Eheschließung eine kirchliche Trauung anzubieten, wenn das gewünscht wird. Die katholische Kirche kann das "noch" nicht, weil für sie die Ehe ein Sakrament ist. Das kann man vielleicht sogar noch verstehen. Aber dass ein katholischer Arbeitgeber dienstrechtliche Konsequenzen zieht und bei einer Wiederverheiratung eine Kündigung des Arbeitsplatzes ausspricht, das ist für uns unvorstellbar. Wie gut, dass der Mann dagegen geklagt hat. Das Verfassungsgericht ist dafür die richtige Adresse.

Dabei ist die Antwort des zitierten katholischen Kirchenrechtlers natürlich irreführend. Sollte er das wirklich so gesagt haben?! Dann sei zur Klarheit angemerkt: Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland wird natürlich von den Gremien des Staates beschlossen, das katholische Kirchenrecht aber von der katholischen Kirche. Also: Es gibt kein Gesetz des Staates, das der Katholischen Kirche vorschreiben würde, dem Mann zu kündigen. Was für ein Unsinn!

Es ist aber leider wahr, dass unser Grundgesetz dafür einen gewissen Freiraum lässt. Noch mal zur Erinnerung: Artikel 140 unseres Grundgesetzes ist ein Rückgriff auf die Weimarer Reichsverfassung. Dort heißt es in Artikel 137:
1) Es besteht keine Staatskirche.
(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet....
(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

Dieser Artikel wurde 1917 und dann wieder 1949 beschlossen, um das hohe Gute der Religionsfreiheit zu gewährleisten. Er kann aber leider missbraucht werden. Unter dem "Schutz" dieses Artikels nehmen sich die Kirchen das Recht heraus, in das katholische kirchliche Arbeitsrecht oder in das Dienstrecht für evangelische Pfarrinnen und Pfarrer Paragrafen aufzunehmen, die den Betroffenen den Schutz durch die anderen Grundrechte der Verfassung vorenthalten können.

Hier noch mal in der knappsten Zusammenfassung:
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Die Grundrechte
Art 1(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Art 2(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt....Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
Art 3(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
Art 4 (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
Art 6 (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
Art 20 (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. ...
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

Die Rechtslage ist offensichtlich nicht ganz klar. Gelten die Grundrechte der Verfassung für kirchliche Mitarbeiter oder gelten sie nicht? Daher der berechtigte Versuch einer Klage beim Bundeverfassungsgericht. Leider haben wir hier wieder einmal erlebt, dass das Verfassungsgericht die konservative Position einer der großen autoritären Amtskirchen stützt.

Ob das Verfassungsgericht unter dem Einfluss des konservativen Flügels der katholischen Kirche steht, kann man nur ahnen. Es liegt aber auf der Hand, dass die Katholische Kirche eine Aufweichung der Positionen fürchtet. Wenn es sich einmal durchsetzen sollte, dass Art. 140 GG neu ausgelegt werden muss, dann würde die Katholische Kirche auch das traditionelle Pflichtzölibat für katholische Priester und das Verbot der Priesterweihe für Frauen als "verfassungswidrig" aufgeben müssen.
Und wir Evangelischen würden endlich befreit werden von den §§ 79 und 80 PfDG der EKD, genannt "Ungedeihlichkeitsparagrafen"

Viele Grüße an alle empörten Leidensgenossen! Euer Turmfalke

Lieber Achim! Mein Artikle war in "Word" schon fertig, dals ich deine Klarstellung las. Danke für den sachkundigen Hinweis. Warten wir also ab. Wir sollten die Sache auf jeden Fall gut beobachten, um später vielleicht doch nochmal einen neuen Versuch zu starten, die §§ 79 u 80 PfDG von Bundesverfassungsgericht kippen zu lassen. Gruß! Turmfalke


turmfalke  
turmfalke
Beiträge: 610
Punkte: 1.980
Registriert am: 28.12.2013


RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#4 von Robin , 23.11.2014 20:10

Liebe Freunde, ich bin hier anderer Meinung als Ihr! Unser Staat will, dass sich die weltanschaulichen Kräfte, also auch die Religionsgemeinschaften, am gesellschaftlichen Leben beteiligen und Einrichtungen, die ihr besonderes Profil zeigen und davon geprägt sind, leiten. So gibt es konfessionelle Schulen, Walldorfschulen, Kindergärten und eben auch Krankenhäuser konfessioneller Prägung. Das ist im Sinn einer positiven Religionsfreiheit gedacht. (Freiheit zur Religion und nicht nur Freiheit weg von aller Religion. GG Art.4) Nicht alles soll in unserer Gesellschaft agnostisch, ohne Religion, gestaltet sein. Auch das wäre intolerant, die Intoleranz der Religionslosen. Wer religiöse oder anthroposophische Erziehung seiner Kinder möchte oder im Krankheitsfall lieber in einem konfessionellen oder anthroposophischen Krankenhaus behandelt werden will, soll die Möglichkeit dazu haben, vorausgesetzt, dass es neben diesen Einrichtungen genug andere, säkular ausgerichtete gibt, so dass Bürger frei entscheiden können, wo sie sich anstellen lassen wollen, wohin ihre Kinder schicken, in wessen Hände sie sich im Krankheitsfall begeben. - Das ist im echten Sinn liberal. Auch ich teile die katholische Eheauffassung nicht. Aber ich respektiere, dass Katholiken, für die die Ehe ein Sakrament ist, an bestimmten ethischen Voraussetzungen bei Mitarbeitern, die in ihren Einrichtungen arbeiten, festhalten. Ein Arzt, der sich in einem katholischen Krankenhaus anstellen lässt, sollte sich das vorher überlegen.
Robin


Robin  
Robin
Beiträge: 625
Punkte: 2.179
Registriert am: 04.04.2014

zuletzt bearbeitet 24.11.2014 | Top

RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#5 von turmfalke , 24.11.2014 11:51

Lieber Robin!

Eine faire inhaltliche Auseinandersetzung im Forum ehrt uns.

Ich stimme dir zu bei dem, was Du über den Schutz der positiven Religionsfreiheit sagst. Wir können dankbar dafür sein, dass wir unter dem Schutz des Grundgesetzes die Gesellschaft als Christen mitgestalten können. Ich selber habe schon als Gemeindepastor mit großem Spaß die pädagogischen Möglichkeiten eines evangelischen Kindergartens genutzt, um christlichen Glauben und unsere Grundüberzeugungen auf sanfte, allgemeinverträgliche Weise an die junge Generation weiterzugeben. Wir nutzen unsere Möglichkeiten als Evangelische Kirche heute viel zu wenig. Dazu muss die Kirche natürlich die Freiheit haben, für eine spezielle kirchliche Ausrichtung geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszusuchen. Dieses Recht schützt Art 140 GG. Auch ich möchte nicht, dass wir diesen Freiraum für unsere kirchliche Arbeit verlieren. Und es gibt Kräfte in unserer Gesellschaft, die das fordern.

Im Falle des geschiedenen und wiederverheirateten Klinikarztes eines katholischen Krankenhauses sehe ich allerdings eine Grenze überschritten. Das mag Auffassungssache sein. Vielleicht sollten wir Evangelischen uns auch nicht zu sehr in katholische Angelegenheiten einmischen. Ich bitte aber zu bedenken, dass es eine immer stärker werdende Reformbewegung innerhalb der katholischen Kirche gibt, die sich für eine Erneuerung der katholischen Kirche einsetzt und dafür die Abschaffung des Zölibates, die Priesterweihe für Frauen und eben auch eine Änderung des katholischen Eherechtes einfordert. Die katholischen Kirchenleitungen sind aber weitgehend vom konservativen Flügel der Kirche bestimmt.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass viele Gesetze des katholischen Kirchenrechtes im Graubereich unserer Verfassung liegen. Um hier immer wieder neu zu klären, was in der Republik als Recht angesehen wird, braucht es die laufende Arbeit des Bundesverfassungsgerichtes. Die Richter sind "unabhängig", stehen aber doch im laufenden Gedankenaustausch mit einer sich laufend verändernden gesamten Gesellschaft. So bin ich zuversichtlich, dass das gleicher Gericht in anderer Besetzung in einigen Jahren die gleiche Frage nach der Kündigung eines geschiedenen und wiederverheirateten Klinikarztes anders entscheiden wird.

Ceterum Censeo bin ich auch guter Zuversicht, dass wir eines Tages die evangelischen Kirchen von dem verfassungswidrigen "Ungedeihlichkeitsparagrafen" befreit haben werden - ob auf dem Weg von Gremienentscheidungen innerhalb der Landeskirchen, ob durch Beschluss der Synode der EKD oder durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes.
Turmfalke


turmfalke  
turmfalke
Beiträge: 610
Punkte: 1.980
Registriert am: 28.12.2013


RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#6 von Achim , 24.11.2014 17:30

Liebe Freunde,

weder bei der staatlichen noch der kirchlichen Juristerei handelt es sich um "exakte Wissenschaft", was m. E. bedeutet, dass es dort keine absolute Wahrheit gibt, sondern bestenfalls das redliche Ringen um diese. Möchte vermuten, dass es sich in der Theologie ähnlich verhält.

Was wir bisher halbwegs authentisch zur hier diskutierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfahren können, ist in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts enthalten, die Ihr nachfolgend finden könnt:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/.../bvg14-103.html

Ich möchte mich jetzt und hier vorerst jeder inhaltlichen Bewertung enthalten, meine aber Parallelen zu der jüngst bekanntgewordenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erkennen zu können (der evangeliche Pfarrer, der zweimal für je fünf Jahre befristet im Sonderdienst beschäftigt war/Eröffnung des Rechtswegs zu den staatlichen Verwaltungsgerichten).

Wenn Ihr die vorgenannte Pressemitteilung lest, könnt Ihr feststellen, dass unser katholischer Chefarzt durch drei arbeitsgerichtliche Instanzen erfolgreich war, was schon selten und durchaus beachtlich ist! Erst das Bundesverfassungsgericht hat seinen "juristischen Höhenflug" abgebremst, nicht (sic!) beendet, was der Tatsache zu entnehmen ist, dass es das letzte dem Chefarzt günstige Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht einfach kassiert hat, wozu es berechtigt gewesen ware, sondern den Rechtsstreit an das Bundesarbeitsgericht zu neuer Entscheidung zurückverweist.

Sodann räume ich ein, dass wir es mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "nicht mit leicht verständlicher Kost" zu tun haben, woraus auch meine gegenwärtige Zurückhaltung resultiert. Allerdings sollte sich auch dem juristischen Laien erschliessen, dass das Bundesverfassungsgericht versucht hat, eine angemessene Lösung im Spannungsfeld zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und dem des betroffenen Arbeitnehmers zu finden.

Insoweit bin ich dann schon eher bei unserem Robin.


LG

Achim


Gemeinsam sind wir stark!

 
Achim
Beiträge: 801
Punkte: 2.704
Registriert am: 23.07.2013

zuletzt bearbeitet 25.11.2014 | Top

RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#7 von wegeM , 25.11.2014 00:56

In dieser Sendung berichtete ein Zuschauer, daß er von der kath. Kirche aufgefordert worden war,
sich taufen zu lassen oder er bekäme den Arbeitsplatz nicht.
Wofür er sich denn entschieden habe?, fragte der Moderator.
Für die Taufe wegen des Arbeitsplatzes, denn in Bayern wäre soviel katholisch, daß man sehen müsse, wo man bleibe.
Der katholische Rechtsgelehrte fand das ein "gutes Ergebnis".
"Naja", fand es der Moderator verschämt, offensichtlich etwas anderer Meinung, aber leider auch zu unmutig.

wegeM  
wegeM
Beiträge: 47
Punkte: 159
Registriert am: 04.11.2014


RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#8 von Achim , 25.11.2014 18:16

Liebe wegeM, liebe Freunde,

vielen Dank, liebe wegeM, für Deinen Hinweis auf "Taufe oder Arbeitsplatz". Wenn ich nicht ganz falsch liege und meine Erinnerung mich nicht völlig im Stich lässt, sieht es in der evangelischen Kirche, insbesondere in unserer Diakonie, ähnlich aus.

Mit Robin (s.o.) habe ich dafür auch Verständnis.

Vielleicht darf ich es jetzt einmal zur Veranschaulichung extrem auf die Spitze treiben?

Stellen wir uns einmal ein Krankenhaus der Diakonie vor, das sich (selbstverständlich) christlichen Zielen/Werten verpflichtet fühlt. Und stellen wir uns ferner theoretisch einmal vor, es wäre verpflichtet, jeden Bewerber jeden Glaubens/Bekenntnisses einzustellen. Dann dürfte es unserem Diakoniekrankenhaus schwerfallen, seine christlichen Werte und Zielvorstellungen in der täglichen Arbeit umzusetzen, bzw. zu leben, wenn seine Mitarbeiter entweder anderen Bekenntnisses oder Agnostiker sind?

Oder anders gewendet:

Wie soll ein christlichen Zielen verpflichteter Arbeitgeber diese Ziele ohne christliche Mitarbeiter erreichen können? Zugegebernerweise konstruiert, gleichsam ein Gedankenexperiment:

Ich unterstelle experimentell:

Nur Buddhisten bewerben sich erfolgfreich auf alle ausgeschriebenen Stellen eines diakonischen Krankenhauses, mit dem Ergebnis, dass 95% der Belegschaft des diakanonischen (christlichen) Krankenhauses sich eben nicht christlichen Zielen verpflichtet fühlt, - sondern nur buddhistischen.

Dieses zugegeben absurde Beisspiel mag/soll nur aufzeigen, dass allen Kirchen in Deutschland via Art. 140 GG ein Selbstbestimmungsrecht garantiert ist.

Will´ mich heute darauf beschränken, Euch in diesem Sinne eine differenzierte Betrachtungsweise abzuverlangen.

LG

Achim


Gemeinsam sind wir stark!

 
Achim
Beiträge: 801
Punkte: 2.704
Registriert am: 23.07.2013


RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#9 von Robin , 25.11.2014 21:45

Lieber Achim!
Deine Beispiele sind nicht so weit hergeholt. Was ist z.B., wenn ein totkranker Patient die Schwester, die in der Nacht an sein Bett tritt, bittet, mit ihm zu beten? Weil ein christlicher Geist in einer solchen Anstalt herrscht, haben seine Angehörige ihn vielleicht in dieses Krankenhaus gebracht. Und dann steht jemand, der mit dem Glauben nichts im Sinn hat, an seinem Bett.
Doch frage ich mich, ob diese Diskussion wirklich mit § 140 GG zu tun hat? Da geht es doch nur darum, dass die Religionsgesellschaften ihre eigenen Angelegenheiten innerhalb ihrer Institutionen selber regeln. Bei den konfessionell oder in anderer Ausrichtung geführten Einrichtungen aber geht es ja nicht nur um die Kirchen. Daher meine Hinweise auf die Anthroposophen. Wir wollen, dass sich verschiedene gesellschaftliche Kräfte, die human ausgerichtet und in unserem Land stark vertreten sind, aktiv in die Gesellschaft einbringen und ihr Profil in von ihnen geleiteten Zentren wie Schulen, Altenheimen, Krankenhäusern etc. zeigen. Warum nicht auch einmal buddhistisch geführte Häuser, so wie es vor den Nazis in Deutschland auch jüdische Krankenhäuser und jüdische Altenheime gab? Die letzteren gibt es zum Glück heute wieder. Diese Einrichtungen aber müssen ihre besonderen kulturellen und religiösen Eigenheiten leben dürfen und brauchen Mitarbeitende, die in ihrem Geist wirken. Für mich hat das alles mehr mit Art.4 GG zu tun, der Freiheit, die eigene Religion und Kultur leben zu dürfen, allerdings auf dem Boden von GG Art.1.
Robin


Robin  
Robin
Beiträge: 625
Punkte: 2.179
Registriert am: 04.04.2014


RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#10 von wegeM , 26.11.2014 01:55

Hallo Achim und Robin, liebe Leser,

ich mache mit und schreibe nun doch noch, daß ich eine andere Vorstellung
als erste hatte und noch habe:
wie macht das der Geschäftsführer des Krankenhauses, der ärztliche Direktor, der
Personalleiter - mutmaßlich alles katholische Christen- mit der Kündigung?
wie läuft das ab? Was man muß sich da vorstellen?

„Lieber Bruder Chefarzt, ich muß Dir leider heute sagen, daß du gekündigt bist.
Du weißt ja, Du hast dich leider wiederverheiratet und das darfst du nicht, bei aller Liebe, es steht geschrieben. Und was geschrieben steht,.... Du weißt ja.
Deine Arbeit war gut und wir könnten sie auch weiter gebrauchen, aber die Liebe steht im Wege. ....Grüß Gott.“
oder nach Managerart, eiskalt, ungerührt:
„Du bist gefeuert, sofort, hier Deine Papiere. Gründe kennst Du.
Diskussionen erübrigen sich, hier, deine Unterschrift von 2001.
Klagen? Kannst du machen, dem sehen wir mit Gelassenheit entgegen. Auf Wiedersehen.“

Ob die Skrupel haben, wenn sie sowas durchziehen? Jemanden um den Arbeitsplatz bringen? Einen Bruder in Christi. Weil die Gefühle ausgingen und neue kamen?
Weil das Leben so ist, wie wir nun alle reichlich erleben.
Es kann schön und gut sein , wenn es der Tod erst scheidet, aber ist das wirklich das
Normale,. das Machbare, das Erstrebenswerte, wenn eben die Liebe gegangen ist?
Man kann daran ein bißchen herumbasteln, man kann aber sehr genau wissen, was ein anderer niemals wissen kann über mein Innenleben, die Beziehung zu meinem Nächsten.
Da kann ein anderer Tod die Entscheidungen bestimmen und Schritte lenken.

Der katholische Glaube gebunden an den Beruf des Internisten oder andersrum.
Was ist wichtig für die Ausübung dieses Berufes? Was muß da für eine Geisteshaltung
sein, für eine Gefühlslage Hilfsbedürftigen gegenüber?
Welcher Glaube ist erforderlich für die Ausübung dieses Berufes, der Dienst am anderen Menschen ist und ihm aufhilft und heilt?

Hier der katholische. Was genau ist katholischer Glaube?
Ich lese von Formen wie die Form der Ehe wahren, nicht scheiden lassen, nicht wiederverheiraten. Form und Inhalt müssen zusammenpassen, sagte mir mal ein Mentorin
und ich vergesse es wohl nie. Formen ohne Inhalte oder Formen mit falschen Inhalten
gehen garnicht. Das ist verlogen, unecht, schädlich, vergiftet Beziehungen und Athmsophäre, macht krank..., es wird dir nichts abgenommen, wenn Form und Inhalt nicht zusammenpassen. Es ist tönerner Schrott.

Ein erwachsener , selbstbestimmender Mann - man darf reichlich Lebenserfahrung annehmen und Selbstbewußtsein , daß so einer wissen will, ob Richter das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf neue Ehe unter Behalt eines A-Platzes über die fragwürdige Selbstbestimmung einer Kirche stellen, vorallem, wenn es um das heutzutage sehr h o h e G u t eines Arbeitsplatzes geht , daß so einer da Veränderungswillen hat, das heiße ich gut für mehr Wahrhaftigkeit, die der katholischen Kirche in vielerlei Hinsicht abzusprechen ist. (Und natürlich auch der evangelischen.)

Was hätte er denn tun sollen ?

wegeM  
wegeM
Beiträge: 47
Punkte: 159
Registriert am: 04.11.2014


RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#11 von turmfalke , 26.11.2014 11:00

Lieber Robin!

Natürlich muss eine Religionsdgemeinschaft mit eigenem Profil das Recht haben, sich Mitarbeiter zu suchen, die sich mit den Zielen der Einrichtung identifizieren können. Aber woran wird das festgemacht? In der evangelischen Kirche ist es die Mitgliedschaft in der Institution Kirche. In der Praxis muss man da sehr nüchtern bleiben.

Ich erinnere mich gut daran, wie ich einmal als Gemiendepastor von der Pflegedienstleitung einer Diakoniestation gebeten wurde, zwei Bewerberinnen in die Kirche aufzunehmen, damit man sie anstellen könne. Es stellte sich heraus, dass beide einen "DDR-Hintergrund" hatten: Sie kannten die christlkiche Kirche nicht und waren weder getauft noch konfirmiert. Also bot ich einen "Erwachsenenkurs" zur Einführung in den christlichen Galuben an. Wir trafen uns 7 mal zu intensiven Gesprächen. Die Atmosphäre war gut. Am Ende feierten wir die Taufe in einem öffentlichen Gottesdienst und nahmen die beiden damit in die evangelische Kirche auf. Daraufhin konnten sie bei der Diakonie angestellt werden.

Ein Jahr später kündigte die eine von den beiden und suchte sich einen Arbeitsplatz bei der AWO. Da brauchte sie die Kirchenmitgliedschaft nicht mehr und trat wieder aus der Kirche aus. Die Andere machte sich selbstständig mit einer privaten Firma, die der Diakoniestation Konkurenz machte. Sie blieb in der Kirche, weil sie noch die Konfirmation ihrer Kinder wollte. Man war ja jetzt im Westen. Das gehört Kirche irgendwie dazu. An einem Gottesdienst oder einer Veranstaltung der Kirche habe ich die beiden aber nie wieder gesehen.

Liebe wegeM! Große Zustimmung! Ehe soll ein Raum sein, in dem Liebe gelebt wird und in dem sie sich entfalten kann. Das kann man nicht reglementieren. Dabei gibt es genügend Aussagen in der Heiligen Schrift, die uns sehr klar sagen, dass eine Ehe nach Gottes Willen nicht wieder aufgelöst werden soll. Wer diese Texte gesetzlich versteht, kommt zu dem Eheverständnis der katholischen Kirche. In der evangelischen Kirche wurde das bis vor ca 50 Jahren ähnlich gesehen. Es ist ja auch noch gar nicht so lange her, dass Ehescheidungen sogar nach staatlichem Recht nicht möglich waren. Heute würde das von niemandem mehr akzeptiert werden. Es ist bei uns die allgemein verbreitete Lesart, dass der christliche Glaube keine "Gesetzesreligion" ist, in der man Gehorsam einfordern könne. Deshalb passt die Kündigung des Chefarztes, über die wir sprechen, einfach nicht mehr in die Zeit. Das sehen sicherlich die allermeisten katholischen Gemeindeglieder genauso. Aber die "Macht" der konservativen katholischen Obrigkeit ist noch so stark, dass sie glaubt, sich in Fällen wie diesen durchsetzen zu können. Dieser Zwiespalt ist zu einer großen Zerreissprobe innerhalb der katholischen Kirche geworden. Man darf gespannt sein, wie das weitergeht.

Un dman darf gespannt sein wie die Gerichtliche Auseinadersetzung weitergeht. Wenn ich Achim verstanden habe, ist das ja noch nicht zu ende. Das Verfassungsgericht hat den Fall an die untere Instanz zurückverwiesen

Turmfalke


turmfalke  
turmfalke
Beiträge: 610
Punkte: 1.980
Registriert am: 28.12.2013


RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#12 von Robin , 26.11.2014 13:41

Lieber Turmfalke!

Du hast getan, was Du konntest. Aus Deiner Zuschrift geht aber auch hervor, dass man sich nicht so hoppla-hopp taufen lassen kann, um beruflichen Nutzen zu erzielen. Es geht das Katechumenat voraus. In Deinem Fall 7 Zusammenkünfte mit einem Kurs über den christlichen Glauben. Wenn dies für die Betroffenen nur eine vordergründige Angelegenheit war, - stellt dies den Vorgang ja nicht in Frage. Wir kennen alle das Gleichnis vom Säemann, der seinen Samen auswirft. Ob dieser aufgeht, wann und wo, steht nicht in unserer Macht. Und danach sollen wir auch nicht fragen. Und ob Dein Säemannswirken nicht doch etwas gebracht hat, lässt sich ja wohl nicht am Kirchenein- oder -austritt ablesen. Ich halte also nach wie vor daran fest, dass kirchliche Einrichtungen für ihre Arbeit in sensiblen Bereichen auch getaufte Menschen, also Christen, einstellen. Ob sie es auch von Herzen sind, darüber können wir nicht urteilen. Aber ein erstes äußerliches und objektives Kriterium ist die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche. Und dass Ärzte und Operateure nicht nur Techniker sein sollen, sondern es auch auf ihren menschlichen Umgang mit den Patienten ankommt, das weiß man doch heute immer mehr. Es ist nicht egal, in welcher Geisteshaltung auch ein Chefarzt seinen Beruf ausübt.

Was den Umgang mit Geschiedenen, die sich wieder verheiraten wollen, in katholischen Einrichtungen angeht, darüber möge WeGeM mit Katholiken streiten. Ich sage nur, dass ich die Haltung der katholischen Kirche respektiere, auch wenn der Zeitgeist dafür nur Empörung aufbringen kann. Für die katholische Kirche ist die Ehe, da Sakrament, unauflöslich. Wer wieder heiratet, begibt sich in Bigamie. In welche praktischen Unmöglichkeiten das führt, damit mögen sich diejenigen auseinandersetzen, die dieses Eheverständnis haben.

Robin


Robin  
Robin
Beiträge: 625
Punkte: 2.179
Registriert am: 04.04.2014

zuletzt bearbeitet 26.11.2014 | Top

RE: 21.11.14: Urteil des BuVerf.Ger.:Wiederverheiratung

#13 von Achim , 26.11.2014 18:51

Lieber Robin,

ich sehe es ebenso wie Du.

Liebe Diskutanten,

wir danken für Eure Beiträge. Wir sind hier für alle Meinungen offen und dankbar. Davon lebt schließlich unser Forum. Wir freuen uns über die gegenwärtige kontroverse Debatte.

Euer

Achim


Gemeinsam sind wir stark!

 
Achim
Beiträge: 801
Punkte: 2.704
Registriert am: 23.07.2013


   

Kirchenmitgliedsumfrage
"Auf den Pfarrer/in kommt es an"

Xobor Forum Software ©Xobor.de | Forum erstellen
Datenschutz